Hochschulen als Sparstrumpf: Studi-Vertretung und Uni-Präsident kritisieren Koalitionsvertrag

Erst kürzlich wurde wieder berichtet, dass Brandenburg im bundesweiten Vergleich erneut den letzten Platz bei der Hochschulfinanzierung einnimmt. Doch trotz günstiger Umstände verpasst es der rot-rote Koalitionsvertrag, die Bedingungen zu verbessern, bemängeln Uni-Präsident Günther als auch der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA). Wir haben einen Blick in den Koalitionsvertrag gewagt. Von Maria Dietel.

Noch in ihrem Wahlprogramm hatten die Sozialdemokraten mit dem Slogan „Wo die Zukunft entsteht: Unsere Hochschulen weiterentwickeln“ für sich geworben und den Hochschulen des Landes Aufwüchse von insgesamt 75 Millionen Euro zugesagt. Laut dem AStA-Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Uni Potsdam entspräche dieser Betrag in etwa lediglich den zu erwartenden allgemeinen Kostensteigerungen – verbessert hätten sich die Studienbedingungen in Brandenburg damit noch nicht, Brandenburg wäre weiter Schlusslicht im Ländervergleich. Kurz nach Verabschiedung des Wahlprogramms verkündete der Bund, das zuvor von den Ländern finanzierte BAföG ab 2015 selbst zu finanzieren – für die Länder eine Entlastung von rund 6 Milliarden Euro. Brandenburg bescherte die Ankündigung 185 Millionen Euro. Das wäre nun für die neue rot-rote Koalition die Chance gewesen, die Hochschulen finanziell besser auszustatten. Doch von den frei gewordenen Geldern würden nur 25 Millionen Euro in die Hochschulen investiert werden.

Uni-Präsident: „Chance auf großen Wurf versäumt“

Universitätspräsident Oliver Günther, der in der Vergangenheit bei seiner Kritik an der Brandenburgischen Landesregierung nicht zurückhaltend war, hält das faktisch für Wahlbetrug: Die Pläne würden der Ankündigung widersprechen, die freiwerdenden BaföG-Mittel überwiegend für den Ausbau der Hochschulen zu nutzen – wie auch die Bundesregierung empfohlen habe, die Mittel für „die Sanierung und den Ausbau der Hochschulen zu verwenden“. Der AStA pflichtet Günther bei und merkt an, dass eine Mittelzuweisung von 100 Millionen Euro für die gesamte Legislatur „eine nicht mal annähernde Verbesserung der Studierbarkeit an unserer Universität“ gewährleisten würde.

Nach der im Oktober 2014 veröffentlichten Studie des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie wurde erfasst, dass Brandenburg seit 2000 den Etat für die Hochschulen um fast ein Drittel gekürzt hat und die Pro-Kopf-Finanzierung der Studierenden mit 6.666 Euro weit unter dem Bundesdurchschnitt (7.500 Euro) liegt. Insgesamt seien von den etwa 20.000 Studierenden unserer Universität nur 15.000 Plätze ausfinanziert. Erneut stellt die Landesregierung somit bei der Finanzierung ihrer Hochschulen einen Negativrekord auf, da der Abstand zum Bundesdurchschnitt zwischenzeitlich bei über 40 Prozent lag.

Kaum Geld für große Sprünge

An die Wissenschaftspolitik stellen die Autor_innen des Koalitionsvertrag große Erwartungen: Die rot-rote Landesregierung sieht die Ausgaben für Hochschulen und Forschungseinrichtungen als Beitrag zur Ausbildung junger Menschen, für die Fachkräftesicherung, für den Wissenstransfer und für die gesellschaftliche Entwicklung. Weiterhin sollen die Hochschulen für bildungsfern aufgewachsene Studienbewerber _innen geöffnet und so eine Verbesserung von Studium, Lehre und den Studienbedingungen erreicht werden. Das ohnehin schon als zu knapp kritisierte Budget soll laut Vertrag ferner in die Verbesserung der Zusammenarbeit von Unternehmen und Hochschulen, den Aufbau von dualen Studiengängen, die Senkung der Abbruchsrate sowie den Ausbau von Berufs- und Familienfreundlichkeit investiert werden.

