Nach dem Studium kommt der Ernst des Lebens

Am Ende eines jeden Studiums steht das Ziel Berufseinstieg. Ein guter Bildungsabschluss ist Voraussetzung für einen guten Job. In Wirklichkeit ist das nur die halbe Wahrheit. Wer kein Alleskönner ist, darf sich ganz weit hinten anstellen bei der Arbeitsplatzvergabe. von Andrea Präkels

Da sitze ich nun, fast dreißig, Mutter und immer noch Studentin. Immerhin ist es mein letztes Semester, ich schreibe nämlich meine Bachelorarbeit und brauche noch diesen einen letzten Kurs. Neben mir die Fünft-Semestler_innen, alle Anfang 20 und natürlich alles voll im Griff. Die wirken immer so, als hätten sie das Fläschchen aus der Hand geworfen und sofort mit der feindlichen Übernahme begonnen: Sprachen lernen, Auslandserfahrung, schon alles mal gemacht – total abgeklärt mit 22. Solche Leute kenne ich nicht, die sind für mich ein echter Mythos, denn während die an ihrem Lebenslauf feilen, feile ich meine Nägel oder treffe mich mit meiner besten Freundin, um die tagesaktuellen Geschehnisse verschiedener Fernsehformate zu verfolgen, um anschließend die tagesaktuellen Geschehnisse der hiesigen Bars und Diskos zu verfolgen.
Nun muss ich langsam einsehen, dass die angenehme Halbtags-Beschäftigung namens Studium zu Ende geht. Es folgt der Ernst des Lebens, damit wird mir schon seit Jahren gedroht, immer dann, wenn eine große Veränderung ansteht.
Der Ernst des Lebens lässt sich bei Jobportalen im Internet finden, ich gebe also meine Kriterien ein und warte auf die passenden Stellenausschreibungen. Die Anforderungsprofile machen mir Angst. Die Personalreferenten_innen der ausschreibenden Firmen glauben anscheinend, dass es nur drei Studiengänge gibt, BWL, Medienwissenschaften oder, für ganz verrückte, Marketing. Oh, ja klar spreche ich englisch, spanisch, französisch, russisch, sanskrit, swahili. Da ich mich für den Bereich Redaktion und PR interessiere, sollen bitte auch mindestens 10 Veröffentlichungen der letzten 14 Tage eingeschickt werden. Hab´ ick nich! Bewerben tue ich mich trotzdem, immerhin habe ich ein tolles Praktikum in einer renommierten Firma gemacht. Da durfte ich die ersten spannenden Erfahrungen in freier Wildbahn – äh, auf dem Arbeitsmarkt machen. Als ich mich das erste Mal auf ein berufsvorbereitendes Praktikum bewarb, war ich erschrocken, dass man ein Praktikum im selben Bereich als Voraussetzung gemacht haben sollte. Bitte? Ein Praktikum als Praktikumsvoraussetzung? Aha, ohne Huhn kein Ei, ohne Ei kein Huhn. Was nun?
Ich hatte Glück und bekam als Praktikumsjungfrau trotzdem einen guten Platz. Das sollte also mein schlagendes Argument sein, außerdem meine Persönlichkeit und die zahlreichen weiterbildenden Kurse, die ich während meines Studiums vor lauter Angst gemacht habe.
In den folgenden Wochen checke ich permanent meine Emails. Es passiert nichts, jetzt paaren sich meine Selbstzweifel mit echter Existenzangst. Und dann, an einem Dienstagabend, eine Einladung zu einem Gespräch. Ich bereite mich entsprechend vor und schlage mich fantastisch, ich mache richtig Werbung für mich, habe auf jede Frage eine gute Antwort und nicke immer lächelnd, wenn es passend scheint. „Hab´ ich schon gemacht!“, „Kann ich!“, „Ist kein Problem!“, höre ich mich sagen.
Dann muss ich wieder warten, nach 5 Tagen endlich die Erlösung: Ich hab das Praktikum! Wieso auch nicht, schließlich habe ich schon eins gemacht.

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