In jeder Ausgabe der speakUP stellen wir euch vor die für ihr Studium nach Potsdam gezogen sind. Diesmal: Smaragda aus Athen. Von Denis Newiak
„Meine Heimat ist Griechenland. Aber wenn ich abends in mein Apartment fahre, dann sage ich schon: Ich fahre jetzt nach Hause.“ – Smaragda lebt seit einem Jahr in Potsdam und studiert an der Universität.
Dass die geborene Athenerin schnell neue Freundschaften schließen konnte, ist kein Wunder: Sie fühlt sich wohl, und ihre Freunde und Bekannten in ihrer Anwesenheit genauso. Wenn sie in den Semesterferien zurück nach Griechenland reist, sieht sie nur einen Unterschied zu Potsdam: den klimatischen. Sie sagt, diesen Winter konnte sie in ihrem neuen Zuhause sämtlichen Schnee nachholen, den sie bisher in ihrem Leben verpasst hat. Ihr Abitur legte die 19-Jährige an einer deutschen Schule in Athen ab. Sie beherrscht die Sprache perfekt, hat beide Staatsangehörigkeiten. Dass sie in Deutschland eine Hochschule besuchen würde, stand für sie schnell fest. Dass sie heute aber in Potsdam „Europäische Medienwissenschaft“ auf Bachelor studiert, ist eher Zufall: Eine Freundin hatte ihr davon erzählt, von der Möglichkeit, in alle Bereiche reinschnuppern zu können, von der Freiheit, die eigenen Interessen kennen zu lernen, sich noch nicht festlegen zu müssen. Einen Master möchte sie auf jeden Fall machen, um sich zu spezialisieren.
In welche Richtung sie gehen möchte, weiß sie aber noch nicht. „Das ist die Qual der Wahl.“ Bis sie sich entscheiden muss, hat sie noch ein paar Jahre Zeit.
Ob Deutsche anders ticken als Griechen? „Es gibt Stereotypen. Manchmal stellen die sich als wahr heraus, auch wenn ich gegen Verallgemeinerungen bin.“ Das Klischee, dass alle Deutschen in Lederhosen durch die Gegend rennen und eine Bratwurst nach der anderen mit Weißbier runterspülen, dürfte sich wohl nicht bestätigt haben. Doch was den öffentlichen Bereich angeht, sei alles etwas besser organisiert, einfach eine andere Mentalität als in der hellenischen Heimat. Dafür sei es manchmal schwer, mit den Deutschen warm zu werden. „Es gibt diese formelle Höflichkeit, wenn man zum Beispiel in ein Geschäft reingeht“, doch auf persönlicher Ebene lassen die Leute einen nicht immer so schnell an sich heran. Manchmal dauert es länger, bis man auf der gleichen Wellenlänge schwebt und sich festlegen möchte.
Monique hat an der Universität Potsdam erst BWL studiert, dann vor einigen Jahren ihren Master als Volkswirtin abgeschlossen. Zwei Dutzend Mal war sie in Griechenland im Urlaub. „Oft wird man schon nach drei gewechselten Sätzen ins heimische Dorf eingeladen, gegrillte Lammkoteletts und Raki all you can drink inklusive.“ Griechen seien sehr warmherzige und gastfreundliche Menschen, in seltenen Fällen etwas zu warmherzig. Ob man die gleiche Sprache kann, sei zweitrangig.
Erst vor wenigen Monaten war die 26-Jährige, die voraussichtlich nächstes Jahr in München ihre Doktorarbeit verteidigen wird, im Mittelmeerstaat, zu einer mehrtägigen Konferenz internationaler Wirtschaftswissenschaftler in Athen. Topthema: natürlich die allgegenwärtige Finanzkrise. Wenige Tage vor ihrer Anreise Mitte Mai hatten Demonstranten noch Steine auf Polizisten geworfen und fast das Parlament gestürmt – aus Angst um ihre Zukunft. Dass in den letzten Jahren Einiges schief gelaufen ist, streite niemand ernsthaft ab: Die Griechen seien sich einig, dass etwas passieren muss. Wer an der Lage schuld ist, sei hingegen nicht wirklich Konsens. Vielleicht entscheidet das ja die Zeit.
Korruption gibt es überall, auch in Deutschland. Mancher Index bewertet Deutschland sogar als das korrupteste Land überhaupt – gemessen an der Gesamtsumme der Bestechungsgelder, die vor allem durch Wirtschaftskorruption in die Höhe schnellt. In Griechenland seien die Beträge zwar meist kleiner, dafür sei die Korruption aber ständig präsent, erzählt Smaragda. „Kein Rauch ohne Feuer. […] Die Frage ist jetzt, wie man da rauskommt.“ Die Medien hätten einzelne Aussagen unnötig hoch gepuscht und die Lage angeheizt, in Deutschland wie in Griechenland. Die Forderung der deutschen Liberalen, die Griechen sollten ihre Inseln verkaufen, sei taktlos gewesen. Geschichte heißt Erinnern und ans Heute und Morgen denken. Jetzt helfe es aber nicht, einfach nur teures Geld in das Land zu stecken und es zum Sparen zu verdonnern.
Die Strukturen müssten krisenfest gemacht werden. In den sozialistischen Ministerpräsidenten Papandreou steckt Smaragda große Hoffnungen, auch wenn er unter dem internationalen Druck nur stark eingeschränkt vernünftige Entscheidungen treffen kann. Und wenn das ganze Sparen und Sich abhängigmachen doch nichts nützt? „Ich kann wirklich nicht einschätzen, wie sich das entwickeln wird.“
Monique möchte sich der Forschung widmen, am liebsten in den USA. „Dort hat man mehr Freiheiten, auch wenn man als Wissenschaftlerin noch nicht genau weiß, wo die Reise einmal hingehen soll.“ Und wo sieht sich Smaragda in zehn Jahren? „Das weiß ich noch nicht. Das muss man ja auch nicht. Ich bin aber sehr gespannt darauf, was kommt.“