Ab Beginn des nächsten Semesters will die staatliche Goldsmith Universität in London, als eine von vielen Maßnahmen, um CO2-neutral zu werden, kein Rindfleisch mehr in ihren Mensen und Cafés verkaufen. Was würde das bewirken und geht das auch bei uns? Von Florian Franke.
Die Vor- und Nachteile
Weniger (Rind)Fleisch ist besser für uns. Für unsere Gesundheit, unseren Lebensraum und ganz nüchtern auch für unseren Geldbeutel. Und natürlich für das Tierwohl, da leider in den Mensen Rindfleisch aus konventioneller Haltung verarbeitet wird.
Ein Kilogramm konventionelles frisches Rindfleisch erzeugt 13,3 kg CO2 in der „Herstellung“. Ein Kilogramm Geflügelfleisch hingegen nur 3,5 kg CO2 und ein Kilogramm Schweinefleisch ebenfalls nur 3,2 kg CO2. Die „Herstellung“ von Rindfleisch ist damit wesentlich klimaschädlicher als es bei anderem Fleisch der Fall ist, ganz zu schweigen von Gemüse. Bei dessen Anbau werden nur 135 g CO2 je Kilogramm ausgestoßen. (1) Der Gesamtverbrauch aller Mensen der Uni Potsdam im Zeitraum April bis Juni 2019 (also in etwa das Sommersemester) betrug 2900 kg Rindfleisch. Das entspricht einem CO2-Ausstoß von 38,6 Tonnen.
Zum Vergleich: Jede_r Deutsche kommt im Durchschnitt auf 11 Tonnen CO2-Ausstoß im Jahr. Das ist mehr als zu viel, so setzt sich das Bundesumweltamt als Ziel diese 11 Tonnen auf unter eine Tonne zu reduzieren. (2) Ein weiterer Maßstab ist der CO2-Ausstoß der Universität insgesamt: Dieser betrug für das Jahr 2018 17238 Tonnen. (3)
Wie man sehen kann, wäre eine Ersparnis schon vorhanden, aber nicht riesig, entspricht sie doch gerade mal dem Jahresverbrauch von dreieinhalb Deutschen. Kleinvieh macht trotzdem Mist und die Maßnahme wäre nichtsdestotrotz ein großer symbolischer Akt, der vielleicht viele Studierende zum Nachdenken über ihre Ernährungsgewohnheiten anregen würde.
Das wären also die Vorteile.
„Nachteilig“ wäre, dass Rindfleisch so ein kleines bisschen mehr zu dem Luxusprodukt wird, das es eigentlich sein sollte. Mit Luxus meine ich eigentlich keinen echten Luxus, der nur einmal im Monat oder Jahr stattfindet, sondern eine Reduktion hin zu einmal die Woche bis zu nur alle 2 Wochen. Jedem_r Studierenden wäre es dann selbst überlassen, ob er_sie sich sein_ihr eigenes Rindfleisch kauft und zubereitet. Das würde vermutlich dazu führen, dass insgesamt weniger Rindfleisch konsumiert wird.
Allerdings müsste der gesamte Fleischkonsum nicht unbedingt zurückgehen, da einfach auf andere Fleischsorten ausgewichen wird. Außerdem hätten die muslimischen und jüdischen Studierenden einen größeren Nachteil, da ihnen nur Geflügelfleisch bliebe, wenn sie in der Mensa Fleisch essen wollen.
Was wird schon getan?
An sich ist Essen Thema des Studentenwerkes. Was das Studentenwerk Potsdam bereits tut, um Ressourcenverbrauch und CO2-Ausstoß zu verhindern, kann man gut in deren Geschäftsbericht nachlesen. So ist der Rahmenspeiseplan der Mensen bereits auf die Verwendung saisonaler Produkte abgestimmt, das spart CO2 durch weniger Transport und weniger Gewächshaus, der Fisch kommt aus nachhaltiger Fischerei oder kontrollierter Aufzucht.
Das Studentenwerk Potsdam ist ansonsten auch sehr vorbildlich in Sachen Nachhaltigkeit, Ressourcen- und CO2-Einsparung: Es wird versucht, dem Einwegbecher etwas entgegenzuhalten, Plastikeinwegbesteck und –rührstäbchen werden nur auf Nachfrage ausgegeben, es wurden Verpackungen reduziert bzw. durch ökologischere Varianten ersetzt, nur Bio-Kaffee mit Fair-Trade Siegel verkauft, Kaffeesatz für jedermann zur Mitnahme und Verwendung als biologischer Dünger in Eimer abgefüllt und es existiert eine Stelle, die sich gezielt mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzt. Außerdem gibt es mit dem Mensaausschuss für Studierende, die dem Studierendenparlament oder dem AStA angehören, einen Zugang, um den Essensplan mitzugestalten. Und tatsächlich wurde die Mensa am Neuen Palais bereits für ihr großes veganes und vegetarisches Angebot von PETA ausgezeichnet.
