Das Buch „Bestnote“ von Martin Krengel kommt daher wie jedes andere Motivations- und Zeitmanagement-Buch. Was aber steckt dahinter und was genau wollen wir eigentlich? Den Bachelor mit Auszeichnung oder nur stressfrei durch die nächste Prüfung kommen? Schließlich ist die Verlockung groß, sich nicht dem ewigen Bulimie-lernen hinzugeben. Und überhaupt: Machen wir uns mit all dem Gehetze um die Bestnote nicht nur selbst verrückt? Rezension von Angelina Schüler.
Am Ende eines jeden Semesters befindet sich die Uni in einem Ausnahmezustand: Schlecht gelaunte Studierende hetzen von einem Seminar zum anderen, besuchen die letzte Vorlesung vor der Klausur und vergessen in der Mensa vor lauter Lernstress ihr Essen. Stattdessen wird das Gehirn mit immer mehr Fakten und Daten gefüttert, in der Hoffnung, wenigstens dieses Mal das Modul mit einer 2,0 abzuschließen. Dabei könnte die Prüfungszeit so viel entspannter ablaufen – so wird es zumindest in dem Buch „Bestnote“ beschrieben. Der praktische Leitfaden von Martin Krengel, der seines Zeichens Wirtschafswissenschaften und Psychologie studierte und jetzt als Lerncoach fungiert, verspricht mit den richtigen Techniken den Lernprozess zu halbieren und trotzdem die Prüfung mit einer Note besser als zuvor zu absolvieren.
In einem 10-Schritte-Plan soll man das richtige Werkzeug an die Hand bekommen, um in jeder Prüfungssituation das Beste aus sich herauszuholen und den Lernstoff effektiver zu verarbeiten, und das sogar schon während des Seminars! Heißt das jetzt, dass ich nie wieder lernen muss? Diese Vorstellung ist leider zu schön, um wahr zu sein. Auch die beste Karteikartensystematik erspart uns die Wissensfestigung nicht. Aber das Buch soll uns ja auch nur die richtigen Strategien aufzeigen.
Die Umsetzung ist dann allein die Sache der Studierenden. Der erste erhellende Moment erwartete mich schon auf Seite 10, wo der Autor mir empfiehlt, nicht gleich das ganze Buch zu lesen, sondern mir erstmal die für mich relevanten Kapitel herauszusuchen. Sinnvoll, ist doch sein allgemeiner Konsens, dass man sich mit zu viel Material nur selbst blockiert. Trotzdem möchte ich jeden Tipp kennenlernen. Schließlich betrifft mich die Prüfungsphase ja auch bald wieder.
Die einzelnen Methoden und Hinweise sind jeweils mit Schaubildern und kleinen Icons veranschaulicht. Auch hier sehe ich den Nutzen: Symbole prägen sich leichter ein. Natürlich gibt es darüber auch ein ganzes Kapitel im Buch (6. Kodieren). Und dennoch schleicht sich das Gefühl ein, wieder mal den nächsten Zeitmanagement-Ratgeber vor mir zu haben. Diesmal mit mehr bunten Bildchen.
Der Stress in uns
Die Grundlage für dieses – und sicher auch jedes andere Buch der Sorte „Wie werde ich besser im Studium und Beruf“ – ist unsere scheinbare Unfähigkeit, uns selbst zu organisieren. Beinahe jede_r Studierende setzt sich zum Ende der Vorlesungszeit selbst unter Druck. Faktoren von außen, wie beispielsweise die Leistungen der Kommiliton_innen, die Erwartungen von Dozent_innen, Eltern und Freunden und das über alles schwebende Damoklesschwert Regelstudienzeit sorgen für Stress und Hektik.
Man müsse aber weniger die Symptome behandeln, als doch viel mehr den Grund für all dies ausfindig machen und das Problem beheben. Schon in der Schule wird uns vermittelt, dass Wissen für alle zugänglich sein soll. Wir wurden mit Jahreszahlen, Formeln und Definitionen gefüttert, doch nie wurde gesagt, dass man auch anders lernen kann. Dass darin auch eine Stärke liegt, die Kinder mit Lernschwächen nutzen und somit ihre Chancen verbessern können. Da sind die derzeitigen Bemühungen um Lernstoff aus der Lebenswirklichkeit der Kinder ein ebenfalls schwieriges Unterfangen.
