In unserer Reihe „Hinter den Kulissen“ bekommen wir Sachen zu sehen, die sonst dem Studi-Auge verborgen bleiben. Diesmal waren wir in der Mensa am Neuen Palais und haben uns vom Mensaleiter Frank Ehrlich und seinen Kolleg_Innen ihren Arbeitsalltag zeigen lassen. Von Philipp Schwartz und Vinzenz Lange.
„Guckt mal!“. Frank Ehrlich deutet mit seinem Kopf durch das Fenster in der Tür. Der Blick fällt auf das Salatbuffet, an dem gerade eine Kommilitonin ihr Essen II mit einer großen Menge an Salatblättern, Nudeln, kleinen Gurkenscheiben und großzügigen Mengen an Saucen „ergänzt“. Eigentlich müsste sie sich für die Zugaben vom Salatbuffet einen separaten Teller nehmen. Frank Ehrlich sieht es gelassen. „Soll ich da jetzt groß rumdiskutieren? Nö. Ich bin nicht die Polizei, das wird alles an der Kasse geregelt.“ Dann lacht er. „Im Türmebauen seid ihr manchmal echte Meister.“
Frank Ehrlich hat eine stabile Statur, viel Farbe im Gesicht und gestikuliert gerne, wenn er erzählt. Seit 1986 ist er Mensachef und glücklich darüber. Wir sehen es ihm an. Entspannt führt er uns durch die Küche im Erdgeschoss. Die Sonne steht hoch am Himmel und wirft durch die Fenster ihr helles Licht, das sich in den zahlreichen Metallgegenständen spiegelt. Es klirren Töpfe, Teller, Tassen, Gläser und Besteck. In den riesigen Brätern brutzeln MSC-zertifizierte Fischfilets, Gnocchis, Nudeln und Champignons, es riecht nach heißem Öl und Soße. Eine Mitarbeiterin führt einen lauten Pürierstab, so groß wie ein Staubsauger, durch einen riesigen Behälter voll dampfender Suppe. Auf einer Waage liegen mehrere Schweinebraten, ein Mitarbeiter schmiert unzählige Baguettes, seine Kollegin gießt gekochte Nudeln durch ein gewaltiges Sieb und ist für einen kurzen Moment in dichten Dampfschwaden verschwunden.
Vegetarisch und vegan im Trend
Im Durchschnitt kochen 16 Mitarbeiter_innen hier 1200 bis 1300 warme Essen am Tag. Hinzu kommen 100 Kindergerichte für die betriebseigene KITA in der Kaiser-Friedrich-Straße und einige Tagesmütter. 5000 Portionen werden in der Woche geliefert. Bis auf Obstkonserven und Tomatenmark werden keine Konserven verarbeitet. Hat sich der Mensabetrieb im Vergleich zu früher stark verändert? Herr Ehrlich bejaht das lautstark und wirft dabei seinen Kopf in den Nacken. Früher war es normal, tiefgekühlte Schnitzel zu frittieren.
Heute wird frischer Schweinerücken bestellt, dann portioniert, plattiert und paniert. Aber vor allem der Bedarf an vegetarischen und veganen Gerichten wächst kontinuierlich. Diese sind wesentlich aufwendiger in der Produktion, nichts ist tiefgekühlt, höchstens küchenfertig geschnitten und verpackt, nichts wird länger als zwei bis drei Tage gelagert. Künstliche Zusatzstoffe sind verpönt, ebenso fetthaltige Kost. Vor neun Monaten flog die Fritteuse raus. Statt Pommes oder Kroketten gibt es Nudeln oder gratinierte Kartoffeln. Gelegentlich gibt es Wedges, im Konvektomaten gegart. Frank Ehrlich zeigt uns die riesige Maschine. Sie sieht einem Backofen sehr ähnlich, reicht über unsere Köpfe und ist so teuer wie ein Mittelklassewagen. In ihr können Speisen aufgewärmt, gedämpft oder regeneriert werden. Dann gehen wir zur überdimensional großen Spülmaschine. Der Mensaleiter macht im Vorbeigehen Witzeleien über seine Kollegen_innen – alles im Spaß natürlich.
