Neun Monate sind schnell vergangen. Jetzt heißt es Abschied nehmen. Die letzte Woche in Grenoble war rasant und fasst gleichzeitig ganz gut die Zeit dort zusammen. Und nach dem Abschied folgt auch bald ein Wiedersehen. Von Damaris Reichert.
Ich habe schon viele Erasmus-Berichte gelesen und jedes Mal hat es mich gestört zu lesen, wie die meisten Studierenden diese Zeit als die Beste ihres Lebens bezeichnet haben. Jetzt sitze ich hier, denke über die letzten neun Monate nach und muss feststellen, dass diese nun auch für mich, so kitschig es auch klingen mag, zu den glücklichsten, erlebnisreichsten und schönsten Monaten meines Lebens zählen.
Eine Woche noch
Die letzte Woche, die ich in Grenoble verbracht habe, wirkt für mich wie ein Mikrokosmos, der für die ganze Zeit, die ich hier verbracht habe, steht. Diese Woche fasst meinen ganzen Aufenthalt ziemlich gut zusammen, wie ein Zeitraffer. Deshalb berichte ich darüber etwas genauer.
Fahrradtour, Panne und Tacos aus Grenoble
Am Montag meiner letzten Woche hat mich meine Freundin Mélissa eingeladen, die zu einer meiner besten Freundinnen hier geworden ist. Wir haben zusammen Zeit verbracht, Schokoladenerdbeeren gegessen, geredet und dann habe ich bei ihr übernachtet.
Am Dienstagmorgen mussten wir dann die Entscheidung treffen, ob wir noch etwas liegen blieben oder mit dem Fahrrad gemeinsam mit anderen Bewohner_innen des Studentenwohnheims zum See fuhren. Die Unternehmungslust hat gesiegt. So befanden wir uns bald auf dem Fahrrad und fuhren die längste gerade Straße Europas, den Cours Jean-Jaurès, entlang. Nach einer Weile befanden wir uns außerhalb von Grenoble, umgeben von den Gebirgsketten Belledonne und Vercors. Nach zweieinhalb Stunden und einem letzten Anstieg kamen wir am See an. Wir mussten dann feststellen, dass dieser eigentlich gar nicht öffentlich zugänglich ist, da er zu einem Elektrizitätswerk gehört. Dennoch wollten wir die Strecke nicht umsonst zurückgelegt haben und sind über die Absperrung geklettert. Wir wurden mit einer unglaublich schönen Landschaft belohnt und genossen ein eiskaltes Bad in dem türkis blauen See, wo gerade erst das Schmelzwasser von den Bergen rein geflossen war.
Auf dem Rückweg hatten wir eine Fahrradpanne, die wir nicht beheben konnten. Trotzdem musste niemand in den Bergen übernachten, da wir einen Transporter angehalten haben. Der Fahrer war so freundlich und hat den Betroffenen sogar bis nach Grenoble gebracht. Abends aßen wir zusammen Tacos (nein, nicht mexikanische, sondern eine Version aus Grenoble, die mir anfangs des Öfteren empfohlen wurde, die es aber meiner Meinung nach, nicht verdient haben Tacos genannt zu werden). Komischerweise hat es mir dieses Mal geschmeckt. Wahrscheinlich war es der Hunger, der mir alles lecker erscheinen ließ. Meine vorgeschobene Grenoble-Nostalgie spielte vermutlich auch eine Rolle oder sie waren echt besser als sonst.
Klettergurt und Höhenangst
Am Mittwoch ging es dann zum letzten Mal auf die Bastille – eine Festung, die über Grenoble liegt und von wo aus man eine wunderschöne Aussicht über die Stadt hat. Daran habe ich viele schöne Erinnerungen, da ich in meinem Studentenwohnheim am Fuß der Bastille wohnte. Oben angekommen habe ich mit drei Freunden, wovon einer mir auf einmal gestand Höhenangst zu haben, einen Parcour in einem Hochseilgarten gemacht.
Per Anhalter nach Avignon
Wieder im Studentenwohnheim angekommen, hatte ich zehn Minuten Zeit zum Packen. Dann hat eine Freundin Mélissa und mich bis zu dem Parkplatz hinter einer Mautstelle gefahren. Von dort aus machten wir uns per Anhalter auf den Weg nach Avignon. Überraschenderweise funktionierte das wunderbar, da es der Abend vor einem Feiertag mit Brückentag war und viele sich auf den Weg Richtung Süden machten. In Avignon haben wir bei einer Freundin geschlafen. Am nächsten Tag haben wir die Stadt besichtigt und ein letztes Mal typisch französisch mit Vorspeise, Hauptgang und Dessert im Restaurant gegessen.
Am nächsten Morgen ging es wieder per Anhalter zurück, wobei das etwas länger dauerte als geplant. Dennoch kamen wir gegen Abend wieder wohlbehalten in Grenoble an.
Überraschung
Mélissa ging mit mir ins Studentenwohnheim, da wir gemeinsam ein letztes Mal in die Bar La Taverne im Wohnheim gehen wollten. Nach dieser Reise mussten wir erst einmal duschen. Wir standen zu dritt nebeneinander jeder in einer Kabine und haben geduscht und gesungen. Danach liefen wir gemeinsam durch das Wohnheim in den fünften Stock. Als ich in die Küche kam, habe ich mich gewundert, dass da so viele Leute waren. Auch Leute, die dort eigentlich nicht hinkommen. Als ich dann die Ballons sah und die französischen Flaggen, den Wein und den Käse, habe ich realisiert, dass dies eine Überraschungsfeier für mich war. Und obwohl der Abschied immer näher rückte, war es ein sehr fröhlicher Abend mit viel Musik und Tanz.
Sonntagabend habe ich nochmal Freunde eingeladen, um ein letztes Mal das zu machen, was mir hier am meisten Freude bereitet hat: Gemeinsam zu essen und Musik zu machen. Erst waren wir in der Küche, später bis drei Uhr im Keller, wo wir schon so oft gemeinsam Musik gemacht hatten.
Abschiedstänze
Und dann kam der lang gefürchtete Montag, an dem ich Grenoble verlassen musste. Ich wurde von vielen meiner Freunde an den Busbahnhof gebracht, wo wir bis der Bus abfuhr noch ein letztes Mal alle miteinander sangen und im Kreis herum sprangen, bis ich dann endgültig in den Bus einstieg.
Jetzt befinde ich mich seit drei Wochen wieder in Deutschland – habe gearbeitet, alte Freunde wieder getroffen und das gute Wetter genossen. Doch meine Koffer sind schon wieder gepackt. Denn nach dem Abschied kommt ein Wiedersehen. Ich fliege am Dienstag für einen Monat nach Kolumbien. Dort treffe ich meine kolumbianischen Freunde, die ich in Grenoble kennengelernt habe und werde herumreisen.