Im September 2013 wurde in der Belehrtstraße in Potsdam eine Wohnung durch Studierende besetzt. Die Besetzung war die Konsequenz einer monatelangen, erfolglosen Wohnungssuche. Eine Antwort auf die Wohnungsnot, die in vielen deutschen Studentenstädten und auch in Potsdam immer größer wird. Doch ist Besetzung ein Weg aus der Misslage und kann man damit etwas erreichen? Von Jana Kamm
„Die ersten 2 Tage in der Wohnung waren etwas eigenartig und auch mit viel Unsicherheit verbunden für alle, die da waren. Dann hat es sich so gelegt, dass sogar Pläne geschmiedet wurden, wie die Wohnung neu gestaltet werden könnte. Mit welchem Zimmer angefangen werden sollte und wie beispielsweise die Küche aussehen sollte.“ Mit diesen Worten beschreibt eine an der Wohnungsbesetzung beteiligte Person ihre Erfahrungen während der Besetzung. Die Wut der Akteure_innen war damals groß, als sie die Diskussionen um das Belehrtkarree und andere leerstehende Objekte der ProPotsdam (Wohn- und Baugesellschaft) mitbekommen haben. Um zu zeigen, dass es für sie keine Rechtfertigung des Leerstehens dieser Wohnungen gibt und in der Hoffnung, einen Aufschrei zu erzeugen, wurde die Besetzung beschlossen. Der Ausgang dieser Aktion blieb von Anfang an offen. Um auch die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren, fanden bewusste Aufmerksamkeitsaktionen statt. So wurde zum Beispiel eine Einweihungsparty veranstaltet. Nach einiger Zeit wurde die besetzte Wohnung entdeckt und die Schlösser ausgetauscht. Damit war das Ende der Besetzung gekommen. Der gewünschte Effekt blieb aus, denn das Echo war nicht so groß wie erhofft.
Ist eine Wohnungsbesetzung legitim?
Aus Sicht der Besetzer_innen ist eine Besetzung immer legitim und hat nichts Kriminelles an sich. Hierbei verweisen sie auf die Menschenrechte und kollektive Bedürfnisse, wie das Verlangen nach Sicherheit und Schutz vor dem Wetter. In ihren Augen ist es vielmehr kriminell Wohnungen leer stehen zu lassen, die nach eigenen Angaben in einem sehr guten Zustand sind und mit wenig Aufwand wieder bewohnbar gemacht werden könnten. Sie werfen der ProPotsdam in diesem Punkt Profitmaximierung auf Kosten der Bürger vor.
Gregor Jekel, Leiter des Bereichs Wohnen in der Stadtverwaltung Potsdam, ist sich der angespannten Wohnungsmarktsituation in Potsdam bewusst. Er hält es für nachvollziehbar und legitim, dass davon besonders betroffene Personengruppen wie Studierende durch Protest darauf aufmerksam machen. Dennoch ist für ihn eine Wohnungsbesetzung kein geeignetes Mittel, da sie ein Eingriff in das Eigentumsrecht darstellt und damit rechtswidrig ist. Das Leerstehen der Wohnungen in der Belehrtstraße erklärt er damit, dass solange die Eigentumsverhältnisse nicht geklärt waren, die Möglichkeiten der Instandsetzung nur sehr begrenzt waren. Außerdem fungiert ein Teil der Wohnungen als Umsetzwohnungen für Sanierungen an anderen Stellen. Die Stadtverwaltung suche bereits nach Mitteln und Wegen ProPotsdam bei solchen Herausforderungen zu unterstützen. Ein erster Schritt ist die Erhebung des Bauzustandes der Häuser, sowie der Sozialstruktur der Mieter_innen. Gespräche und Versammlungen sollen die Betroffenen über die Planungen informieren.
Was wird gegen die prekäre Wohnungslage in Potsdam von Seiten der Stadt unternommen?
