In den letzten Monaten ist, auch durch den laufenden Wahlkampf zur Bundestagswahl, die Flüchtlingsthematik wieder in den Fokus der Medien geraten. Für die vielen freiwilligen Helfer_innen, hat das Thema jedoch nie an Dringlichkeit verloren. Seit fünf Jahren engagiert sich auch durch die Hochschulgruppe Pangea, Helfer an der Universität Potsdam. Wir haben uns mit einem Gründungsmitglied, der Lehramtsstudentin Katharina Schmidt, für ein Interview zusammengesetzt. Von Philipp Bautz.
speakUP: Für unsere Leser_innen, die die Hochschulgruppe Pangea noch nicht kennen: Könntest du bitte erklären was hinter dem Namen „Pangea“ steht?
Katharina: Wörtlich bedeutet Pangea „ganze Erde“. Pangea war der letzte Superkontinent, meint also den Zustand der Erde, als noch alle Kontinente miteinander vereinigt waren und es keine Grenzen gab. Wir dachten, das ist ein ganz schöner Begriff als Gruppenname. Weil es bei uns ja viel darum geht, Menschen zusammen zu bringen, Grenzen und Mauern abzubauen. Grenzen tragen ja auch dazu bei, dass sich Nationen immer weiter abschotten – Mobilitätsfreiheit einschränken. Was dann auch zu Lasten des Asylrechts geht. Aus dem Grund haben wir uns damals für den Namen Pangea entschieden.
speakUP: Wann und aus welchem Anlass hat sich Pangea gegründet?
Katharina: Gegründet, wie es uns im Moment gibt – als Pangea, haben wir uns im April 2015. Pangea gründete sich aus einem Zusammenschluss aus zwei Initiativen von der Uni Potsdam. Das war einmal die Hochschulgruppe „Refugees Welcome Brandenburg“, die sich im Oktober 2014 gegründet hat. Andererseits gab es eine Gruppe Studierender, die im Wintersemester 2014/2015 im Bereich der Schlüsselkompetenzen bei StudiumPlus erstmals ihr studentisches Projektseminar „Refugees Welcome“ angemeldet haben. Weil beide Gruppen ähnliche Ziele verfolgt haben, gab es im April 2015 den Zusammenschluss beider Gruppen: Pangea ist entstanden.
Bei vielen der engagierten Studierenden gab es eine große Unzufriedenheit bezüglich des Umgangs mit Geflüchteten. Aufgaben, für die eigentlich der Staat die Verantwortung hätte übernehmen müssen, mussten oftmals durch Ehrenamtliche abgedeckt werden, damit Menschen nicht in unwürdigen Verhältnissen leben mussten, sei es bei der Versorgung in den Notunterkünften, aber auch bei der Bereitstellung von elementaren Angeboten, die das Ankommen und ein Miteinander erst ermöglichen wie beispielsweise Deutschkurse. Es haben sich dann viele Studierende, auch wirklich unterschiedlicher Fachrichtungen, zusammengefunden und gesagt „wir wollen etwas machen, unseren Beitrag dazu leisten“.
speakUP: Wie viele Studierende engagieren sich bei euch?
Katharina: Die Kerngruppe besteht aus etwa sieben Leuten. Das sind auch die Leute, ich sage mal so, das Orga-Team, die sich auch wirklich wöchentlich zusammen setzen und überlegen, wie es in den einzelnen Projekten läuft. Wie können wir jetzt weiter machen? Stehen irgendwelche aktuellen Ereignisse an? Also das ist eine relativ kleine Gruppe, aber insgesamt mit allen Leuten, die in den Teilprojekten aktiv sind, sind wir schon ungefähr 30 Leute.
