Computer, E-Mails, Internet und viel Theater – das diesjährige Potsdamer Improvisationstheater Festival verbindet digitale Medien mit analogen Kunstformen. Vom 14. bis zum 22. November wurde dabei im Studentischen Kulturzentrum Potsdam (KuZe) getreu dem Motto „Impro verlinkt“ mit und durch das Internet Improtheater gespielt. Von Kyra Brandt.
Wir befinden uns im Wissenschaftsjahr 2014, dessen Thema „die digitale Gesellschaft“ ist. Aus diesem Anlass steht das diesjährige Potsdamer Improtheater Festival unter dem großen Thema des World Wide Webs und will damit zeigen, dass die Kunstform des Improvisationstheaters nicht an der technischen Entwicklung vorbei geht, sondern – ganz im Gegenteil – den Link in neue Medien spielend schafft.
Wie auch in den vergangenen drei Jahren wird das nicht-kommerzielle Festival vom KuZe ausgerichtet und dabei unter anderem vom Studentenwerk Potsdam und auch von studentischen Organisationen wie dem Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) unterstützt. Außerdem sind auch dieses Jahr wieder studentische Improgruppen aus verschiedenen deutschen Städten eingeladen, um gemeinsam Theater zu spielen. Potsdam wird dabei durch die Theatergruppe „Uniater“ vertreten.
Das Licht in dem kleinen Theatersaal im KuZe geht aus und es ertönen Computergeräusche, gefolgt von der Ansage „Sie sind drin!“. Sodann erscheint Thomas Jäkel, der künstlerische Leiter des Festivals, auf der Bühne und begrüßt unter lautem Applaus das Publikum. Er eröffnet das Festival mit den Worten „Ich freue mich auf die kommenden Tage!“.
„Spezial-Impropedia“ eröffnete das Festival
Als Eröffnungsshow gibt es dieses Jahr eine Spezial-Impropedia. Die Impropedia ist ein Theater-Format, bei dem improvisiertes Theater inspiriert von einem Gespräch mit einem Experten gespielt wird. Improvisiertes Theater heißt, es werden Szenen aus dem Stegreif gespielt, ohne vorherige Probe und nur auf der Grundlage von Ideen aus dem Publikum. Als Experte gilt bei der Impropedia jeder, der sich mit einer bestimmten Sache oder auf einem bestimmten Gebiet besonders gut auskennt. Zum Beispiel waren schon einmal ein Chinesisch-Experte, ein Flugzeug-Experte oder auch ein Mitarbeiter des Uniradios funkUP als Musikexperte zu verschiedenen Ausgaben der Impropedia eingeladen. Der zur Eröffnungsshow anwesende Experte ist Peer Heinlein, Gründer des Internetproviders JPBerlin und E-Mail-Experte.
Durch das Interview, das Thomas Jäkel mit ihm führt, erfahren wir unter anderem, dass das Internet, so wie wir es kennen, seit ca. 1992 existiert, das Verschicken der ersten E-Mails über Telefonleitungen geschah und in etwa zwei bis sechs Stunden dauerte. Zwischendurch spielt eine dreiköpfige Theatergruppe improvisierte Szenen mit Inspirationen aus dem Gespräch mit dem Experten. So wird ein extra für die Show mitgebrachter Akustikkoppler, ein Gerät zum Verbinden von Telefon und Computer, im Theaterspiel zu einem Schuh, einer Eule, einer Mundharmonika oder auch zu einem Designer-Hut. Außerdem illustrieren die Improspieler_innen sehr geschickt den Kommunikationsvorgang von Computern beim Verschicken von E-Mails. Abschließend verrät Peer Heinlein, dass sein Ideal-Internet das heutige Internet sei, obwohl es ein chaotisch-kreatives Konstrukt sei. Jedoch fügt er hinzu, nichts halte solange wie ein Provisorium.
Mit dem heutigen Internet improvisiert hat auch die Improgruppe „Theater ohne Probe“ (ToP) in ihrer Show „Wikipedia ohne Probe“ am zweiten Tag des Festivals. Zu Gast war dabei ein echter Wikipedia-Mitarbeiter, der die Theatergruppe durch die Seiten der Wikipedia begleitete. Die Schauspieler_innen holten sich ihre Inspirationen von Wikipedia-Artikeln und Suchbegriffen, die auf eine Leinwand auf der Bühne projiziert wurden. So erklärten sie dem Publikum in einer Szene zum Beispiel, warum ungarische Schachblumen auch auf Fußballfeldern wachsen und stellten in einer anderen dar, was es mit dem Schlagwort „Großprofilbaureihe E“ der Berliner U-Bahn auf sich haben könnte. Außerdem wurde mit bereits gelöschten, verbotenen und sogar bisher ungeschrieben Artikeln der Wikipedia Improtheater gespielt.
Highlight war Show „BETA“ von Lee White
Der Höhepunkt des diesjährigen Potsdamer Improfestivals war ohne Frage der aus Kanada angereiste Improspieler Lee White mit seiner eigens für das Festival entwickelten Show „BETA“. Schon im Voraus war die Show ausverkauft und am Dienstagabend standen mehr Stühle als bei den übrigen Shows in dem kleinen Theatersaal des KuZe. Gespannt wartet das Publikum auf die Lüftung des Geheimnisses um diese Show. Nachdem Thomas Jäkel das Publikum begrüßt hat, ruft er Lee White auf die Bühne, der mit tosendem Applaus empfangen wird. Lee White erklärt dann, dass es sich bei der heutigen Show um ein bisher noch nie gewagtes Experiment handelt: Er wird über die gesamte Länge der Show mit einem Freund in Winnipeg, Kanada, per Skype kommunizieren und Improtheater spielen.
Auf einer Leinwand auf der Bühne wird die Skype-Unterhaltung übertragen. So verlinkt sich Lee White, der tatkräftig von einem Pianisten und einer weiteren Improspielerin unterstützt wird, wortwörtlich mit seinem Freund in Kanada und spielt mit ihm durch die Leinwand hindurch improvisiertes Theater. Wir erleben, wie ein ganz normaler Bürger auf der Fahrt zum Shoppingcenter sein Leben mit einer Königin tauscht und sehen die Geschichte einer Schwiegermutter, die uns zeigt, dass eine Familie mehr wert ist als Kerzenständer.
Getreu dem Motto „Impro verlinkt“ wurde beim diesjährigen Potsdamer Improtheater Festival die Bandbreite technischer und digitaler Möglichkeiten ausgeschöpft und mit, über und durch das Internet Improtheater gespielt. Wir haben viel dabei gelernt, herzlich gelacht und sind jetzt schon gespannt auf das nächste Improtheater Festival im kommenden Jahr.
Aktuelle Veranstaltungshinweise vom Studentischen Kulturzentrum gibt es unter kuze-potsdam.de.