Giusi Borrasi via unslash
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Grotesk. Erbarmungslos. Demütigend. Und trotzdem wahnsinnig schön.

The Body-Horror is back.

Was passiert, wenn ein bekanntes Märchen aus einer neuen Perspektive erzählt wird – und die Stiefschwester zur Hauptfigur wird, die entgegen jeder ästhetischen Norm geht, um „perfekt“ zu sein? Genau diese Geschichte erzählt die norwegische Regisseurin Emilie Blichfeldt in ihrer Interpretation der berühmten Aschenputtel-Erzählung: The Ugly Stepsister. Der Film läuft seit dem 5. Juni 2025 in den deutschen Kinos und ist ab 16 Jahren freigegeben.

Nicht Aschenputtel

Wer den (wohl besten) Trailer des Jahres gesehen hat, erkennt sofort: Im Zentrum steht nicht Aschenputtel selbst. Stattdessen übernimmt die Hauptrolle ihre Stiefschwester Elvira, gespielt von Lea Myren. Die Handlung beginnt mit der Heirat ihrer machthungringen Mutter mit einem vermeintlich wohlhabenden Mann im Königreich „Swedlandia“. Dieser stirbt kurze Zeit später – und ein Konkurrenzkampf zwischen den Stiefschwestern beginnt, der buchstäblich unter die Haut geht.

Vom Küken zum Alptraum

Während Agnes alias Aschenputtel (Thea Sofie Loch Næss) anfangs wie eine hochnäsige, arrogante Gans auftritt, entpuppt sich Elvira als das eigentliche Küken der Familie. Sie ist freundlich, aber schüchtern und ängstlich. Wegen ihres Aussehens wird sie von ihren Mitmenschen auf erniedrigende Weise ausgegrenzt und beschämt.

Doch eines Tages erhält sie eine Einladung zum Ball – und damit die Chance, dem Prinzen höchstpersönlich zu begegnen. Damit beginnt eine Transformation, die manchen Zuschauern buchstäblich auf den Magen schlagen dürfte.

Der Preis ist hoch

Um „perfekt“ zu sein, unterzieht sich Elvira einer Schönheitsoperation nach der anderen – und das in einer Zeit, in der Desinfektionsmittel aus Kokablättern gewonnen und Nasen mit Meißeln operiert werden. Dabei greift sie zu immer bestialischeren Mitteln auf der Jagd nach Anerkennung und Schönheit, selbst auf Kosten ihrer eigenen Darmgesundheit. Der menschliche Körper ist in dieser Welt zum brutalen Geschäft geworden – und das in einer düsteren, grausamen Atmosphäre. Doch mit jeder Operation wird Elviras innerer und äußerer Verfall sichtbarer. Sie transformiert sich zu einer Figur, die dem Wahnsinn verfällt, und mit jeder Filmminute schwindet das anfängliche Mitgefühl des Publikums.

Ein Funken Hoffnung

Der Film ist eine schonungslose Gesellschaftskritik unserer Zeit und fühlt sich wie ein fiebriger Trip zwischen Traum und Albtraum an. Gleichzeit fällt er mit einer betörenden Ästhetik auf – mit Farben, Kostüme und einem beeindruckenden Setting. Das Märchenkorsett, in das der Film gepresst ist, wirkt passend und in sich geschlossen. Die Regisseurin nutzt ihr Debüt, um bewusst mit der zunehmenden Unschärfe heutiger Schönheitsideale zu spielen. Sie zeigt, wie der obsessive Wahn der Hauptfigur den sozialen Aufstieg der Familie ermöglichen soll. Dabei hält die Kamera drauf – und das erbarmungslos.

Und ein Funken Hoffnung bleibt am Ende, trotz aller Verstörung. Ein leiser, bittersüßer Gedanke: die zarte Bande der Geschwisterliebe – das Einzige, was in dieser Welt nicht operativ verformt werden kann.

Bewertung: 8/10

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