Aufatmen unter Potsdamer Studis: Das Wohnheim in der Breiten Straße bleibt noch mehrere Jahrzehnte erhalten. Auf der öffentlichen Sitzung des städtischen Bauausschusses wurde am gestrigen Dienstag der zuletzt kontrovers diskutierte Bebauungsplan der Stadt behandelt, der vorsieht, im Umfeld des möglichen Wiederaufbaus der Garnisonkirche eine großräumige Grünfläche anzulegen. Bei der Sitzung hieß es, dass ein Abriss der Studierendenwohnheime aufgrund des Bestandschutzes auch für die nächsten Jahrzehnte nicht in Frage käme. Von Vinzenz Lange, Denis Newiak und Philipp Schwartz.
Rückblick: Der jüngste Entwurf des noch zu beschließenden Bebauungsplans Nr. 1 sieht die Wiederherstellung eines Stadtplatzes in der Potsdamer Innenstadt vor. Um diesen umzusetzen, müsste ein Teilkomplex des dortigen Studierendenwohnheims abgerissen werden. Konkret betroffen wäre der Teil des Gebäudes in der Breiten Straße Nr. 1 bis 5. Auch umliegende Schulen hatten die Befürchtung geäußert, für den Unterricht benötigte Sportanlagen nicht mehr nutzen zu können, wenn diese den Weg für den Stadtplatz frei machen müssten. Ebenfalls im Plan enthalten ist der schon seit Längerem beschlossene Abriss des Rechenzentrums.
Studierendenvertreter_innen äußerten scharfe Kritik
Im Zuge der Wiederherstellung sollen dann der Lange Stall und die Garnisonkirche wiederaufgebaut werden. Der geplante Wiederaufbau der im 2. Weltkrieg zerstörten Kirche, in der es am „Tag von Potsdam“ 1933 zum Handschlag von Hitler und Reichspräsident von Hindenburg kam, ist in der Stadt höchst umstritten.
Besonders Studierenden-Vertreter_innen und Lokalpolitiker_innen der „Linken“ waren über die Pläne des Abrisses empört – auch weil das Gebäude erst vor Kurzem umfangreich saniert wurde. Der „Allgemeine Studierendenausschuss“ der Universität Potsdam (AStA) äußerte sich kritisch: „Wer plant, Wohnraum für junge Menschen zu vernichten, um dem eigenen Historismus zu frönen, spielt mit dem Risiko einer kulturellen Verarmung. Die Innenstadt wird zu einer Geisterstadt“, hieß es in einer Stellungnahme.
Garnisonkirchen-Kritiker_innen sehen sich bestätigt
Der AStA unterstütze erst im Frühjahr eine Initiative gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche – insbesondere mit der Begründung, dass das Projekt studentische Interessen wie preiswertes Wohnen bedrohe. Gegner_innen des Wideraufbaus der im 2. Weltkrieg zerstörten Kirche sehen sich nun in ihrer Argumentation bestätigt, dass die Rekonstruktion auf Kosten der Studierenden erfolgen würde.
Angesichts steigender Mieten und knapper werdenden Wohnraums in Potsdam sei der geplante Abriss von Wohnheimplätzen für eine angebliche „Historisierung“ der Innenstadt ein fatales Signal der Stadt: „Wenn Potsdam eine Universitätsstadt sein möchte, dann kann sie die Studierenden nicht weiter nach Berlin treiben“, so der AStA.
Stadt und Stiftung: Wohnheim und Kirche behindern sich nicht
Zugleich heißt es im Entwurf des Bebauungsplans auch, dass das Wohnheim erst vor kurzer Zeit umfassend saniert wurde und ein baldiger Abriss daher nicht in Frage komme. Dieser Bestandsschutz gelte solange, bis erneute Sanierungsmaßnahmen in größerem Umfang am Wohnheim erforderlich wären. Im Entwurf des Plans heißt es wörtlich, dass ein Greifen der Neuordnung beim Studierendenwohnheim „erst sehr langfristig zu erwarten“ sei, nur „bei umfassenden baulichen Änderungen“ am Studentenwohnheim würden die Neuregelungen greifen.
In der Sitzung von Dienstag wurde der Plan beraten. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass der Wiederaufbau der Garnisonkirche noch nicht gesichert sei, so die Abgeordneten der Fraktion „Die Andere“. Von der „Linken“ gab es ähnliche Stimmen: Die jetzige Generation könne nicht über eventuelle Sanierungen oder Rückbaumaßnahmen des Wohnheims entscheiden.
Der Förderverein für den Wiederaufbau der Garnisonkirche teilte vorab bereits mit, dass für Wohnheim und Kirche genügend Platz vorhanden sei. Für eine Stellungnahme zur gestrigen Ausschusssitzung war zunächst niemand von der Fördergesellschaft erreichbar.
Studentenwerk: Keine Veränderungen in den nächsten 25 Jahren
Gudrun Wewetzer vom Studentenwerk Potsdam, welches das Wohnheim betreibt und auch Eigentümerin des Bodens ist, bestätigte auf Nachfrage der Studierendenzeitschrift „speakUP“, dass das erst vor acht Jahren sanierte Wohnheim in der Breiten Straße auch auf lange Sicht erhalten bleibe. „Natürlich ist dieses Gebäude nicht für die Ewigkeit gebaut, aber auf Fälle für die nächsten Jahrzehnte“, so Wewetzer. Bei einer Gesamtnutzungszeit von etwa 40 Jahren rechnet die Sprecherin des Studentenwerks nicht mit einer Neuordnung vor 2040.
Zugleich wirft die Diskussion um den Bebauungsplan Nr. 1 grundsätzliche Fragen zur Baupolitik in Potsdam auf. „Das Studentenwerk Potsdam tritt dafür ein, dass in dieser Stadt mehr bezahlbarer Wohnraum für Studierende geschaffen wird, statt diesen zu vernichten“, meint Wewetzer. Man selbst habe von den Planungen erst aus der Zeitung erfahren.
Studierendenvertretungen sehen in Potsdam einen chronischen Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Laut Studentenwerk Potsdam liege die Versorgung mit Wohnanlagen für Studierende in der Landeshauptstadt mit rund 9 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt.