„Jetzt ’nen Kaffee!“: Muss man in der Mensa ein schlechtes Gewissen haben?

Die Studierenden in Potsdam trinken jeden Tag eine ungeheure Menge Kaffee weg: Ein Knopfdruck und schon ist die Arbeit getan. Doch wo kommt der Kaffee her und wie viel wird letztendlich an der Uni Potsdam konsumiert? Von Tim Jeske.

Fast jeder trinkt ihn – ob am Morgen zum Wachwerden, am Bahnhof, während man sich über die ausgefallene Regionalbahn ärgert oder einfach zwischendurch. Der Kaffee ist in all seinen Variationen ein gewohnter Bestandteil des Alltags und der Retter eines jeden Morgenmuffels.

Fair gehandelter Bio-Kaffee an der Uni kostet einen knappen Euro

Dass Student_innen viel Kaffee trinken, ist allgemein bekannt: Das frühe Aufstehen, das Lernen in der Prüfungszeit und der Nebenjob gehen oft auf Kosten des Schlafs. Der eine oder andere Kaffee kommt der/dem Verschlafenen zur Bekämpfung der Müdigkeit oder manch einer/einem auch aus rein geschmacklichen Gründen gerade und immer Recht.

Für rund einen Euro können die Potsdamer Student_innen an allen drei Universitäts-Standorten Kaffee in verschiedenen Variationen erhalten. Das ist für das heiße Getränk außerhalb der eigenen vier Wände zwar günstig, aber eben nicht außerordentlich. Dafür gibt es vor allem zwei Gründe: „Fairer Handel“ und „Bio“. Der Kaffee, mit dem die Universität Potsdam vom Studentenwerk Potsdam beliefert wird, stammt ausschließlich von der Firma Westhoff. Sie baut ihren Bio-Kaffee mit dem Fairtrade-Siegel in Zentral- und Mittelamerika unter besonders strengen Sozial- und Ökostandards an. Mit Guatemala und Honduras liegen zwei der zehn größten Anbauländer für Kaffee im Handelsgebiet von Westhoff.

Prekäre Umstände für Plantagen-Besitzer_innen und Arbeiter_innen

Ähnlich wie bei den häufig kommunizierten prekären Umständen in der Textilindustrie wird im Kontext von Kaffee- und Kakaoanbau häufig von „moderner Sklaverei“ gesprochen, unter anderem weil Zwangs- und Kinderarbeit das Gesicht der Plantagen prägen. Durch den geringen Anteil, den die Plantagen-Besitzer_innen vom letztendlichen Kaffeepreis bekommen, bieten manche ihren Arbeiter_innen nicht einmal einen echten Lohn. Nur das schiere Überleben wird mittels Nahrung und Trinken gewährleistet.

Laut „Die Zeit“ gehen nur 13,6 Prozent des Kaffeepreises an Plantagen-Besitzer_innen und deren Arbeiter_innen. Für Steuern, Zölle und Frachtkosten zahlen die Endverbraucher_innen mehr als das Dreifache. Verglichen mit dem Arbeitsaufwand der Kleinbäuerinnen und -bauern und der Arbeiter_innen hinsichtlich des Anbaus, Reifeprozesses und der Ernte, ist das eine enorm geringe Entlohnung und hat häufig ein Leben am Rande des Existenzminimums zur Folge.

Ein weiteres Problem hinsichtlich der Anteile am Gesamtpreis entsteht in Bezug auf die sogenannten Zwischen-Händler_innen: Aufgrund der Abhängigkeit von einem Einkommen zur eigenen Existenzsicherung und der ausbleibenden Möglichkeit, den Kaffee selbst abzusetzen, sind Kleinbauern und Kleinbäuerinnen oft gezwungen, ihre Ware zu niedrigen Preisen an Mittelsleute zu veräußern.

Der faire Handel

Bei dieser Problematik setzt das Prinzip des freien Handels an: Produkte mit dem Fairtrade-Siegel versprechen das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit, feste Mindestpreise für Plantagen-Arbeiter_innen und Kleinbäuerinnen und -bauern sowie das Wegfallen der Zwischenhändler_innen.

Feste Mindestpreise für Plantagen-Arbeiter_innen und -Besitzer_innen sind insofern bedeutsam, als dass deren Einkommen starken Schwankungen unterliegen, welche u.a. durch Politik, Ernteerträge und Klima bedingt sind. So haben beispielsweise politische Restriktionen oder ausbleibende Ernten direkten Einfluss auf ihre Lebensqualität.

Deshalb wirbt Fairtrade Deutschland e.V. mit dem Versprechen: „Bei Produkten mit dem Fairtrade-Siegel haben Sie die Gewissheit, dass die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Bauern/Bäuerinnen und Beschäftigten durch Fairtrade-Preise und -Prämie verbessert werden.“

Allerdings gibt es kaum Belege für die Effektivität des Programms. So haben Forscher_innen der Universitäten Berkeley und San Diego ermittelt, dass kaum nachhaltige und langfristig positive Auswirkungen zu verzeichnen seien. Fakt ist jedoch, dass die Löhne der Arbeiter_innen vergleichsweise höher sind und ihre Arbeitsbedingungen im Gegensatz zum freien Markt zumindest überhaupt kontrolliert werden.

Konsumverhalten an der Uni: Pappe oder Tasse?

Den langen Weg aus Mittelamerika, den die Kaffeebohnen hinter sich gelassen haben, bevor sie in den Kaffeemaschinen der Universität landen, können die konsumierenden Studierenden nicht mehr beeinflussen, wenn sie den Knopf der Maschine betätigen. Sie können jedoch darüber entscheiden, ob sie das Getränk in einer Tasse oder lieber in einem Pappbecher genießen. Laut der Pressesprecherin des Studentenwerks Potsdam werden im Monat knapp 50.000 Heißgetränke verkauft, von denen etwa die Hälfte in einem Pappbecher über die Theke geht. Bei ungefähr 90 Prozent der Heißgetränke handle es sich um Kaffee.

Um die Frage „Tasse oder Becher?“ zu beantworten, muss man sich vergegenwärtigen, was der Gebrauch der beiden Utensilien zur Folge hat. Die Tasse muss nach dem Gebrauch gespült werden, wohingegen der Becher in den Müll wandert. Beide Prozesse haben einen Energieverbrauch zur Folge. So fällt beim Spülen Abwasser an und Strom wird verbraucht. Der Becher hingegen wird verbrannt. Weil die Tasse beliebig häufig wiederverwendet werden kann und nicht immer wieder neue Rohstoffe, wie das Holz oder Altpapier für den Becher, zur Produktion benötigt werden, sollte bei einem geplanten Aufenthalt in der Mensa bzw. Cafeteria zur gutem alten Tasse gegriffen werden. Wer seinen Kaffee tatsächlich unterwegs schlürfen möchte, kann sich entweder eine kleine Thermotasse von zu Hause mitbringen oder aber ruhig zum Pappbecher greifen.

Wenn es also zukünftig wieder heißt: „Jetzt ’nen Kaffee!“, könnten die wärmenden Schlucke umso mehr gewürdigt werden. Vielleicht wird dann auch der eine oder andere Gedanke an die lange und arbeitsintensive Reise der Bohnen und über das eigene Konsumverhalten zugelassen.

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