„Nachproduzieren ist kein Thema“
Wie genau kann die Anzahl an Essensportionen überhaupt geplant werden? Durch Erfahrung geht das mittlerweile ganz gut. Die Anzahl der verkauften Essensportionen bleibt konstant. „Und:“, Herr Ehrlich hebt seinen Zeigefinger, „es wird nicht vor, sondern nachproduziert.“ In der Küche liegt immer eine kleine Reserve vor. Geht zum Beispiel das Schweineschnitzel aus, gibt es in der Küche immer noch ein paar Schweinerücken, die schnell portioniert und gebraten werden können. „Durch die schnelle Technik in der Küche ist das Nachproduzieren kein Thema.“ Am Ende des Tages bleibt generell wenig übrig. Und wie entsteht ein überhaupt ein Speiseplan? Abteilungsleitung und die Mensaleitung erstellen für einen Zeitraum von sechs Wochen einen Rahmenspeiseplan. „Dabei orientieren wir uns an der Jahreszeit und bieten saisonale Produkte, wie zum Beispiel Spargel, an.“
„Vorsicht!“ Wir stehen im Weg und gehen schnell zur Seite. An uns rollt ein Wagen vorbei, voll mit Tabletts, auf denen geschmierte Baguettes liegen. Es folgt ein weiterer, darin Behälter mit Salat, Gemüse, Pudding, Quark und unterschiedlichen Soßen. Sie werden mit dem Fahrstuhl nach oben befördert. Wir nehmen die Treppe. Mittlerweile hat sich die Mensa leicht gefüllt. Wir gehen am Fließband der Geschirrrückgabe vorbei. Frank Ehrlich bleibt davor stehen und schüttelt den Kopf. „Hier herrscht oft Chaos, weil die Leute einfach nicht nachdenken. Hauptsache schnell, schnell.“ Oft werden Tabletts und Teller aufeinander oder falsch angeordnet auf das Band gelegt. Durch die Kurve im Laufband schieben sie sich ineinander, verhaken und fallen krachend auf den Boden. Während wir das erzählt bekommen, legen Kommiliton_innen zögernd ihre Tabletts auf das Band und blicken uns dabei misstrauisch an. Einige warten artig mit der Geschirrrückgabe, weil das Band gerade voll ist. Frank Ehrlich lacht. „Jetzt machen sie es richtig, weil wir gucken.“ Die Zahl der vergessenen persönlichen Gegenstände ist gering – Das überrascht uns. „Manchmal liegen Liebesbriefe drauf.“ Liebesbriefe? „Sowas wie: Vielen Dank, Essen war lecker!“
Eigenes Alu-Besteck
Oben angekommen können wir dem Chef beim Organisieren zuschauen. In der oberen Mensa befinden sich gerade 130 Personen und hören einem Vortrag zu. Gleich ist Essensausgabe. Frank Ehrlich blickt sich um, holt tief Luft und verzieht das Gesicht. Etwas passt ihm nicht. Dann werden auf sein Betreiben hin Teller ausgetauscht und Tische umgestellt. Dann öffnen sich die Türen und zahlreiche schick gekleidete Personen mit Namensschildern kommen heraus. Manche gucken ein wenig hilflos, folgen aber indirekt der Bewegung der Masse. Es formiert sich eine Schlange. Frank Ehrlich ist wieder nicht ganz zufrieden. „Das mit dem Geschirr gefällt mir überhaupt nicht.“ „Wenn du das Geschirr am Anfang hinstellst, nehmen sich die Leute immer alles, weil sie nicht wissen, was sie brauchen.“ Er zeigt auf eine Frau mit einem leeren Teller in der einen und allen Besteckteilen in der anderen Hand. Er verschwindet kurz, dann kommt er wieder. „Besser!“
Wir gehen zurück zum Büro, kommen ein wenig ins Plaudern und erfahren etwas über die Geschichte der Mensa und über eine Zeit, in der Studenten ihr eigenes Alu-Besteck zum Essen mitbringen mussten und in der Apfel-Erntezeit zum Pflücken verpflichtet wurden. Aber wir erfahren auch etwas über den Mensaleiter. Gelernt hatte Frank Ehrlich im Klosterkeller in Potsdam, ein Restaurant in der Friedrich-Ebert-Straße. Viele seiner beruflichen Wegbegleiter_innen kochen heute in Seniorenheimen. Das wäre nichts für ihn. „Ihr haltet mich jung. Das ist eine ganz tolle Sache. Ihr jagt uns ganz schön durch die Gegend. Ihr kommt mit neuen Trends an und da wir offen für solche Sachen sind, haltet ihr uns auch in Gedanken jung.“ Das klingt fast wie ein Liebesbrief.
Noch mehr Bilder von unserem Ausflug hinter die Kulissen der Mensa findest du auf unserer facebook-Seite unter facebook.com/speakup.pdm