#noPolBBbg: Demonstration gegen das neue Brandenburger Polizeigesetz

Nachdem Bayern bereits im Mai 2018 das umstrittene Polizeigesetz beschlossen hatte, wurde auch in Brandenburg am 30. Oktober 2018 ein neues Polizeigesetz vom SPD/Linke-Kabinett beschlossen. Nun muss der Gesetzesentwurf im Landtag in zwei Lesungen beraten und gegebenenfalls überarbeitet werden, anschließend stimmt der Landtag darüber ab. Ein breites Bündnis aus 60 Unterstützer_innen ruft für den 10. November 2018 zu einer Demonstration gegen das geplante Brandenburger Polizeigesetz auf. Von Julia Hennig.

Der Kontext: Bundesweit neue Polizeigesetze notwendig

In den Polizeigesetzen werden die Aufgaben und Befugnisse der Polizei zur Gefahrenabwehr geregelt. Alle Bundesländer müssen aktuell ihre Polizeigesetze ändern, um die Änderungen der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) vom Mai 2018 und ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Bundeskriminalamt-Gesetz aus dem Jahre 2016 umzusetzen. Hierbei hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass der im neuen BKA-Gesetz festgeschriebene Einsatz von heimlichen Überwachungsmaßnahmen zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus zwar grundsätzlich verfassungskonform sei. Die Richter_innen hatten jedoch die Ausgestaltung dieser Befugnisse beanstandet, was die Voraussetzungen zur Durchführung dieser Maßnahmen sowie die Übermittlung der Daten betrifft.

In einem Artikel der Bundeszentrale für politische Bildung zu den neuen Polizeigesetzen kommentiert Markus Thiel, Professor für Polizeirecht an der Deutschen Hochschule der Polizei, die Änderungen der Polizeigesetze: „Manche Bundesländer weiten bei dieser Gelegenheit aber auch gleich die Rechte der Polizei aus – Bayern geht dabei besonders weit“. Ein weiterer Hintergrund der aktuellen Gesetzesänderungen ist der Beschluss der Innenministerkonferenz vom Juni 2017 (TOP 52, Ziffer 4) zur Erarbeitung eines Musterpolizeigesetzes. Dieses solle nach Angaben des Innenministeriums „hohe gemeinsame gesetzliche Standards und eine effektive Erhöhung der öffentlichen Sicherheit erreichen“.

Da dessen Ausarbeitung und Durchsetzung längere Zeit dauern wird, haben die einzelnen Bundesländer mit der Ausarbeitung von eigenen neuen Polizeigesetzen begonnen. Gemeinsamkeiten der neuen Polizeigesetze der einzelnen Bundesländer sind nach Darstellung des Bündnisses gegen das Brandenburger Polizeigesetz die „Vorverlegung des Eingriffszeitpunkts“ und die Erweiterung von Eingriffsbefugnissen mittels der Rechtsfigur der „drohenden Gefahr“ oder des „Gefährders. Das Bündnis fürchtet zudem, dass sich die einzelnen Polizeigesetze durch die gegenseitige Legitimation immer mehr verschärfen und den Polizeibehörden so breitere militärische und geheimdienstliche Befugnisse einräumen.

Was sind die geplanten Verschärfungen?

Nach der offiziellen Darstellung des Landes Brandenburg soll das neue Polizeigesetz an die aktuelle Terror- und Gefährdungslage in Deutschland und somit auch in Brandenburg sowie an die erforderlichen technischen Standards angepasst werden. Kernstück der geplanten Änderungen ist der § 28, der besondere Befugnisse zur Abwehr von Gefahren des Terrorismus enthält. Dieser erlaubt den Polizist_innen neben Identitätsfeststellungen sowie erkennungsdienstlichen Maßnahmen im öffentlichen Raum und automatischen Kennzeichenfahndungen auch eine Aufenthaltsvorgabe und Kontaktverbot auszusprechen. Demnach können Polizist_innen zur Abwehr einer Gefahr oder zur Verhütung von Straftaten Personen untersagen, sich von ihrem Wohn- oder Aufenthaltsort zu entfernen oder bestimmte Orte aufzusuchen und bestimmte Personen zu kontaktieren.

Außerdem können Polizist_innen, um „die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat“ zu verhindern, Personen bis zu zwei Wochen mit einer möglichen Verlängerung um zwei Wochen statt wie bisher nur vier Tage in Gewahrsam nehmen (§ 28d). Wie die meisten Regelungen in dem Paragraphen steht diese Befugnis unter dem sogenannten Richtervorbehalt, nach dem diese Maßnahmen vorher erst durch ein Gericht angeordnet werden müssen.

Eine weitere wichtige Neuerung ist die Quellen-Telekommunikationsüberwachung (kurz: Quellen-TKÜ) im § 28d, die Polizist_innen erlaubt, ohne das Wissen der betroffenen Person deren Kommunikation, wie WhatsApp-Nachrichten, vor der Verschlüsselung oder nach der Entschlüsselung der Daten mitzuschneiden. Betroffen sind hierbei nicht nur potenzielle Straftäter_innen, sondern auch deren Kontakt- und Begleitpersonen. Alle geplanten Änderungen könnt ihr hier im Original des Gesetzesentwurfes nachlesen sowie auf der Seite des Bündnisses im Kapitel „Fragen und Antworten“.

