Die Neue Rechte hält Einzug in deutschen Betriebsräten. Dort tritt sie in Form der pseudosyndikalistischen Arbeiter_innenvereinigung „Zentrum Automobil“ in Erscheinung. Diese und weitere Initiativen des neurechten Netzwerkes und in welcher Relation sie zueinander stehen, erklärte Andreas Kemper vergangenen Samstag, dem 2. Juni 2018, im Theatersaal des KuZe. Die Veranstaltung mit dem Titel „Neue Strategien der AfD und der Neuen Rechten in der Arbeiter*innenvertretung“ stellte das vorletzte von vier Events der „Anarchosyndikalistischen Veranstaltungsreihe“ der FAU (Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union) Potsdam dar. Von Sofia Nett.
Nur wenige der im Theatersaal des Studentischen Kulturzentrums, kurz KuZe, bereitgestellten Stühle sind besetzt. „Muss wohl an der anarchistischen halben Stunde liegen“, meinte eine Besucherin und man einigte sich darauf, das Ganze etwas später beginnen zu lassen. Um 19.25 Uhr hatten sich dann doch noch die letzten Gäste eingefunden und nach einer kurzen Einführung durch die FAU tritt Andreas Kemper ans Mikrophon.
„Gegen Gewerkschaften und gegen Merkel und gegen die Linken“
Die 2009 durch Oliver Hilburger im Daimler-Stammwerk in Untertürkheim ins Leben gerufene Betriebsratsliste „Zentrum Automobil“ verfolgt ein genaues Ziel: Sie möchte eine Alternative bieten zu den herkömmlichen Gewerkschaften wie etwa IG Metall. Dies sei notwendig, da die bisherigen Arbeitervertreter_innen alle „gekauft“ seien und „sich mit der Elite verbündet hätten“, gab Kemper den Wortlaut von Zentrum Automobil wieder. Er fuhr fort, dass die Vereinigung demnach nicht nach dem Motto „deutsche Arbeitsplätze für deutsche Arbeiter_innen“ gegen ausländische Mitarbeiter_innen vorgehe – sie versuche gar jene in ihre Bewegung zu integrieren – nein, ihr Problem läge eher bei einer vermeintlichen Allianz der Gewerkschaften mit der Betriebsführung, Merkel und linken Gruppierungen.
2010 wurde das Zentrum Automobil zum ersten Mal mit zwei Vertreter_innen in den Untertürkheimer Betriebsrat gewählt. 2014 waren es vier und mittlerweile ist die Liste schon bei sechs Vertreter_innen angelangt. Bemessen an den laut Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB) deutschlandweit etwa 180 000 Mandaten ist diese Zahl natürlich verhältnismäßig gering. Unterschätzen solle man die Vereinigung unter Führung Hilburgs, der sich bereits einen Namen als Bassist der Rechtsrockband „Noie Werte“ machte, in Zukunft jedoch keinesfalls, warnte Kemper.
„Ein Prozent, das sind quasi so eine Art Rote Hilfe für die Braunen. Also Braune Hilfe quasi“
Zu verdanken hat Zentrum Automobil seinen neuerdings errungenen Erfolg unter anderem auch der Unterstützung durch das Projekt „Ein Prozent für unser Land“, das sich selbst „als eine Art ‚NGO‘ für Deutschland“ darstellt. Anders als die Mitglieder der neurechten Betriebsratsliste, wobei es sich ja tatsächlich um Arbeiter_innen handelt, ist die Ein Prozent-Bewegung außerhalb der Betriebe anzusiedeln, agiert jedoch auf verschiedene Weisen innerhalb dieser. Sie fertigen Flugblätter an, designen Websites und drehen Unterstützungsvideos.
Unter ihren wichtigsten Akteur_innen finden sich Schlüsselfiguren der Neuen Rechten wie Götz Kubitschek, Mitbegründer des Instituts für Staatspolitik (IfS), das als Denkfabrik der Neuen Rechten gilt, Philip Stein von der Deutschen Burschenschaft (DB), einem Dachverband ultrarechter Burschenschaften, Simon Kaupert, welcher in der Identitären Bewegung aktiv ist, und das Compact-Magazin unter der Leitung des ehemals linken Jürgen Elsässer. Kemper erklärte weiter, dass Ein Prozent auch enge Kontakte zur Identitären Bewegung in Österreich pflege, wo diese beachtlich stärker vertreten sei als in Deutschland, und dieser auch vor kurzem eine Spende von 100 000 € für Prozesskosten zukommen lassen habe.
Auch die AfD ist mit von der Partie
Selbstverständlich darf auch die AfD in diesem neurechten Wirrwarr nicht fehlen. In der Ein Prozent-Initiative tritt sie unter anderem durch Andreas Lichert, welcher als Vorstand der AfD im Land Hessen agiert, in Erscheinung. Außerdem, so kommentierte Kemper, habe Ein Prozent auch schon Wahlbeobachter_innen engagiert, „die für die AfD ins Wahllokal gegangen sind, um gegen die vermeintliche Wahlfälschung vorzugehen“.
Auch über Björn Höcke sprach Kemper. Nicht zuletzt, da er dem AfD-Rechtsaußen nachweisen konnte, in den Jahren 2010 und 2011 unter dem Pseudonym „Landolf Ladig“ Artikel in neonazistischen Magazinen veröffentlicht zu haben. Diese Texte wurden unter anderem von dem stellvertretendem NPD-Vorsitzenden Thorsten Heise, einem Nachbarn und Freund Höckes, publiziert. Die Ergebnisse von Kempers Recherchen waren so eindeutig, dass sogar die AfD, damals unter Frauke Petry, sich auf dessen Ergebnisse stützte, bei dem Versuch, Höcke aus der Partei auszuschließen. Das Parteiausschlussverfahren trug jedoch letztendlich keine Früchte. Petry verließ die Partei und Höcke blieb.