In Anbetracht der ungebrochen hohen Bewerber_innen-Zahlen mit laut AStA durchschnittlich acht Bewerbungen auf einen Studienplatz scheinen diese Ziele nicht umsetzbar. „Um eine hohe Zahl von Studierenden im Land Brandenburg zu haben, müssen das Studium attraktiv und die Studierneigung hoch sein“, heißt es außerdem im Koalitionsvertrag. Der AStA aber wendet ein, dass dies auch ausreichend Plätze in Lehrveranstaltungen, angemessene Unterrichtsräume und die benötigte Ausstattung einschließen müsse – dafür fehle es den Hochschulen aber an Geld.

Ungelöste Baustellen: Rückmeldegebühr und Wohnungsnot

Im Vertrag wird weiterhin fixiert, dass es auch zukünftig keine Studiengebühren geben soll, obwohl die Diskussion um die Debatte um die „Rückmeldegebühr“ von semesterweise 51 Euro als versteckte Studiengebühren noch nicht abgeschlossen ist (speakUP berichtete). In hochschulpolitischen Kreisen wird vermutet, dass die vorgesehenen Mittel zu nicht geringen Teilen allein dafür benötigt werden, um die mutmaßlich verfassungswidrig erhobenen „Rückmeldegebühren“ an die Studierenden zurückzuzahlen. Selbst für die Deckung der üblichen Kostensteigerungen an den Hochschulen wäre dann kein Geld mehr, von einer Verbesserung der Studienbedingungen ganz zu schweigen.

Die zukünftige Landesregierung soll sich auch für die Erhöhung des Frauenanteils unter den Professorinnen und Professoren sowie für ausreichende Masterplätze für jeden Bachelorabsolventen einsetzen. Wie das genau passieren soll, verrät der Vertrag nicht. Genauso unklar bleibt, wie „die Koalition mit einem Programm die Möglichkeit schaffen“ will, „dass Studentenwerke zusätzliche Studentenwohnheimplätze zur Verfügung stellen und Gebäude energetisch sanieren können“, wie der Koalitionsvertrag verspricht. Woraus dieses Programm genau bestehen soll, wird an dieser Stelle nicht weiter konkretisiert.

Die Notwendigkeit der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für Studierende bei steigenden Mieten und bei einem Deckungsgrad von knapp zehn Prozent, also knapp 2.300 Wohnheimplätzen auf etwa 25.000 Potsdamer Studierende wird von den Studierendenvertretungen wie vom Studentenwerk regelmäßig angemahnt. Kleine Neubauwohnungen, die nicht öffentlich gefördert oder betrieben sind, bleiben währenddessen für die meisten Studis unbezahlbar, viele von ihnen müssen daher ins wesentlich günstigere Berlin oder ins Umland ausweichen, wie eine Erhebung der Stadt ergab.

Im AStA und bei der Uni-Leitung kaum Hoffnung

Der AStA hält abschließend fest, dass der „Wettbewerb um die Studierenden der nächsten Jahre“ unter den Bedingungen der andauernden strukturellen Unterfinanzierung nicht wie erwünscht ausfallen wird. Auch Präsident Günther betont die Notwendigkeit eines Richtungswechsels in der Landespolitik, da die Qualität der Lehre und Forschung massiv bedroht seien.

Sabine Kunst, die nun auch bis 2019 Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur bleiben soll, war bisher nicht als treibende Kraft für eine bessere Ausfinanzierung der Hochschulen zu erleben. Wie sie mit der Situation umgeht, wird sich in der kommenden Legislatur zeigen.

Ergänzung vom 6. November 2014:
In unserem Artikel heißt es, dass „[n]ach der im Oktober 2014 veröffentlichten Studie des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie {…] Brandenburg seit 2000 den Etat für die Hochschulen um fast ein Drittel gekürzt“ habe. Diese Aussage bezieht sich auf die Ausgaben des Landes pro Student_in, nicht auf das Gesamtbudget des Landes für seine Hochschulen. Da sich die Studierendenzahlen deutlich erhöht haben, der Landesetat aber nicht entsprechend angepasst wurde, stehen den Hochschulen heute pro Kopf wesentlich weniger Mittel zur Verfügung als noch im Jahr 2000.

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