Es gibt vermutlich keinen Menschen ohne Probleme auf dieser Welt, selbst wenn es durch Social Media manchmal so scheint. Der große selten vorkommende Unterschied ist jedoch, dass wir alle zurzeit den selben Kampf kämpfen – nämlich den gegen das Coronavirus. So verschieden, wie Menschen in allen Lebenslagen sind, so unähnlich gehen sie auch mit Situationen, wie der derzeitigen um. Eine Reaktion ist dabei der Zustand von „Anxiety“, bzw. ein Angstzustand, der in einigen Fällen zu einer Angststörung führen kann. Obwohl der Begriff „Anxiety“ in vielen verschiedenen Zusammenhängen fällt, da es viele Menschen betrifft, gibt es wohl wenige, mich eingeschlossen, die sich mit dem Thema auseinandersetzten, bevor sie es nicht selbst erlebt haben. Wie wirkt sich die derzeitige Lage also auf unseren Körper und Geist aus? Von Laurenzia Kiesche.
Vor einigen Wochen wachte ich aus dem Nichts mit einem sehr ungewöhnlich hohen Puls auf. Nach einigen gescheiterten Versuchen, mich um drei Uhr morgens zu entspannen, verfiel ich in Panik, wie so viele, die etwas Ungewohntes an ihrem Körper bemerken. Zwei Wochen später, nachdem sich nicht viel verbessert hatte, dann die Diagnose – „Anxiety“, bzw. ein Angstzustand. Ich war verwirrt. Hatte mein Körper wirklich eine scheinbar so unterbewusste Angst vor der derzeitigen, sehr ungewohnten Lage entwickelt, die zu einer Überreaktion führte? Vor allem eine so unbekannte Situation wie diese, in der wir uns gerade befinden, ist oft mit vielen verschiedenen Emotionen der Menschen verbunden.
Was ist Anxiety / eine Angststörung?
Obwohl bei mir mittlerweile alles wieder normal ist, habe ich mich dennoch dafür interessiert, was diese Reaktion ausgelöst haben könnte, was ein Angstzustand eigentlich ist. Im Duden wird die Bedeutung eines Angstzustandes als ein „unkontrollierbares Gefühl der Angst, das physische Störungen […] auslöst“ beschrieben. Generell kann „Anxiety“ die Auswirkung von Stress (bedingt durch z.B. Angst) auf unseren Körper sein, wobei jedoch viele verschiedene Faktoren eine Rolle spielen. Jede_r erfährt Angst im Leben, oftmals aus vielen unterschiedlichen Gründen. Angst vor einer Klausur, eine gewisse Angst oder Nervosität vor einem Vorstellungsgespräch, Höhenangst und manchmal auch Angst davor, mit jemandem zu reden, den man wirklich (wirklich, wirklich) gut findet und so weiter und so fort. Manche Ängste sind also gewöhnlich, weil viele Menschen sie haben.
Wenn eine Angst sich jedoch auf den Alltag einer Person auswirkt, also sozusagen immer präsent ist und möglicherweise jemanden davon abhält, sich bestimmten Tätigkeiten zu widmen, spricht man von einer Angststörung bzw. „Anxiety disorder“.
Wenn jemand zum Beispiel aktiv vermeidet, die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen, möglicherweise aus Angst vor Keimen, unvorhersehbarer sozialer Interaktion etc., dann könnte möglicherweise von einer Angststörung gesprochen werden. Es muss also zwischen der Angst als Gefühl, also der normalen Reaktion auf Gefahr, und der Angst als Erkrankung, also der Angststörung, unterschieden werden.
Der Kern der Angst
Woher kommen Angststörungen? Natürlich gibt es viele verschiedene Arten von Angst, wahrscheinlich zu viele, um sie alle aufzuzählen. Man kann diese Ängste in verschiedene Kategorien einteilen. Es gibt unter anderem Phobien, Panikstörungen und Generalisierte Angststörungen. Phobien sind Ängste vor einem spezifischen Objekt, einer bestimmten Räumlichkeit (also beispielsweise Platzangst) oder auch vor besonderen Situationen, wie soziale Phobien, bei denen einige aktiv Situationen vermeiden, die mit sozialem Kontakt zusammenhängen (also jemanden anzurufen, sich im Unterricht zu melden etc.). Einige „berühmte“ Phobien sind zum Beispiel die Arachnophobie (die Phobie vor Spinnen), Klaustrophobie (bspw. Angst vor Fahrstühlen) und Aviophobie (Flugangst), obwohl es viele weitere Phobien gibt, die nicht ganz so weit verbreitet sind.
Bei Panikstörungen treten vermehrt Panikattacken auf, die meist nur Minuten andauern. Sie können durch bestimmte Situationen, Orte oder auch Objekte ausgelöst werden, jedoch auch plötzlich und ohne einen offensichtlichen Grund vorkommen. Dabei kommen körperliche Symptome wie unter anderem Atemnot, starkes Herzklopfen, Schweißausbrüche, Zittern, Übelkeit usw. auf. Es können auch psychische Symptome entstehen, wie Angst davor zu haben, die Kontrolle zu verlieren, oder auch wahnsinnig zu werden. Zudem kann auch Angst vor Ersticken, Angst bewusstlos zu werden etc. auftreten.