Natürlich ist die Zeit, in der Goethe gelebt hat, eine andere gewesen. Doch gibt uns dies allein das Recht, den Geheimrat aus dem Lehrplan zu streichen? „Ich dachte immer, bei „Bildung“ gehe es darum, den Horizont der Schüler zu erweitern, nicht darum, ihren Horizont widerzuspiegeln“, schreibt Harald Martenstein vom Tagesspiegel. Kinder und Jugendliche muss man da abholen, wo sie geparkt haben – diesen Spruch kann ich guten Gewissens unterschreiben. Doch sich ins Auto zu setzen reicht nun mal nicht. Oft müssen wir auch losfahren und unbekannte Strecken fahren, um unser Potenzial zu entdecken. Dazu gehört ebenso ein Klassiker wie Faust als auch ein visionäres Werk wie Uhrwerk Orange.
Das Buch als Lösung?
Was aber tun, wenn in der Schule kaum Lerntheorie unterrichtet wurde und jetzt die erste Hausarbeit wartet? Das Buch von Martin Krengel in die Hand nehmen? Vielleicht. Aber skurrile Tipps wie das Erstellen eines Psychogramms meiner Dozent_innen oder die Vorstellung, dass Prüfungen Wettkämpfe sind, helfen mir eher wenig weiter. Das sorgt höchstens für noch mehr Anspannung.
Das Buch wirbt damit, dass es eine perfekte Gebrauchsanleitung für das eigene Gehirn wäre. Selbst wenn es sich – vor allem bei Prüfungen – anfühlt, als sei das Hirn eine Maschine mit vielen Zahnrädern, darf man nicht dem Irrtum erliegen, dass jede Strategie auch auf jede_n abwendbar ist. Wir sind eben keine Computer oder berechenbare Protokolle. Deshalb hilft es nicht, das Buch „Bestnote“ unreflektiert durchzuarbeiten und sich dann in die Prüfung zu setzen, die eigenen Impulse müssen ebenfalls berücksichtigt werden.
Vor allem auf die Zusammenhänge kommt es an. Der Autor verwendet dafür einen fragwürdigen Begriff: das Global Picture. Erst wenn ich auf den Berg steige, kann ich alles Weitere überblicken. Man vergisst aber häufig, dass Berge weder besonders günstig gelegen, noch frei von Wetterlagen sind.
Vom Können und Sollen
Vielen Chaoten kann das Buch einen Einstieg verschaffen, zugegeben. Doch wie schon bei den Kindern und Jugendlichen muss auch ein_e Studierende_r das Steuer in die Hand nehmen und losfahren. Die Initiative sollte auch von innen kommen. Lernen muss ja auch Spaß machen, sonst bleibt nichts davon übrig. Auch eine Theorie des Lerncoaches Krengel.
Über den Inhalt des Buches kann man sagen, dass es die altbekannten Floskeln neu verpackt: Mut zur Lücke, Mach eine Pause, Kleine Bilder merken sich schneller, Schaffe Ordnung, usw. Aber ist das alles so existenziell? Muss ich überhaupt mein Studium mit Auszeichnung abschließen oder will ich nur ein wenig mehr Freizeit haben?
Und überhaupt: muss ich mich nur durch meine Leistung definieren? Klar, Stress kann krank machen, das wissen wir mittlerweile alle. Und wir sind froh über jede Entlastung, die sich irgendwie in unseren Alltag einschieben lässt. Sei es eine Stunde Yoga, ein Spaziergang im Park oder abends mit den richtigen Leuten ein Bier trinken gehen. Trotzdem wird von uns erwartet, dass wir unser Soll tun. Und das möglichst gut. Es hilft uns vielleicht, wenn wir uns strukturieren, den Druck rausnehmen und unsere Ziele klar definieren. Doch die Prüfungen bleiben und manchmal auch die Angst.
Was wirklich hilft, ist unsere innere Einstellung. Da fängt es nämlich an: Erst wer ein positives Bild von sich selbst hat, kommt mit kleinen Rückschlägen und Stress besser zurecht; erst wenn wir aufhören, uns permanent selbst zu erziehen, können wir atmen und haben Erfolg. Wir brauchen keine neuen Lernstrategien oder Methoden zur Wissensfestigung, wir sind auch so gut genug. Wir müssen vielleicht ab und zu mehr auf uns und weniger auf einen Lerncoach hören.
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