Warum die Erde ein bisschen Recht hat, höhnische Scherze mit uns zu treiben. Von fremden Mächten und dem Witz der Welt und was wir davon lernen können. Von Lisa Spöri.
Sich inmitten einer Menge befinden und fest, ganz fest, etwas wünschen. All seine Konzentration sammeln und dann trifft es jemand anderen. Ich meine, in einem überfüllten Hörsaal sitzen und hoffen, dass man vor Antritt der Klausur ohnmächtig wird, um noch ein letztes Mal glimpflich davon zu kommen, und nach fünf Minuten fällt der Banknachbar vom Stuhl. So etwas passiert mir andauernd. Entsetzen, Schrecken, Aufruhr: Alles springt um ihn herum. Mit einem Seufzen hebe ich lustlos seine Füße hoch, während die anderen Wasser holen oder sich neben den Bewusstlosen knien. Fein, sollte ich Urheberin des ganzen Schlamassels sein, dann tut es mir leid. Ich hatte nicht vor, im Stillen Unheil über meine Kommiliton_innen zu bringen.
Aber nicht nur indem der Mensch seinesgleichen hin und wieder außer Gefecht setzt, stiftet er Chaos. Ich bin ein Widerstand in dieser Welt. Und auch wenn ich nichts tue, richte ich Schaden an. Ich lebe, atme, schwitze, verbrauche und verpeste diese Luft, hinterlasse meine CO2-Abdrücke, so wie jede_r andere auch. Tagtäglich. Der Mensch, verwüstet und zerstört diesen Planeten. Er hat ihn in jeglicher Hinsicht überkultiviert. Und warum? Bloß weil er am längeren Hebel sitzt.
Es geht also um Macht
Überall buttern wir Mutter Erde unter, greifen in natürliche Abläufe ein. Kein Wunder, dass unser Planet sich da erzürnt. Ja, die Erderwärmung als Quittung für unseren respektlosen Umgang mit ihr, ist inzwischen spürbar. Aber manchmal zahlt die Welt es uns auch auf viel subtilerem Wege heim, was wir so mit ihr veranstalten. Dann passieren Dinge wie in obigem Beispiel. Sie greift in unsere Pläne ein und lacht sich dabei ins Fäustchen. Die Welt, sie besitzt ihre ganz eigene Dynamik.
Und das ist ihr Sarkasmus. Den holt sie raus, wann immer wir nicht damit rechnen, so, als wolle sie uns daran erinnern, dass wir eben doch nicht allmächtig sind. Ich meine Situationen, die einen glauben lassen, dahinter stecke ein besonders gewitzter Regisseur, mit einer skrupellosen Phantasie und einer ordentlichen Portion schwarzen Humors. Solche, die einen mit dem Gedanken zurücklassen: Echt jetzt? Das ist doch nicht wirklich gerade passiert, oder? Ich finde mich ständig in diesen Szenarien wieder und kann nicht behaupten, dass sie mich nicht hin und wieder auch ziemlich amüsieren würden. Manchmal bin ich sogar schwer beeindruckt darüber, was sich die Welt so ausdenkt.
Witzig, wahnsinnig witzig, Welt!
Aber es ist nicht nur das dringlich auf etwas hoffen und dann widerfährt es jemand anderem. Oder Phänomene wie, jedes Mal wenn X das Haus verlässt, fängt es an zu regnen (tatsächlich jedes Mal). Die Welt scheint uns nicht ohne Grund zu belächeln, wenn wir im Regen stehen.
Die Rede ist auch von Situationen wie, die Hosentaschen nach Kleingeld für den Obdachlosen durchsuchen, während dieser wie ein Häufchen Elend wartend vor einem steht und feststellen, dass man nichts außer dem Zwanziger in der Geldbörse besitzt. Was bleibt dann anderes übrig, als so zu tun, als wäre es beabsichtigt und ihm schweren Herzens den Schein in die Hand drücken? Fragen, ob er wechseln kann? Ist nicht so, als könnte ich den nicht selbst gut gebrauchen… Mit einer bescheidenen Handbewegung wimmle ich seine Danksagungen ab und sehe zu, dass ich davon komme. Zwischen all den unverdienten ehrfürchtigen Blicken der Umstehenden grinst mir die Welt mit ihrem höhnischen Lächeln zu. Und ich denke an den Regisseur, der nicht existiert und diese Szenen schreibt.
Tatsächlich aber bewirkt die Welt etwas damit. Ich muss über mich selbst lachen und denke daran, wie geizig ich manchmal bin. Es ist ihr gutes Recht, uns Kontrollfreaks hin und wieder mit solchen Lappalien vor den Kopf zu stoßen. Manchmal rüttelt sie uns damit wach.
Vielleicht sollten wir uns an ihrer Skurrilität ab und zu ein Beispiel nehmen. An der Ampel einfach den Motor abstellen zum Beispiel. Warnblinker an und an Ort und Stelle das Auto verlassen, als sei es das normalste der Welt, auf der linken Spur zu parken. Das Hupen und die Beschimpfungen ignorieren und ohne die Miene zu verziehen davonschlendern. Hin und wieder tue ich das, als Antwort auf den Sarkasmus der Welt. Das lockert die Stimmung und führt uns unsere Absonderlichkeiten vor Augen. Und ich bilde mir ein, die Welt, sie schmunzelt zurück.
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