Das sind auch nicht nur Studierende. Im Moment ist eine Schülerin dabei, wir hatten auch schon mal ein paar mehr Schüler_innen. Es sind auch einige bei uns aktiv, die schon berufstätig sind. Man muss aber sagen, dass wir schon einmal deutlich mehr Leute waren. Das Interesse an dem Engagement in dem Bereich ist sehr stark zurück gegangen. Ich hatte ja von diesem StudiumPlus Seminar erzählt, wir bieten dass jedes Semester weiter an. Um das mal mit Zahlen zu verdeutlichen: Wir hatten im Seminar 2015 70 bis 80 Teilnehmer_innen, die sich angemeldet hatten. Und jetzt im Moment sind es sechs Leute, die das Seminar belegt haben. Das ist ganz klar leider zurückgegangen. Aber wir tun was möglich ist, um unsere Arbeit und Projekte aufrecht zu erhalten.
speakUP: Hast du eine Idee warum, das Engagement in den letzten Jahren zurückgegangen ist?
Katharina: Das ist eine interessante Frage, die wir auch schon einmal versucht haben zu diskutieren. Also, ich habe dafür keine Standarderklärung. Zum Teil hängt es bestimmt mit der Medienpräsenz zusammen. Zum Teil damit, dass Leute das Gefühl haben, es gibt nicht mehr so viel zu tun. Weil die Kommunen und das Land nachgerüstet haben und dafür gesorgt haben, dass mehr Hauptamtliche in die Strukturen kommen. Der Bedarf an Engagement wird nicht mehr so gesehen, obwohl er eigentlich noch da ist – vielleicht in veränderter Form. Ich glaube aber, dass er von vielen nicht mehr als so akut wahrgenommen wird. Es gab ja diese Welle der Hilfsbereitschaft, in der seht viele Leute, auch gerade in Potsdam, zusammengefunden haben, Spenden gesammelt haben. Ich glaube, vielen fehlt auch der lange Atem. Man denkt ich habe jetzt ein paar Monate was gemacht, und jetzt ist wieder gut. Aber gerade Leute, die dauerhaft Strukturen unterstützen, sind eher selten.
speakUP: Welches Ziel hattet ihr 2015 und hat sich eure Motivation seither geändert bzw. welche Motivation habt Ihr heute?
Katharina: Das oberste Ziel, das wir auch schon immer hatten war, dass es Menschen schaffen, die aus irgendwelchen Gründen dazu gezwungen werden ihre Heimat zu verlassen, in unserer Gesellschaft eine selbstwirksame Position zu finden. Also das sie es schaffen, für eigene Belange eintreten zu können, selbständig ihren Weg beschreiten zu können. Wir wollen sie dahingehend unterstützen, im Sinne des Empowerment.
Wir haben hierfür verschiedene Teilprojekte ins Leben gerufen, die sich alle grob an diesem Ziel orientieren. Uns war immer wichtig, dass sich die Projekte an aktuellen Bedarfen orientieren, die können sich natürlich auch ändern und wir müssen darauf reagieren. Es gab eine lange Zeit eine sehr große Nachfrage nach Deutschkursen. Die gibt es zwar immer noch, das hängt aber eher damit zusammen, dass Deutschkurse nur bis zu einem bestimmten Niveau angeboten werden. Prinzipiell kann man schon sagen, dass Deutschkurse ganz gut abgedeckt werden, auch staatliche finanzierte.
Größere Probleme, die uns immer wieder begegnen, gibt es bei der Wohnungssuche. Die Leute haben Probleme eine eigene Wohnung zu finden, um dann auch mal aus dieser Erstunterkunft raus zu kommen. Und problematisch sind auch Dinge, wie der Zugang zum Studium, der Zugang zu einem Beruf; generell soziale Kontakte knüpfen.
speakUP: Welche aktuellen Projekte verfolgt Ihr und wie schätzt Ihr die Wirksamkeit ein?
Katharina: Wir haben immer noch unsere Deutschkurse, die werden wir in nächster Zeit wahrscheinlich umstrukturieren. Wir werden daraus eine Art Kommunikationstraining machen. Die Stärke von den Deutschkursen ist, dass man auf die individuellen Bedürfnisse eingehen kann. Sie sind sehr gut geeignet, um Einzelarbeit zu machen, um wirklich mit den Leuten ganz konkret an Schwierigkeiten zu arbeiten. Und das Leute auch mit einem höheren Niveau kommen können, um zu üben.
