Erstmalig kann man in diesem Wintersemester an der Uni Potsdam Volkswirtschaftslehre im Ein-Fach-Bachelor studieren, und das ohne NC-Beschränkung. Entsprechend hoch ist der Andrang, sodass die Sitzplätze in so manchem Vorlesungssaal knapp werden. Doch welche weiteren Konsequenzen ergeben sich dadurch für Studis, Lehrende und Uni-Alltag? Von Anika Lange und Mia Teschner.
Donnerstagvormittag, 10:15 Uhr, Vorlesung zur Einführung in die Volkswirtschaftslehre (VWL). Betritt man kurz nach 10 Uhr den Vorlesungssaal, könnte man sich schon fragen, ob es hier gleich etwas umsonst gibt. Die Plätze sind nämlich so gut wie alle schon belegt und will man sich nicht alleine irgendwo zu einem noch leeren Platz drängeln, bleibt einem nur noch die Möglichkeit auf den Vorlesungssaal H01 auszuweichen, in dem es eine Liveübertragung der Vorlesung gibt. Kaum einer der Studierenden hat sich wohl so etwas vorgestellt, wenn über die Wahl der Universität Potsdam nachgedacht wurde. Für viele war die Größe der Universität ein wichtiger Grund bei der Auswahl der zukünftigen Lehrstätte und durch ihre Überschaubarkeit sehr attraktiv.
Zu wenig Personal ist nicht das Problem
Der fehlende NC in dem neu eingerichteten Ein-Fach-Bachelor Volkswirtschaftslehre an der Uni Potsdam hat in diesem Wintersemester viele Studierende angezogen. Statt der geplanten 100 bis 125 Studis im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich sind es jetzt mehr als 400, verteilt auf die drei Studiengänge Politik und Wirtschaft, den Zwei-Fach-Bachelor VWL und den Ein-Fach-Bachelor VWL. Doch die Professor_innen sind überzeugt, dass es weder Einschränkungen in der Vorlesungs- und Übungsqualität noch in der Ausführung der Sprechstunden geben werde.
Professor Malcolm Dunn (lehrt VWL im ersten Semester) merkt an, dass er sich genauso viel Zeit zur Beantwortung von Fragen in seiner Sprechstunde nehme, wie er es vorher getan habe. Auch Professorin Lisa Bruttel (lehrt Mikroökonomik 1 im ersten Semester) ist sich sicher, dass es keinen Qualitätsverlust bei der Versorgung der Studierenden gebe. Im Gegenteil: In Mikroökonomik 1 habe sich die Intensität der Übungen sogar verbessert. Während im letzten Wintersemester nur insgesamt zwei Übungen angeboten wurden, gibt es jetzt für etwa dreimal so viele Studierende gleich acht Übungstermine, die wahrgenommen werden können.
Das Problem in den Übungen sei nicht, dass zu wenig personelle Kapazitäten zur Verfügung stehen, sondern eher die ungünstige Verteilung der Studierenden auf die einzelnen Übungstermine. So finden sich in einigen Übungsterminen bis zu 200 Studierende, während gerade die Übungen in den frühen Morgen- und späteren Nachmittagsstunden mit teilweise unter zehn Studis eher spärlich besucht seien.
„Wir empfehlen den Studierenden, die derzeit in einer der volleren Übungen sitzen, sich doch noch einmal zu überlegen, ob sie nicht auf einen der anderen Übungstermine ausweichen können“, sagte Professor Dunn vergangenen Donnerstag in seiner Vorlesung: „Für uns macht es wenig Sinn, eine Übung mit zehn Studierenden einzurichten. Und auch für die Übungsqualität ist es deutlich sinnvoller, wenn sich die Studierenden mehr auf die einzelnen Termine verteilen.“ Weitere personelle Umstrukturierungen seien laut den Professor_innen für die kommenden Jahre nicht geplant. „Gegenwärtig versuchen wir, durch die zusätzlichen Tutoren und andere Lehrkräfte sicherzustellen, dass die Übungsqualität erhalten bleibt. Darüber müssen sie sich keine Sorgen machen“, so Dunn.
Zusätzliche Räume bereitgestellt
Und doch stellt sich die Frage, welche weitreichenden Konsequenzen das „VWL-Problem“ mit sich bringen wird. Natürlich bedeutet eine höhere Anzahl an Studierenden auch mehr Personen, die am Ende des Semesters eine Prüfung in den jeweiligen Modulen ablegen müssen und jetzige Erstsemestler_innen sind künftige Absolvent_innen, die ihre Abschlussarbeit schreiben werden. Normalerweise sind die Prüfungen an der Universität so eingerichtet, dass zwischen den Studierenden jeweils ein Platz frei ist. Doch wie ist das in einem Hörsaal möglich, der jetzt schon an den Rand seiner Kapazitäten stößt?
Frau Garz vom Prüfungswesen der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät erklärt, dass auf Grund der hohen Anzahl an Studierenden für die Prüfungen zusätzliche Räume bereitgestellt werden. So wird die Prüfung in „Einführung in die VWL“ gleich in vier Räumen mit insgesamt 1.400 Sitzplätzen stattfinden. Zudem stünde es den Lehrstuhlmitarbeiter_innen frei, auch Umstrukturierungen inhaltlicher Art vorzunehmen. Dies scheint jedoch derzeit für die Professor_innen erst einmal keine Option zu sein. „In meinem Fall ändert sich an dem Typ der Klausuren überhaupt nichts“, sagt Professor Dunn und auch Professorin Bruttel sieht derzeit keine konkreten Gründe für eine Änderung ihrer Klausur in Mikroökonomik 1.
Wie viele Studierende, die dieses Jahr ihr VWL-Studium begonnen haben, in drei Jahren tatsächlich eine Bachelorarbeit in diesem Bereich schreiben, ist derzeit nicht absehbar. Viele der Studis haben die Möglichkeit, ihre Abschlussarbeit auch im Zweitfach zu schreiben, wie etwa die Studierenden des Studiengangs Politik und Wirtschaft, die ihre Arbeit entweder in Politik oder Wirtschaft schreiben können.
Sehr wahrscheinlich ist, dass schon im kommenden Wintersemester der Ein-Fach-Bachelor VWL mit einem NC beschränkt sein wird, damit in Zukunft die Studierendenzahlen besser zu kalkulieren sind. Was seine Vorlesung zur „Einführung in die VWL“ betrifft, ist Professor Dunn zuversichtlich: „Erwartungsgemäß nehmen die Teilnehmerzahlen der Vorlesung im Laufe des Semesters deutlich ab. Schon jetzt gibt es im ersten Hörsaal oft so viele freie Plätze, dass wir wohl bald auf eine Übertragung in einen zweiten Hörsaal verzichten können“.