Frust im ganzen Land

Umzugskartons mit den Daten der befristeten Verträge vor dem Landtag Brandenburg (Foto: Paula Gürtler)

Das Bündnis Frist ist Frust organisierte am 15. Januar 2020 bundesweit und dezentral Aktionen, um erneut auf die hohe Anzahl befristeter Stellen an Hochschulen und deren Folgen aufmerksam zu machen. Unsere Redakteurin war in Potsdam dabei und berichtet. Von Paula Gürtler.

Am Mittwoch, dem 15. Januar, sollten die Verpflichtungserklärungen der Länder an den Bund gesendet werden. In Brandenburg hat sich das verzögert, stattdessen fand eine Sitzung des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und Kultur im Landtag statt. Das Gute daran: Betroffene durften zu Wort kommen, Bedenken und Zweifel äußern auch gegen einen Entwurf der Verpflichtungserklärung, der Fragen offen ließ.

Protest

Doch der Tag startete schon eher: Um 12 Uhr traf man sich vor dem Landtag in Potsdam. Umzugskartons wurden aufgestellt, beklebt und beschriftet. Mehr und mehr Leute kamen dazu, Banner wurden hochgehalten. Es wurde lauter, bunter und dann begannen die Redner_innen, zu berichten. Persönliche Geschichten wurden erzählt, aber auch distanzierter wurden gute Gründe geliefert, warum die hohe Zahl befristeter Stellen den Hochschulen schadet. Sabrina Aileen Arneth (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Studis, Frist ist Frust Brandenburg) übernahm die Moderation und berichtete gemeinsam mit Sebastian Zachrau (freier zusammenschluss von student*innenschaften e.V.) aus der Sicht der Studierenden.

Alexander Lenk (GEW) und Dr. Peter Ullrich (Netzwerk Gute Arbeit in der Wissenschaft) gaben Einblicke in die vielfältigen Gründe, wie sich Befristung negativ auf die Wissenschaft und Lehre auswirken und mit welchen Begründungen noch immer daran festgehalten wird. Dr. Anke Bartels und Dr. Harald Pittel, Dozierende an der Universität Potsdam, berichteten aus ihrem Alltag und mit welchen Problemen sie und ihre Kolleg_innen zu kämpfen haben.

Überstunden unbezahlt

Die Protestierenden (Foto: Paula Gürtler)

Klar wird: Eine Karriere in der Wissenschaft anzustreben, bringt bei momentanem Stand keine guten Perspektiven mit sich. Sich bis zum 40. Lebensjahr von Jahr zu Jahr neu bewerben zu müssen, immer wieder an anderen Hochschulen zu arbeiten, somit nicht planen zu können, was vielleicht in fünf Jahren passiert – wie soll da gute Forschung und gute Lehre möglich sein? Deswegen die Forderung zum Ausbau unbefristeter und vor allem auch gering deputierter Stellen, die nicht der Kapazitätssteigerung dienen sollen.

Dozierende können sich bei 12 Lehrstunden in der Woche nicht um eine ausreichende Vorbereitung der Seminare kümmern, genügend Zeit für die Studierenden haben, Hausarbeiten korrigieren und ihre eigene Forschung voranbringen. Die Arbeit von Lehrpersonal besteht zu einem großen Teil aus unbezahlter Arbeit. Überstunden sind unumgänglich. So muss dann einiges vernachlässigt werden und wenn es das eigene Privatleben ist. Kein Wunder, dass da Frust entsteht.

Gute Zeichen

Deswegen tut es gut, einmal laut aussprechen zu dürfen, was eine_n frustriert und verärgert und dann auch gehört zu werden. Der rbb war mit dabei, filmte, lauschte und führte Interviews und bringt (neben der speakUP) dem ganzen Thema hoffentlich die mediale Aufmerksamkeit, die notwendig ist, um mehr Sympathisierende zu gewinnen und so auch mehr Druck ausüben zu können. Es zeigte sich schon beim Protest, dass die Betroffenen nicht alleinstehen. Isabelle Vandre (DIE LINKE) und Sarah Damus (Bündnis 90/Die Grünen) meldeten sich spontan noch zu Wort, zeigten Verständnis und Ehrgeiz, sich für die geforderten Änderungen einsetzen zu wollen.

Landtag Brandenburg, letzte Reihe

Sitzung des Ausschusses im Landtag (Foto: Paula Gürtler)

Nachdem sich auch die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur Dr. Manja Schüle (SPD) spontan mit ein paar Worten an die Protestierenden richtete, ging es etwas verspätet in den Landtag. Außen prunkvolles Schloss, innen schlichter, moderner, steriler Sitzungsraum, der gut gefüllt war mit interessierten Zuhörer_innen. Nun konnte Politik beobachtet werden: Feste Redezeiten für die geladenen Expert_innen und Ermahnungen bei Überschreitung.

Sieben an der Zahl waren es: Aileen Behrendt (Frist ist Frust Brandenburg, Arbeitskreis Gute Lehre an der Uni Potsdam), Susanne Gnädig (Vorsitzende des Personalrates für das wissenschaftliche und künstlerische Personal der UP), Erik Zander (Landesausschuss der Studierenden), Dr. Peter Ullrich (NGA Wiss), Prof. Hans-Jürgen Holt (Deutscher Hochschulverband), Dr. Stefan Rödiger (Personalrat an der Brandenburgischen Technischen Universität in Cottbus) und Prof. Oliver Günther (Präsident der UP, der die Sitzung eher verlassen musste für den Neujahrsempfang der Uni). Fünf bis maximal sieben Minuten hatte jede_r Zeit, seine_ihre Ansicht darzulegen.

Zeit, die gut genutzt und in der viele Themen angesprochen wurden. Es ging um Betreuungsrelationen, Transparenz, Variabilität im Lehrangebot, persönliche Bindung an die Hochschulen und somit Möglichkeiten für eine bessere Alumnikultur. Die Politiker_innen erhielten Einblick in die Arbeit an einer Universität und die Irrsinnigkeit von Verträgen, die mitten im Semester auslaufen. Auf feste Redebeiträge folgte eine Diskussion und Dr. Manja Schüle, die die bisherigen flexiblen Formulierungen im Entwurf der Verpflichtungserklärung verteidigte.

Profit

Viel Stoff zum Nachdenken gab es von den Expert_innen für die Politiker_innen. Bleibt abzuwarten, was sie daraus machen, aus einer Sitzung, in der es um Macht und Vertrauen, um Arbeitsrecht, Demokratie, Digitalisierung, Verlässlichkeit, Ökonomie, Autonomie, Nachhaltigkeit, Qualität und Perspektiven ging. Kommunikation war ein wichtiges Thema: Zwischen Politik und Wissenschaft und zwischen dem Lehrpersonal und den Universitätsleitungen. Es wurde Mitsprache gefordert, dass die Menschen, auf die eine politische Entscheidung Auswirkungen hat, an diesem Prozess teilhaben. Damit in diesem Fall Dozierende und Studierende in jeglicher Weise besser an Hochschulen lehren und lernen können und Wissenschaft und Lehre in Deutschland tatsächlich an Qualität gewinnen. Davon profitiert schließlich jede_r.

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