Auch die Universität kümmert sich, obwohl wie gesagt die Entscheidungsmacht am Ende beim Studentenwerk liegt. Momentan arbeitet die Umweltkommission der Universität an einem Klimaschutzkonzept, dass bis 31.10.2019 vorliegen soll. In einem Maßnahmenworkshop wurden von interessierten Studierenden konkrete Maßnahmen erdacht und in ein Ranking gebracht:
Wie man sehen kann, wurde sich im Workshop intensiv mit dem Thema Fleisch beschäftigt. Weil es sich nur um die unverbindlichen Ergebnisse einer Diskussion handelt, fehlen hier Begründungen für die Ablehnung bzw. die gute Bewertung der Vorschläge. Die ausgewählten Vorschläge wurden anschließend an die Leitung des Studentenwerkes weitergereicht, welche schließlich für sich entscheiden wird, ob und welche Maßnahmen übernommen werden.
Wirklich vorbildlich an der Erarbeitung des Klimaschutzkonzeptes ist übrigens, dass jede_r jederzeit Vorschläge online einreichen kann.
Unter den Studierenden setzte sich besonders das Studium Oecologicum Potsdam, eine Hochschulgruppe, die sich für mehr Nachhaltigkeit am Campus engagiert, schon mehrmals für weniger (Rind)Fleisch ein. Das Studentenwerk zeigte aber bisher wenig Zustimmung, da es diese Maßnahme als wirtschaftlich nicht tragbar ansieht (dazu gleich mehr). Das Studium Oecologicum hält dieses Argument allerdings nicht für ausreichend begründet.
Wäre es theoretisch möglich Rindfleisch aus dem Angebot zu nehmen?
Das Studentenwerk Potsdam hat an sich die freie Kontrolle über die Speiseplangestaltung. Es muss sich trotzdem an einer mit dem Land Brandenburg getroffenen Zielvereinbarung ausrichten. Darin wird auch die Vielfältigkeit des Essens bzw. die Rücksichtnahme auf unterschiedliche Ernährungsweisen definiert. Hier sähe sich das Studentenwerk durch seine Verpflichtung, auf die unterschiedlichen Ernährungsweisen Rücksicht zu nehmen, beschränkt und nicht in der Lage Rindfleisch komplett aus dem Programm zu nehmen. Des Weiteren wird befürchtet, dass eine solche Maßnahme wirtschaftlich nicht tragbar wäre, da die Angst besteht, dass die Mensabesuche und damit die Umsätze zurückgehen würden.
Die Richtlinie zu verändern, dürfte eher sehr schwer sein. Die Sorge um die Wirtschaftlichkeit ist verständlich, basiert aber meiner Meinung nach nur auf einer Abschätzung. Momentan kann man an der Anzahl der verkauften vegetarischen oder fleischhaltigen Essen nur sehen, welcher Teil des bisherigen Angebotes wie gut angenommen wird, aber nicht, ob zum Beispiel die Fleischessenden bereit wären, mehr Geld für Bio-Fleisch auszugeben. Würde man aber ebenjene Mensabesucher_innen, also uns, direkt befragen, wie und was wir in Zukunft essen wollen, dann hätte man schon mal Zahlen, die diese Sorge abbauen und auf denen man vielleicht etwas Neues aufbauen könnte.
Meiner Meinung nach wäre es für uns das Sinnvollste, das gesamte Fleischangebot auf Bio umzustellen (im Durchschnitt zwei Kilogramm weniger CO2 als konventionelles Rindfleisch, nicht zu vergessen die humanere Tierhaltung), generell weniger Fleisch anzubieten und einen fleischlosen Tag in jeder Woche festzulegen, natürlich gleichzeitig kombiniert mit einem vielfältigem vegetarischen/veganen Angebot. Zudem wäre die Einführung einer CO2-Ampel gut, damit jede_r ein Gefühl für umweltgerechtes Essen entwickeln kann, ohne sich davor umfangreich belesen zu haben.
Auf diese Weise könnte das Studentenwerk seinen Richtlinien getreu handeln und seinen Handlungsspielraum super nutzen, ohne gänzlich auf Rindfleisch zu verzichten. Bio-Fleisch könnte durch die Zuschüsse vom Land durchaus erschwinglich sein und so den Studierenden ermöglichen weiterhin günstiges, aber trotzdem gutes Fleisch zu essen. Die Preise für die Fleischgerichte würden zwar wahrscheinlich steigen, allerdings stellt sich dabei wieder die Frage, was an der Idee des „Luxusproduktes“ Fleisch schlecht ist.
Quellen:
3: www.uni-potsdam.de/fileadmin01/projects/umweltportal/pdf/UP_KSK_Energie-_und_CO2-Bilanz.pdf