wo kommst du eigentlich her?

Heute: Christin aus Zehdenick. Von Denis Newiak

Hätte es ihr Wunschstudienfach Europäische Medienwissenschaften auch in Zehdenick gegeben, wäre sie wohl da geblieben. Dort lebt schließlich ihre Familie, hat sie ihre Bekannte, lebt ihr langjähriger Freund. „Ich war im Kindergarten Zehdenick, Grundschule Zehdenick, Realschule Zehdenick, OSZ Zehdenick… Mein ganzes Leben hat da stattgefunden.“ In der Kleinstadt im Landkreis Oberhavel leben knapp 14.000 Menschen, je- des Jahr sind es rund hundert weniger. „Da geht man als Kind zum Spielen einfach raus auf die Straße und trifft sich mit seinen Freunden. Das wäre in Berlin gar nicht möglich.“ Ein Dorf ist Zehdenick nicht, doch erst recht keine Metropole. „Jeder kennt jeden, es wird über jeden getratscht.“ Dort legt man noch viel Wert auf die Meinung anderer.

Aber eine Universität gibt es in Zehdenick nicht, auch keine Fachhochschule. Nicht einmal ein Kinobetreiber hat sich getraut, dort zu investieren. Für Christin Streich, 19jährige Erstsemesterin an der Philosophischen Fakultät der Universität Potsdam, stand schon lange fest, dass sie studieren wolle. „Und Studieren heißt: Ich muss weg.“ Weg von dort, wo sie bisher ihr ganzes Leben verbracht hat. Dass es sie nach Potsdam verschlagen hat, scheint sie nicht unbedingt zu stören: „Ich find’s toll: Kino, Schwimmhalle, Shoppingcenter. Dafür musste ich sonst zwanzig Kilometer fahren.“ Seit knapp acht Wochen wohnt sie im Studierendenwohnheim am Park Babelsberg und schon jetzt lernt sie die Vorzüge der Landeshauptstadt zu schätzen. Hier muss man nicht lange suchen, um etwas zu unternehmen. Im Gegenteil, die meisten Angebote kommen eher von selbst auf einen zu. Was einem ansonsten noch fehlt, findet man dann meistens in Berlin.

Das ist in Zehdenick anders. Hier gibt es zwar drei Bowlingcenter, aber zum Beispiel keinen McDonald’s. „Weit unter der Wirtschaftlichkeitsgrenze“, erklärt Bürgermeister Dahlenburg. Vieles habe man schon versucht, um vor allem die jungen Leute in Zehdenick zu halten. Nicht jeder – besser gesagt, die wenigsten bekommen in der Kleinstadt einen Ausbildungsplatz. Deswegen werden Unternehmen, die Ausbildungsplätze anbieten, im ersten und zweiten Lehrjahr von der Kommune unterstützt. Auch das Zehdenicker Jugendwerk leistet Beachtliches und wird dafür öffentlich gefördert. Vielleicht konnte man so in den letzten Jahren den Bevölkerungsrückgang ein wenig eindämmen, der Bürgermeister spricht von „verlangsamter Schrumpfung“. Doch auch an Zehdenick ist der demografische Wandel, die gefürchtete Urbanisierung, nicht spurlos vorbeigezogen. „Man wünscht sich als Bürgermeister immer mehr“, beteuert Dahlenburg. „Aber solche Defizite können wir auch nicht alleine ausgleichen.“

Dass Christin in Zehdenick geboren ist, spielt für sie eigentlich keine Rolle. „Wenn ich aus Berlin kommen würde, dann wäre ich eben Berlinerin.“ – Doch in Zehdenick habe sie ihr ganzes Leben verbracht, habe sie ihre Familie und Freunde. Was es sonst noch Schönes in Zehdenick gibt? „Wir haben eine schöne Brücke, einen schönen Park.“ Die junge Frau überlegt einen Moment. „Was haben wir denn noch so Schönes?“ Als Jugendliche stehe man in Zehdenick oft einfach nur irgendwo rum, treffe sich mal. „So viel gibt es in Zehdenick nicht wirklich.“

Noch weiter von zu Hause wegziehen möchte sie erst einmal nicht. Es ist ihr wichtig zu wissen, dass sie ihre Familie und Freunde jedes Wochenende besuchen kann.

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