Dann haben wir die Hausaufgabenhilfe, das ist eine Kooperation mit „refugees emancipation“. Das ist eine selbstorganisierte Geflüchteteninitiative. Kinder und Jugendliche von der ersten bis zur zwölften Klasse kommen hierher, Kinder mit Fluchterfahrungen oder Kinder, deren Eltern fliehen mussten aber auch Kinder ohne Fluchterfahrungen oder Migrationshintergrund. Diese Kinder begleiten wir bis zum Abitur und gucken, dass die dann auch ihre Hochschulzugangsberechtigung bekommen. Die Hausaufgabenhilfe ist ein Projekt, bei dem dringend Leute gesucht werden, damit es aufrechterhalten werden kann. So wie es aussieht, werden alle gehen, die daran bisher teilnahmen. Wir müssen ordentlich die Werbetrommel rühren, damit dass nicht kaputt geht.
Dann haben wir noch das Treffen am Havelblick. Der Ansatz hier ist es, Begegnungsmöglichkeiten über Sport zu erreichen. Wir haben eine Reihe an Sportgeräten angeschafft und viele Leute eingeladen, um sich zu treffen oder Sportspiele zu spielen. Manchmal findet dort auch ein informeller Deutschunterricht oder informelle Beratung statt.
Wir unterstützen auch immer wieder selbstorganisierte Geflüchteteninitiativen. Es gab vor kurzen zum Beispiel einen „refugee action day“ zum Weltflüchtlingstag in Potsdam, da waren wir mit aktiv. Oder eine Theateraufführung von einer refugee Theatergruppe, die im KuZe aufgetreten ist. Prinzipiell sind auch andere Projekte denkbar, dass man nochmal andere Projekte startet. Im Moment haben wir aber nicht die Kapazitäten dazu.
speakUP: Was sind aktuell die größten Herausforderungen, die Euch begegnen?
Katharina: Das weniger Leute da sind, die sich engagieren. Ich weiß nicht, ob es bei anderen Initiativen ähnlich ist, aber bei uns ist das sehr stark zurückgegangen. Das ist die größte Herausforderung, neue Leute zu finden, die dann auch möglichst dauerhaft, oder für längere Zeit da bleiben. Herausforderung sind auch Abschiebungen. Da ist immer ein großes Frustrationspotenzial, wenn man Leute begleitet, mit Leuten zu tun hat oder sich auch mit Menschen anfreundet. Man kennt die Geschichte der Person und merkt, dass sie auf einem guten Weg ist, die Sprache lernt, kurz davor ist, ein Studium anzufangen. Und dann kommt der Abschiebebescheid. Man wird auch oft von der eigentlichen Arbeit abgelenkt, weil man immer wieder beim Umgang mit den Ämtern helfen muss. Ob es um Übersetzungen geht oder Begleitung auf die Ämter, oder Wohnungsbesichtigung. Das frisst viel Zeit, die uns in der Projektarbeit dann fehlt.
speakUP: Welche Ziele wollt ihr im kommenden Jahr erreichen?
Katharina: Unser Hauptziel ist es, die Teilprojekte aufrechtzuerhalten, beziehungsweise auch weiterzuentwickeln. Wir fänden es auch schön, wenn wir es schaffen, noch mehr Geflüchtete in unsere Arbeit einzubinden. Wir wollen uns mit dem „Refugee-Buddy-Programm“ an der Uni stärker vernetzen – wir haben schon ein gemeinsames Sommerfest gemacht. Ein Ziel, das wir noch haben ist es, Arabischkurse an die Uni zu bringen. Wir haben schon öfters angesprochen, dass wir denken, dass es einen großen Bedarf von Arabischkursen im Zessko gibt. Wir versuchen dahin zu wirken, dass das Fremdsprachenangebot des ZESSKO stärker ausgeweitet wird und andere Sprachen, die auch gesellschaftliche Relevanz haben, im Angebotskatalog mitaufgenommen werden, in den Angebotskatalog.
speakUP: Vielen Dank für das Gespräch.
Eine Antwort auf „Im Gespräch mit der Hochschulgruppe Pangea“