Wo sind die Impulse?

Löblich, aber uninspiriert – Auf der gut gemeinten Brandenburgischen Hochschulkonferenz überwiegt der Eindruck von Resignation. Ein Kommentar von Paul Köppen.

Von den klammen Kassen der Hochschulen können Studierende, Lehrende und die jeweiligen Verwaltungen wohl bundesweit das sprichwörtliche Lied singen. So düster wie in Brandenburg jedoch scheint es sonst nirgends zu sein. „Brandenburg ist das Letzte“, hieß es gar zum Start der landeseigenen Hochschulkonferenz, als der Vertreter des akademischen Mittelbaus sein Grußwort zwar lakonisch, aber dennoch passend begann. Gemeint war das natürlich mit kleinem „l“ und mit Blick auf Rankings und Vergleiche zu anderen Wissenschaftsregionen in Deutschland; rhetorisch traf es den Nagel dennoch auf den Kopf. Jeder im Auditorium wusste natürlich längst, dass die etwa 51.500 Landes-Studienplätze chronisch unterfinanziert sind; dass Brandenburg dabei die Durchschnittsausgaben der anderen Bundesländer jedoch um mehrere Tausend Euro pro Jahr und pro Studierendem unterschreitet, erzeugte im Saal schon so etwas wie Entsetzen.

Wer freilich nach Potsdam gekommen war, um sich nun über Lösungsvorschläge, Ideen und Alternativen hinsichtlich der durch und durch untragbaren Zustände zu informieren, der musste zumindest von der entsprechenden Eröffnungsveranstaltung enttäuscht werden. Hier lag deutlich mehr Ratlosigkeit als Aufbruchsstimmung in der Luft. Oliver Günther, gerade erst Präsident der Uni Potsdam geworden, versuchte zu betonen, dass es den Hochschulen in gemeinsamer Arbeit mit der Politik gelingen müsse, nach Auswegen zu suchen. Nicht die Gegnerschaft zu den entsprechenden Ministerien mit ihren Sparzwängen sei dafür erforderlich, sondern die Partnerschaft mit ihnen. Dann könne man den Behörden vielleicht auch deutlich machen, wie groß die zukunftsperspektivische Bedeutung der Hochschulen für das ansonsten ja ressourcenarme Brandenburg ist. „Zukunftsmotor Bildung“ als Parole der Stunde also. Letztlich klingt das eher nach einem Pfeifen im Walde: Wenn in den entsprechenden Ministerien tatsächlich erst ein Bewusstsein dafür geschaffen werden muss, wofür Hochschulen in der Gesellschaft überhaupt gut sein können, besteht insgesamt wohl nur noch wenig Hoffnung. Dass mit den Verantwortlichen dort unter diesen Umständen – und Günther hatte gerade erst Gespräche in Bildungs- und Finanzministerium geführt – Sinnvolles erarbeitet werden kann, muss bezweifelt werden. Wo allerdings liegen nun die Alternativen?

Günter Verheugens „Impulsreferat“ – eher ein Euphemismus – bot jedenfalls wenig bis nichts, das in diesem Sinne einer Erörterung wert wäre. Dass er kein Bildungspolitiker sei, hatte er noch vorweg geschickt; das hätte jeder Zuhörer aber auch so nach wenigen Minuten von selbst bemerken müssen. Im Rahmen von Überlegungen, wie Europa als „knowledge based economy“ wettbewerbsfähig bleibe mit anderen Weltregionen – Schreckgespenst: China –, kommen Fächer wie Geschichte, Soziologie oder Politische Wissenschaften natürlich nicht mehr vor, hauptsächlich weil sie keine Patente liefern; und auf die komme es ja an in den Schlüsseltechniken Robotik, Nanotechnologie und so fort. Verheugen hat also offenbar vergessen, was er einst selbst studiert hat, gleichwohl er die Erinnerung an sein Studium „ganz im Geiste Humboldts“ zumindest anekdotisch hochhielt an diesem Nachmittag. Ferne Zeiten seien das gewesen, in denen man noch nicht habe hundertprozentig wissen müssen, was danach kommt, und in denen man auch ohne den ständigen Druck irgendwelcher Leistungsnachweise ausgekommen sei. Natürlich ginge das heute so nicht mehr, weiß der SPD-Politiker. Warum? Das behält er geflissentlich für sich, vergisst aber nicht, gleich auch noch zu erwähnen, dass er natürlich Steuerzahler ist. Und als solcher müsse man schon mal fragen dürfen, ob die Universitäten denn auch alles täten, um Ressourcen nicht zu verschwenden, Stichwort: Studienabbrecher-Quote! Eine „steuerfinanzierte Selbstfindungsphase“, das dürfe es heute nicht mehr geben. Auch wenn Verheugen dieses schöne Wort wieder zurücknehmen wollte später, bleibt die Ausrichtung seines Vortrags dreist bis skandalös und man muss sich fragen, ob er als Honorarprofessor der Viadrina in Frankfurt an der Oder überhaupt schon mal auf einen Studierenden getroffen ist. Wenn jedenfalls den versammelten Hochschul-Führungsetagen Brandenburgs – mit denen man keinesfalls immer einer Meinung sein muss, die sich aber zumindest doch einzusetzen versuchen dafür, dass Studierende ihre Klausuren nicht dauerhaft auf dem Fußboden schreiben müssen – ausgerechnet von einem ehemaligen EU-Kommissar vorgeworfen wird, sie müssten auch eine „Ressourcenverschwendung“ an den Unis verhindern, zeigt das bei aller unfreiwilligen Komik, dass die politische Klasse als solche anscheinend immer noch Lichtjahre davon entfernt ist, die Probleme der deutschen Bildungs- und Wissenschaftslandschaft auch nur annähernd zu verstehen.

Vor diesem Hintergrund erscheint Günthers Gesprächsbereitschaft mit seinen Vorgesetzten im Bildungsministerium irgendwie sinnlos. Vielleicht sollte er lieber mit jenen Studierenden den Dialog suchen, die einst im Rahmen der bundesweiten Bildungsproteste das Potsdamer Audimax besetzt hatten, worauf die damalige Uni-Leitung – die heute im Übrigen im Ministerium sitzt – mit mehr als fragwürdigen Methoden reagierte. Vielleicht müssten zuallererst diese beiden Parteien, Uni-Leitung und Studierendenschaft, erkennen, dass sie im Groben eigentlich die gleichen Ziele haben müssten. Und mittlerweile ja auch den gleichen Gegner.

Lies unseren aktuellen Bericht zur Hochschulkonferenz vom 7. März unter www.speakup.to/hochschulkonferenz-2012.

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2 Antworten auf &‌#8222;Wo sind die Impulse?&‌#8220;

  1. Sehr guter Kommentar v.a. bezüglich Verheugens neoliberalem Mantra, das mich schon nach wenigen Minuten anfing zu nerven, weil es zeigte wieweit der Herr Kommissar a.D. von den Problemen an den Hochschulen entfernt ist…

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