Die generalisierte Angststörung ist der Panikstörung ähnlich, mit dem Unterschied, dass sie sich nicht in Panikattacken äußert und nicht beispielsweise auf eine bestimmte Situation beschränkt ist (also grundlos auftritt), sondern eher durch chronische Sorgen oder Ängste ausgelöst wird (wie zum Beispiel einen geliebten Menschen durch einen Unfall oder durch eine Krankheit zu verlieren) und sich somit die Angst „über den Tag“ verteilt. Zusätzliche Symptome dieser Angststörung sind Herzrasen, Ruhelosigkeit und Mundtrockenheit bzw. das Gefühl einen „Kloß im Hals“ zu haben.
Natürlich muss es sich nicht gleich um eine Angststörung oder Ähnliches handeln, wenn man an sich selbst Symptome wie Herzrasen, Zittern usw. bemerkt. Das Wichtigste ist Ruhe zu bewahren und sich eine Beurteilung vom Arzt_von der Ärztin einzuholen, falls Bedenken aufkommen, dass es doch etwas Ernsteres, Körperliches sein könnte.
Angst vor Corona und der Situation
In einer Situation wie dieser, also eine, die in der Art vorher noch nie so wirklich da gewesen ist, ist Angst eine natürliche Reaktion des Körpers, Gefahren abzuwehren. Woher kommt die Angst? Zum Teil entsteht vielleicht Angst davor, das Coronavirus oder auch COVID-19, selbst zu bekommen, davor, dass andere Menschen, denen man selbst nahe steht, sich anstecken, oder davor, dass viele Menschen, vor allem Risikogruppen, an der Krankheit sterben bzw. sterben werden. Möglicherweise entsteht auch Stress, der zu Angst führt, daher, dass jemand das Gefühl hat, die Kontrolle über seine eigene Situation zu verlieren, da man als Individuum wenig Einfluss hat.
Vielleicht besteht auch die Angst, dass die Normalität, also der Alltag – Freund_innen treffen, ins Fitnessstudio gehen, Konzerte und Festivals besuchen usw. – für eine lange Zeit oder in dystopischen (nicht realistischen) Vorstellungen sogar für immer eingeschränkt sein wird und somit im gewöhnlichen bekannten Sinne nicht mehr vorhanden sein wird. Vielleicht bekommt auch jemand ein Gefühl von Angst oder Panik vor dem, was die Medien täglich übermitteln, wobei einiges wahrscheinlich nicht von vertrauenswürdigen Quellen stammt. Ohne Frage gibt es viele Faktoren, die jemanden verunsichern können.
Was ich selbst tun kann
Wenn die Angst an der derzeitigen Situation liegt, kann versucht werden, seine eigene Situation zu reflektieren. Was kann ich ändern und was nicht? Dabei ist es wichtig abzuschätzen, worauf man selbst Einfluss hat und in welchen Bereichen es sozusagen nicht sinnvoll ist, sich Sorgen zu machen, bzw. seine Energie hineinzustecken. Außerdem ist es möglich, sich an positiven Gedanken festzuhalten. Klar – leichter gesagt als getan, jedoch kann man beispielsweise zu sich selbst sagen, dass die Normalität früher oder später zurückkehren wird, dass es jetzt Zeit für Sachen gibt, für die man sich sonst keine Zeit nehmen konnte und dass man sich gegenseitig unterstützen kann.
Alternativ könnte natürlich auch beispielsweise an eine schöne angenehme Situation aus der Vergangenheit gedacht werden, die bei der Beruhigung hilft. Am wichtigsten ist jedoch sich selbst keine weitere Panik zu machen oder eine „Angst vor der Angst“ zu entwickeln. Bei Panikattacken kann man sich bewusst machen, dass keine direkte Lebensgefahr besteht, also, dass die Angst nur vorübergehend ist und sich dadurch beruhigen bzw. den Stress zu reduzieren.
Zudem gibt es einige Methoden, die gegen körperliche Symptome (wie z.B. Herzrasen), helfen. Auf und ab hüpfen bzw. „sich auflockern“, um die Muskeln zu entspannen und den Stress „abzuschütteln“; tief und gleichmäßig atmen und versuchen, sich von den Gedanken, die die Angst verursachen (bzw. auch von den Symptomen, die noch mehr Sorgen bereiten) abzulenken, sich zum Beispiel auf die Umgebung (was man fühlt, sieht, riecht usw.) zu konzentrieren. Ich habe zum Beispiel vor dem Einschlafen versucht, mich in eine Position zu legen, in der ich meinen Puls „so wenig wie möglich“ spürte, damit ich mir keine Sorgen darum mache.
Für längere Zeit sollte auf Kaffee und Alkohol weitestgehend verzichtet werden. Außerdem helfen regelmäßiger Ausdauersport und Entspannungsübungen, wie zum Beispiel Yoga, ebenfalls gegen Angstsymptome. Wichtig ist (wie immer) sich auch gut zu ernähren.
Natürlich ist nicht jede Angst oder jeder Stress, den man verspürt, gleich eine Angststörung, weshalb jemand, der sich Sorgen macht, an einer Angststörung oder Ähnlichem zu leiden, sich selbstverständlich eine ärztliche Meinung einholen sollte. Viele Menschen haben jedoch generell eine innere Unruhe oder auch Schwierigkeiten sich zu entspannen, wobei die genannten Tipps auch helfen können.
Bleibt gesund und macht euch nicht zu viel Stress!