Kommentar zum Koalitionsvertrag: Große Worte, kleine Taten

Inhaltlich bleibt mit der neuen alten Koalition aus SPD und Linken in Brandenburg vieles beim Alten. Nach der mutlosen Novelle des Hochschulgesetzes im April (speakUP berichtete) enttäuscht der rot-rote Koalitionsvertrag erneut zahlreiche Erwartungen. Das mag am Inhalt liegen, zu einem ebenso großen Teil aber auch an der Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität. Kommentar von Peter Schuld.

Am 1. November stimmten SPD und die Linken auf zwei Sonderparteitagen mehrheitlich für die Fortsetzung ihres Regierungsbündnisses. Damit ist der dazugehörige Koalitionsvertrag beschlossene Sache. Dieser enthält einige klangvolle Formulierungen, die kritisch zu hinterfragen sind. So heißt es beispielsweise: „Brandenburg ist ein Wissenschaftsland. Dies gilt es in den kommenden Jahren weiter zu pflegen und auszubauen.“

Zusätzliche Investitionen sind Mogelpackung

Die Zahlen hinter den großen Worten sind deutlich kleiner: Pro Jahr sollen allen Hochschulen und Universitäten des Landes insgesamt 20 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung stehen. Bis zum Ende der Legislaturperiode 2019 sind das also 100 Millionen Euro extra. Andererseits übernimmt der Bund ab 2015 die Kosten für das BAföG vollständig. Diese Entlastung bedeutet für Brandenburg bis 2019 eine Ersparnis von 185 Millionen Euro. Vor diesem Hintergrund erscheint die Verbesserung der Hochschulfinanzierung als eine Mogelpackung, da das Land unter dem Strich sogar Geld einspart.

Aktuell beträgt das Budget aller brandenburgischen Hochschulen 330 Millionen Euro jährlich. Somit sprechen wir von einem künftigen Ausbau der Finanzmittel um lediglich sechs Prozent. Da Brandenburg jedoch weniger Geld pro Studierendem und Jahr ausgibt, als alle anderen Bundesländer, ist das bestenfalls ein Tippelschritt. Hinzu kommt, dass die zusätzlichen Investitionen an der strukturellen Unterfinanzierung nichts ändern dürften. Zwischen 2000 und 2011 sind die Aufwendungen pro Studierendem und Jahr um fast ein Drittel gesunken, trotz zusätzlicher Gelder vom Bund. Dieser Rückgang sei fast vollständig auf geringere Landesmittel zurückzuführen, bestätigt das Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie in einer aktuellen Studie.

Ideologische Ziele an der Realität vorbei

Angesichts dieser ernüchternden Fakten gibt es zahlreiche Gründe, mit dem designierten Bildungsminister Günter Baaske (SPD) und der neuen Regierung bereits vor ihrem Amtsantritt unzufrieden zu sein. Das ist allerdings nur die erste Hälfte einer ausgewogenen Kritik. Denn SPD und Linke formulieren ihren ideologisch begründeten Anspruch, die Hürden für den Zugang zu Studienplätzen so niedrig wie möglich zu gestalten, ohne Rücksicht auf die Realität.

Stichwort Studiengebühren: Diese wurden und werden von beiden Parteien abgelehnt. Dafür mag es gute Argumente geben. Aber zeitgleich zu dieser ideologisch motivierten Ablehnung müssten SPD und Linke der Bevölkerung auch klar sagen, dass der Landeshaushalt offenbar keine Ausfinanzierung der Hochschulen zulässt, ohne bei anderen Ausgaben – die möglicherweise genauso sinnvoll und notwendig sind – zu sparen. Ein klassischer Zielkonflikt, der jedoch gerne verdrängt wird. Diese Zusammenhänge stellen keine automatische Forderung nach Studiengebühren dar. Sie sind vielmehr ein Plädoyer dafür, vor jedem Beschluss einen Taschenrechner in die Hand zu nehmen. Werden nämlich erst unrealistische Erwartungen geweckt und anschließend systematisch enttäuscht, ist Frustration bei den Betroffenen vorprogrammiert.

Ehrliche Grundsatzdebatte notwendig

Ungeachtet eines massiven Anstiegs der Studierendenzahlen in Brandenburg (von 20.000 im Jahr 2000 auf 52.000 im Jahr 2013) wollte oder konnte die Politik weder Studiengebühren einführen, noch die Landesmittel für die Hochschulen proportional anpassen. Der Anspruch einer für alle offenen Hochschullandschaft mit hochwertiger Bildung blieb trotzdem bestehen. Anstatt die Unerfüllbarkeit dieses Anspruchs unter den gegebenen Vorzeichen einzugestehen, versuchte die Regierung beispielsweise möglichst viel Verantwortung an den Bund abzuschieben, führte niedrigere Ersatz-Studiengebühren in Form der Rückmeldegebühr ein und fuhr die Hochschulen auf Verschleiß.

Unabhängig davon, wie genau eine tatsächliche Pflege von Brandenburg als Wissenschaftsland in Zukunft aussehen könnte, muss jede gelungene Politik an zwei Punkten ansetzen: Erstens, die Hochschulen dürfen nicht weiter finanziell ausbluten. Dafür sind sie wirtschaftlich und gesellschaftlich zu wichtig. Und zweitens, wahrscheinlich sogar noch wichtiger: Die Regierung müsste endlich anfangen klar und ehrlich zu kommunizieren. Nur wenn die Verantwortlichen ihre Ansprüche wieder mit der Realität vereinbaren, ist sinnvolle Politik möglich.

Weiterlesen: Unser Bericht zum rot-roten Koalitionvertrag

Korrekturen vom 9. November 2014
In unserem Artikel hieß es, den Hochschulen stünden im Laufe der kommenden Legislaturperiode jährlich 20 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung. Zutreffend ist, dass die Gesamtsumme von 100 Millionen Euro bis 2019 den Hochschulen in jährlich steigenden Tranchen zur Verfügung gestellt. Somit handelt es sich bei dem Betrag von 20 Millionen Euro pro Jahr um einen Durchschnittswert in Bezug auf den Zeitraum der kommenden fünf Jahre. Außerdem hieß es, Günther Baaske (SPD) sei als designierter Bildungsminister zukünftig für die Hochschulen in Brandenburg verantwortlich. Diese Aussage ist nicht zutreffend. Die Hochschulen liegen nach wie vor im Verantwortungsbereich von Sabine Kunst (parteilos), Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur. Wir bitten diese Fehler zu entschuldigen.

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