Jedes Jahr zu Ende Oktober spaltet sich mein Freundeskreis: Die einen schnitzen Kürbisse, verkleiden sich für Halloween-Partys und gucken Gruselfilme – und ich … nun ja, „feiere“ Reformationstag. Was es mit den Feiertagen auf sich hat und warum Luther doch ganz schön zum Gruseln ist, lest ihr hier. Von Angelina Schüler
Mindestens einmal wird jede Schulklasse in Deutschland in das Lutherhaus in Wittenberg geschleppt. Dort dürfen die Kids dann durch die Ausstellung gehen, hören allerhand Zeug über Dinge wie Ablass, Reliquien, Thesen und einer sonderbaren Sache, die Reformation heißt. Und weil nahezu alle Erwachsene so begeistert davon sind, gibt es auch einen entsprechenden Feiertag: Am 31. Oktober ist Reformationstag, in diesem Jahr sogar schon zum 500. Mal! Moment, denken sich da einige, da ist doch auch Halloween. Wie kommen die verrückten Protestanten darauf, einen bereits bestehenden Feiertag zu besetzen?
Ganz einfach: Vor 500 Jahren kannte man in Mitteleuropa das heutige Halloween noch nicht. Dieses Fest wiederum stammt ursprünglich aus dem katholisch geprägten Irland, wo verschiedene Bräuche am Fest vor Allerheiligen am 1. November (noch ein Feiertag!) als All Hallows’ Eve bekannt waren und mit der Auswanderung nach Amerika und Kanada gelangten. Ab 1830 verband man die Bräuche mit keltischen Traditionen, die allerdings nicht nachzuweisen sind, und baute Legenden wie jene von Jack O’Lantern ein, dem Mann, der den Teufel austrickste und nach seinem Tod eine Rübe und ein Stück glühende Kohle bekam, um im Dunkeln seinen Weg zu finden.
Gruselige Freude, stilles Gedenken und ein dummer Zufall
Halten wir fest: Eigentlich ist Halloween der Abend vor Allerheiligen, die Bräuche waren in der christlichen Auffassung eher umstritten und der Festtag am 1. November ist auch heute noch ein eher stiller Tag. So sind beispielsweise Tanzveranstaltungen an Allerheiligen verboten. Das moderne Halloween hingegen ist mit seinen ausgelassenen Feiern, dem Herumgehen von Kindern und das Einsammeln von Süßigkeiten eher fröhlich und weniger gruselig denn die amerikanische Variante. Und jetzt also noch der Reformationstag – denn eigentlich haben wir in Deutschland deswegen frei.
Neben all den noch nicht bekannten oder schon lang bestehenden Feiertagen gab es nämlich auch noch einen kleinen Mönch in Wittenberg, der sich über die Machenschaften der katholischen Kirche aufregte und über die Zustände mit den dafür Verantwortlichen diskutieren wollte. Wie damals so üblich, rief er zu einem Disputationsgespräch auf: Er schrieb seinem Chef, Kardinal Albrecht, und ließ an den umliegenden Kirchen seine zu diskutierenden Thesen aushängen – entgegen der gängigen Legendenbildung schwang er allerdings nicht selbst den Hammer und pinnte das Papier schon gar nicht auf Deutsch an die Kirchentür.
Sein Brief war in Latein verfasst, da ihm nicht der Sinn danach stand, mit allen gemeinen Bürgern zu reden, sondern seine Sache einem „Fachpublikum“ vorzutragen. Ein paar Exemplare seiner Thesen schickte er allerdings auch an seine Freunde, die so begeistert von seinen Ideen waren, dass sie den Brief auf Deutsch übersetzten und in Massenproduktion gaben. Die Reformation ist also eigentlich nur ein Zufallsprodukt von Luthers Freunden, die nicht dicht halten konnten.
Puh, dafür wird jetzt aber ganz schön Wind um die Sache gemacht. Klar, denn die Folgen der Kirchenspaltung waren und sind auf der gesamten Welt sichtbar. Plötzlich heirateten Pfarrer, Bibeln wurden in Landessprachen übersetzt, Kriege brachen aus und wurden durch Frieden beigelegt, in England köpfte ein König seine Frau, in Wittenberg sind seitdem scharenweise Luther-Touristen eingeflogen…
Hallotag und Reformationsween?
Die Reformation ist also doch ein ganz schön wichtiges Datum und als Feiertag durchaus „feiernswert“, denn viele Menschen konnten damals, in einer Zeit, die von Dogmen und Restriktionen bestimmt war, endlich einen freien Glauben praktizieren. Die neue Kirche versprach ihnen eine gewisse Teilhabe und Selbstständigkeit, die später eben auch zu Humanismus, zur Revolution und zur Moderne führten. Viele Konzepte und Ideen der heutigen Welt stammen ursprünglich aus der Feder Luthers und seiner Mitstreiter. Wie also können wir dieses so wichtige Datum mit unserer Halloween-Feierlaune verbinden?
Hier ein paar Vorschläge: Tagsüber können wir ja mal ganz fest an Luther denken, der ganz wesentlich auch dazu beigetragen hat, dass es in Mitteleuropa Universitäten gibt, an denen auch noch andere Fächer statt Theologie studiert werden können. Außerdem können wir am Abend, wenn die Kids an unseren Türen klingeln, eine kurze Geschichtsstunde einlegen. Nur damit die Kleinen auch wissen, warum eigentlich Schulfrei ist. Und abends können wir dann in unsere gruseligen Kostüme schlüpfen und unseren Kürbiskopf Jack O’Lantern feiern. Und vielleicht gibt’s unter den Feierwütigen auch ein paar Katholiken, die sich vor einem gekonnten Luther-Kostüm (schwarze Kutte, Pergament und Feder, wahlweise auch eine deutsche Bibel) ein wenig fürchten. Oder aber ihr steigt ganz aus und feiert stattdessen die anderen Feiertage, die auf den 31. Oktober fallen: Den amerikanischen Increase Your Psychic Powers Day oder, ebenfalls aus den USA, der National Magic Day.
Wie auch immer ihr euch entscheidet, wir wünschen euch auf alle Fälle einen tollen freien Tag!