Von griechischem Abwehrbollwerk keine Spur! Deutschland ballert sich ins Halbfinale

Ohne Punktverlust und mit einer gesunden Portion Selbstbewusstsein ging die deutsche Elf in das Viertelfinale der EURO 2012. Im ,,Heimspiel“ in Danzig, da unmittelbar vor dem eigenen EM-Quartier, empfing Joachim Löws Truppe Griechenland, welches überraschenderweise die Gruppenphase überstanden und den Geheimfavoriten Russland aus dem Turnier befördert hatte. In den bisherigen vier Begegnungen beider Nationen ging Deutschland nie als Verlierer, dafür aber gleich drei Mal als Sieger vom Platz. Ein gutes Omen für die Viertelfinalpartie? Von Fabian Lamster

Gleich vier neue Gesichter in der Startelf
Nach den erfolgreichen Vorrundenspielen hat Bundestrainer Joachim Löw eigentlich keinen Grund, sein Stammpersonal zu wechseln. Trotzdem nimmt er gleich vier Änderungen vor. Nicht nur der gegen Dänemark gelb gesperrte Jérôme Boateng ist einsatzbereit und ersetzt Lars Bender in der Startformation. Außerdem findet sich Miroslav Klose für den bisher erfolgreichsten EM-Torschützen Mario Gomez ebenso in der Startelf wieder wie André Schürrle für Lukas Podolski und Marco Reus für Thomas Müller.

Deutschland von Beginn an drückend überlegen
Nach dem Anstoß der Griechen verwalten sie erst einige Sekunden den Ball, bevor die Deutschen ins Spiel kommen und dann aber gleich richtig loslegen: Bereits in der dritten Spielminute liegt der Ball im griechischen Tor. Doch Schiedsrichter Skomina entscheidet, dass Klose beim letzten Pass knapp im Abseits ist und liegt richtig. Glück für Griechenland!

Auch danach bleibt die deutsche Elf brandgefährlich. Immer wieder finden sich Lücken in dem im Voraus so gerühmten Abwehrbollwerk Griechenlands. So hat Startelfdebütant Marco Reus in der 11. Minute die Chance, sein erstes Länderspieltor zu erzielen, doch der Schuss landet auf der Tribüne. Auch Özil steht in der 23. Spielminute frei vor dem griechischen Keeper, vollendet aber mit einem Schuss, der einem Rückpass ähnelt, kläglich.

Ähnliche Möglichkeiten, um das runde Leder im Kasten der Griechen unterzubringen, haben auch Klose (25. Minute), Reus (26. Minute) und Schürrle (34. Minute). Sie spielen ihre Angriffe jedoch zu überhastet zu Ende.

Kapitän Lahm lässt Knoten platzen
Erst Kapitän Philipp Lahm sorgt für das längst überfällige 1:0. In der 39. Minute nimmt er sich ein Herz, zieht kurz vor dem Strafraum ein Stück nach innen und vollendet erfolgreich, überwindet den in dieser Szene nicht gut aussehenden griechischen Keeper Sifakis.
Wie würden die Griechen darauf reagieren? Zunächst gar nicht. Deutschland bleibt seiner offensiven Linie treu und setzt Griechenland weiter erheblich unter Druck, sodass kurz vor der Halbzeit André Schürrle mit einem Distanzschuss fast das 2:0 erzielt. Danach ist erst einmal Pause, welche die Griechen wohl auch dringend benötigen.

Offensivere Griechen in Halbzeit zwei
Nach zwei Auswechslungen und einer Formationsänderung ist schnell ersichtlich: Griechenland muss und will in der Offensive in der zweiten Halbzeit mehr die Initiative ergreifen. Zunächst allerdings ist Deutschland wieder im Ballbesitz, bevor die Griechen in der 53. Minute erstmals im Spiel einen Konter versuchen. Kurz danach wird aus dem Versuch bitterer ernst, als ein weiterer Konter Griechenlands vollkommen überraschend den Ausgleich bringt, als Samaras eine Salpingidis-Hereingabe von der rechten Seite zum 1:1 verwertet.