Der Wohnungsleerstand in Potsdam liegt derzeit mit 1, 58 Prozent auf einem historisch niedrigen Niveau. Deswegen ist für Gregor Jekel der vorhandene Wohnungsleerstand auch kein Problem, mit dessen Beseitigung eine Entlastung auf dem Wohnungsmarkt zu erzielen wäre. Als Konsequenz auf die Angespanntheit des Wohnungsmarktes hat die Landeshauptstadt mit ProPotsdam vereinbart, dass bis 2020 insgesamt 1000 neue Wohnungen gebaut werden sollen. Außerdem wurde eine Mietpreisbremse für immerhin 20 Prozent des Potsdamer Wohnangebotes vereinbart. Des Weiteren wurden Vereinbarungen zur Sicherung des Bestands an Belegungsbindung mit der ProPotsdam und der Wohnungsbaugenossenschaft „Karl Marx“ eG getroffen. Die Stadtverwaltung versuche, so Gregor Jekel, durch die Schaffung von Baurecht die Neubautätigkeit zu erhöhen und damit den Druck auf das bestehende Wohnungsangebot zu verringern. Doch bei wachsender Einwohnerzahl sei eine spürbare Entlastung des Wohnungsmarktes in absehbarer Zeit allein durch die Stadt und der ihr zu Verfügung stehender Instrumente nicht möglich. Hierbei appelliert Gregor Jekel auch an die Mithilfe privater Eigentümer_innen und Bauherren_innen und der Landesregierung. Dabei geht es ebenfalls um die geringe Zahl der Wohnheimplätze in Potsdam. Diese decken bis jetzt nur 9,5 % des Bedarfs an Wohnraum für Studierende.
Wenn sich was ändern soll, muss man aktiv werden.
Laut der Personen, die die Wohnungsbesetzung durchführten, würde eine Besetzung wieder gemacht werden. Wahrscheinlich genauso wie das letzte Mal. Denn trotz der nicht all zu großen Auswirkungen sind die Erfahrungen wichtig. Nun wird sich erst einmal neu sortiert und überlegt was noch helfen kann.
Doch eine Frage bleibt offen: Was kann man als Bürger_in und Studierende_r konkret tun, um die Situation der Wohnungslage in Potsdam und in vielen anderen betroffenen Studentenstädten zu verbessern? Hierfür wurden auf Nachfrage erste Lösungsansätze sowohl von Seiten der Stadt und der Akteure_innen, die hinter der Wohnungsbesetzung stehen, angebracht. So seien zum Beispiel der Kontakt und der Zusammenhalt mit den Nachbarn, ein Mittel gegen Wohnungsräumungen und Mieterhöhungen, wie einige Beispiele in Berlin zeigen. Außerdem gibt es bundesweite Vereinigungen wie Recht auf Stadt, die sich vor allem auf der rechtlichen und politischen Ebene gut auskennen und helfen können. Zudem sei, laut Gregor Jekel, ein gutes Beispiel für eine konstruktive Lösung die Wächterhäuser, ein Konzept, das in Leipzig entwickelt wurde und die legale vorübergehende Nutzung leer stehender Immobilien ermöglicht. In vielen Städten, unter anderem in Berlin, gibt es heute Gebäude, die so zwischengenutzt werden. Des Weiteren, können auch Bürgerinnen und Bürger, und damit auch Studierende, als Bauherren_innen aktiv, zum Beispiel in Baugemeinschaften oder in neu zu gründenden Genossenschaften. In Berlin gibt es bereits eine Genossenschaft, die Studentendorf Schlachtensee eG, die an zwei Standorten vielfältige Wohnmöglichkeiten für Studierende anbietet. Solch ein Modell wäre laut Gregor Jekel auch für Potsdam eine Bereicherung, durch die nicht zuletzt die Vielfalt der Wohnungsangebote erweitert würde.
In einem Punkt sind sich alle einig: Wenn sich etwas ändern soll, muss man aktiv werden. Dies ist nicht nur Angelegenheit der Stadt oder einzelner, engagierter Gruppierungen. Es ist unser aller Aufgabe.