Wie geht es mit dem Gesetzesentwurf weiter?

Nachdem das SPD/Linke-Kabinett unter Innenminister Karl-Heinz Schröter am 30. Oktober den Gesetzesentwurf beschlossen hatte, muss dieser nun in zwei Lesungen beraten und gegebenenfalls überarbeitet werden, anschließend stimmt der Landtag darüber ab. Während dieser Zeit können die Abgeordneten Informationen und Gutachten einholen sowie Expert_innen und Vertreter_innen betroffener Interessen anhören. Aktuell verfügt die Regierungskoalition aus SPD und Linke über 47 der 88 Stimmen im Landtag. Während die CDU nach einem Artikel der MAZ weitreichendere polizeiliche Befugnis fordert, gehen den Grünen die geplanten Befugnisse zu weit. Keine Mehrheit gab es im Kabinett für eine Online-Durchsuchung und Fußfesseln für Gefährder_innen.

Kritik am neuen Brandenburger Polizeigesetz

Das Bündnis gegen das neue Brandenburger Polizeigesetz sieht die neuen Änderungen als Angriff auf grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien wie die Unschuldsvermutung sowie die Gewaltenteilung zwischen Polizei und Geheimdiensten. Es kritisiert in seinem Aufruf, dass die geplanten polizeilichen Befugnisse die Grund- und Persönlichkeitsrechte „im Gewand der Terrorabwehr“ weitgehend einschränken. Zwar stehen die meisten Befugnisse unter dem sogenannten Richtervorbehalt, jedoch seien diese nach der Meinung der Kritiker_innen nicht ausreichend. Die richterlichen Beschlüsse würden oft unter Zeitdruck sowie nur auf Basis der Informationen der Ermittlungsbehörden ausgestellt. Außerdem ersetze ein richterlicher Beschluss einer Ingewahrsamnahme kein „ordentliches“ Gerichtsverfahren, bei dem Staatsanwaltschaft und Verteidigung für ihre jeweiligen Positionen argumentieren können.

Konkret im Alltag betreffen würde das Polizeigesetz alle Bürger_innen durch die erweiterte Identitätsfeststellung nach § 12, bekannt als „Schleierfahndung“. Demnach ist eine Identitätsfeststellung und mögliche Untersuchung der Verdächtigen nicht mehr nur in einem Radius von 30 Kilometern entlang der Bundesgrenze, sondern auch auf Durchgangs- und Transitstraßen sowie Raststätten möglich. Das Bündnis kritisiert hieran auf Nachfrage, dass nach der bisherigen Erfahrung „vor allem Menschen kontrolliert, gegängelt und durchsucht werden, deren Hautfarbe nicht als weiß wahrgenommen wird oder die vermeintlich „anders“ aussehen“. Daher befürchten die Kritiker_innen, angesichts der anstehenden Landtagswahlen im kommenden Jahr, dass das neue Polizeigesetz unter einem möglichen brandenburgischen AfD-Innenminister „rücksichtslos politisch aktive, migrantische und weitere aus rechtsextremer Sicht unliebsame Menschen verfolgen“ würde.

Aufruf zur Demonstration am 10.11.2018

Daher ruft ein breites Bündnis von über 60 Unterstützer_innen, darunter auch der AStA der Uni Potsdam und das KuZe, für Samstag, den 10. November, zu einer Demonstration gegen das neue Brandenburger Polizeigesetz auf. Die Demonstration wird nach einem halbstündigen Auftakt um 13:30 Uhr am Bahnhof Charlottenhof starten und vorbei am Innenministerium und Landtag bis zur Staatskanzlei hinter dem Potsdamer Hauptbahnhof ziehen. Die Organisator_innen rufen hierbei alle Brandenburger_innen zur Teilnahme auf: „Es ist wichtig, heute für die Freiheits- und Grundrechte einzustehen, um später nicht sagen zu müssen: Hätten wir doch damals dieses krasse Polizeigesetz verhindert, hätten die Rechten es nicht so leicht, uns das Leben zur Hölle zu machen.“

Das Bündnis gegen das neue Brandenburger Polizeigesetz ruft auch die Studierenden zur Demonstration auf, da das neue Gesetz einen grundlosen und unverhältnismäßigen Eingriff in deren Grundrechte darstelle. Bei Personenkontrollen könnten hier besonders Studierende aus anderen Ländern oder mit linkspolitischen Zeichen angehalten werden, die die Polizist_innen von ihren Vorurteilen geleitet für Straftäter_innen halten. Von den polizeilichen Befugnissen nach § 28 könnten besonders Studierende, die sich politisch engagieren, betroffen werden und so durch Meldeauflagen nicht an Demonstrationen teilnehmen können.

Auf Anfrage erläuterte das Bündnis zudem, dass bei einer Quellen-TKÜ die brandenburgische Polizei nicht nur die digitalen kritischen Hausarbeiten und politischen Essays sowie kontroverse Diskussionen des betroffenen Studierenden mitanhören und mitlesen könnte, sondern durch die moderne digitale Vernetzung auch die der Kommiliton_innen der Lerngruppe. Daher schlussfolgern die Kritiker_innen: „Wenn sich das gesellschaftliche Klima und die Regierung ändert, führt das schnell zu Repressalien und zu drastischen Einschränkungen in Wissenschaft, Forschung und freier Presse – das kennen wir aus der NS-Zeit.“

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