Ausgleich Griechenland – Wendepunkt im Spiel?
Deutschland reagiert allerdings wenig geschockt vom Gegentor und wirft stattdessen einfach wieder die Offensivmaschinerie an. Die Folge ist das 2:1 in der 61. Spielminute, als Sami Khedira eine Boateng-Flanke aus etwa 8 Metern sehenswert per Volleyschuss einnetzt. Durch die offensivere Ausrichtung der Griechen bieten sich jetzt noch mehr Räume und Möglichkeiten, sodass sich die Deutschen in einen Rausch spielen können. Erst scheitert Reus (64. Minute), bevor Miroslav Klose in der 68. Spielminute das Spielgerät per Kopf nach einem Özil-Freistoß im griechischen Kasten unterbringt. Es ist sein 64. Länderspieltor. Nur noch vier Tore trennen ihn damit vom deutschen Rekordtorschützen Gerd Müller.

Das Spiel ist nun längst entschieden, der Torhunger der Deutschen jedoch noch lange nicht gestillt. Klose (70. Minute) und Müller (71. Minute) scheitern knapp, bevor sich endlich auch Marco Reus in der Torschützenliste eintragen kann und den Ball nach einem Abpraller aus 10 Metern per Volley in die Maschen jagt.

Deutschland mit Torchancen, Griechenland mit Elfmeter
Die Deutschen lassen den Griechen auch danach keine Luft zum Atmen, stürmen weiter auf das Tor. Der mittlerweile eingewechselte Gomez hat dabei zwei Mal die Chance auf einen Torerfolg, steht aber in der 81. Minute im Abseits und ist vier Minuten später fast zur Stelle, als der griechische Keeper einen Ball abprallen lässt.

Als sich die Griechen in der 88. Minute noch einmal in die Nähe des deutschen Strafraums wagen und eine Torosidis-Flanke Jérôme Boatengs Arm streift, heißt es Elfmeter für Griechenland. Eine harte Entscheidung des Schiedsrichters, die Salpingidis eiskalt zum 4:2 nutzt. Kurz danach ist das Spiel vorbei und Deutschland gewinnt vollkommen und auch in der Höhe verdient gegen nicht annähernd ebenbürtige Griechen.

Nach Offensivspektakel steht die deutsche Elf im Halbfinale
Durch eine äußerst überzeugende Partie steht Deutschland im Halbfinale der EURO 2012 und harmonierte in jeglicher Hinsicht. Vor allem die Offensive zeigte ihre vielleicht beste Leistung im bisherigen Turnier. So hätten sich die Griechen auch über zwei oder mehr Gegentore nicht beschweren dürfen, sodass einzig die Chancenverwertung als kleineres Manko angekreidet werden soll. Die Defensive, von Griechenland seltener gefordert, agierte überwiegend sicher, Khedira und Özil machten ihre vielleicht bisher besten Europameisterschaftsspiele. Auch wussten alle Startelfneulinge zu überzeugen, was eine Prognose für die Startformation im Halbfinale erschwert. Stürmt Gomez wieder für Klose? Kehrt Podolski für Schürrle in die Startelf zurück? Verdrängt Thomas Müller Marco Reus auf der rechten Seite? Auf all diese Fragen wird es spätestens am kommenden Donnerstag gegen 20:45 Uhr eine Antwort geben, wenn Deutschland in Polens Hauptstadt Warschau entweder Italien oder England zum heißen Tanz einlädt. Dass dort andere Qualitäten vonnöten sein werden als gegen Griechenland ist naheliegend. Dennoch sollte nach vier Siegen aus vier Begegnungen auch der letzte Kritiker davon überzeugt sein, dass Deutschland ein heißer Anwärter auf den Coupe Henri Delaunay, also den EM-Titel, ist.

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