Potsdam, die Stadt der Studierenden. So würde sie sich selber gerne sehen. Allerdings tut Potsdams Politik auffällig viel dagegen, dieses Image zu verteidigen: Hohe und höher werdende Mieten, zu wenige Wohnheimplätze, der Wegfall des Begrüßungsgeldes, die Schließung des „Archiv“s – dabei könnte Potsdam doch! Potenzial ist jedoch nichts wert, wenn es nicht genutzt wird. Kommentar von Sarah Emminghaus.
Potsdams Mieten steigen – unaufhörlich. Es gibt zu wenige Wohnheimplätze – auf 25.000 Potsdamer Studierende kommen nur 2.356 Wohnheimplätze in der Landeshauptstadt. Das Begrüßungsgeld von 50 Euro, das seit 2001 Studierenden, die ihren Hauptwohnsitz in Potsdam anmeldeten, je Semester zustand – weggefallen. Das „Archiv“, einer der wenigen kulturellen und alternativen Treffpunkte Potsdams, ist geschlossen – und wird mit mehr und mehr Auflagen belastet, die für immer höhere Mehrkosten sorgen.
Fangen wir mit dem für uns alle Studierenden offensichtlichen an: Potsdams Mieten werden immer höher. Dies ist keine Übertreibung; in den letzten beiden Jahren handelte es sich zwar durchschnittlich nur um 41 Cent pro Quadratmeter, wie aus dem Mietspiegel 2012 hervorgeht, allerdings steigen sie dennoch seit Jahren kontinuierlich – erheblich höhere, als es die Inflationsrate erwarten ließe. Dies dürften die Potsdamer Studierenden gemerkt haben, schließlich wohnt von ca. 25.000 Studierenden, die in Potsdam eingeschrieben sind, nur rund jede_r Fünfte in der Stadt ihrer Hochschule. Die Online-Umfrage „Studentisches Wohnen“ in Potsdam liefert dazu interessante Erkenntnisse und Gründe. Etwa 1.000 Studierende haben an der Umfrage teilgenommen, darunter überproportional viele in Potsdam Ansässige. Dennoch geben rund 250 derer, die nicht in Potsdam wohnen, als Grund dafür an: „geringere Wohnkosten am Wohnort als in Potsdam“. Und von den Potsdamer Teilnehmer_innen sind 48 Prozent nicht vollkommen zufrieden mit ihrer Wohnsituation – aufgrund des Mietpreises. Bei den Nicht-Potsdamer_innen beläuft sich diese Zahl nur auf 28 Prozent. Eine weitere erschreckend hohe Zahl ist die des durchschnittlichen Potsdamer Quadratmetermietpreises bei den befragten Studierenden: Er beläuft sich auf 10,50 Euro. All diese Angaben werfen kein gutes Licht auf Potsdam – vor allem als Student_innen-Stadt.
Dazu trägt bei, dass nur rund 2.400 Studierende in Potsdams Wohnheimen Platz haben. Zieht man diese ab von den insgesamt nur 5.000 in der Unistadt Wohnhaften, bleiben nur etwa 2.600 Studierende übrig, die in Potsdam, aber nicht im Wohnheim wohnen. Das spricht gegen Potsdams Charme und Mieten – und vor allem gegen sein Image.
Bestandteil dieses gern propagierten Images war ebenfalls, 50 Euro pro Semester als Begrüßungsgeld auszuzahlen, wenn Potsdam als Hauptwohnsitz gemeldet wird. Dieser Luxus gehört allerdings der Vergangenheit an, wie die Stadt im Februar in einer Pressemitteilung verkündete. Der Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) zeigt sich verärgert gegenüber dieser Neuerung. „Die hohen Mieten in der Stadt machen ein für Studierende bezahlbares Wohnen alles andere als selbstverständlich, sodass diese kleine Unterstützung für den Umzug nach Potsdam eine vernünftige Maßnahme gewesen ist“, beklagt Vivian Reddersen vom Pressereferat. Denn mit der Streichung des Zuschusses schneidet sich Potsdam selbst ins Fleisch: Bekannt ist, dass Potsdams Flair nur zu häufig von dem des nahen Berlins verdrängt wird. Das Begrüßungsgeld war einer der Anreize, Potsdam statt Berlin als Wohnort zu wählen. Dass die Studis aus Potsdam wegziehen, kostet die Stadt nicht nur ihr studentisches Image, sondern auch erhebliche Steuereinnahmen – so macht die Stadt mit nur einer „Spar“-Maßnahme gleich doppelt Miese.
Zu den Gründen, Berlin vorzuziehen, gehört offensichtlich das große Kulturangebot der Bundeshauptstadt. Dem kann und muss Potsdam entgegenwirken, wenn es attraktiv für seine Studierenden sein will; die Schließung des alternativen Treffpunktes „Archiv“ trägt nicht dazu bei. Bereits seit Jahren wird die Betriebserlaubnis der soziokulturellen Einrichtung immer nur temporär verlängert, im Dezember 2012 lief sie das letzte Mal aus. Wegen notwendiger Baumaßnahmen wurde daraufhin der Veranstaltungsbetrieb eingestellt. Zunächst hieß es, wenn die 50.000 Euro, die zum Beheben der Sicherheitsmängel notwendig sind, aufgebracht werden können, kann das „Archiv“ Ende April wieder öffnen. Vor wenigen Wochen seien jedoch zusätzliche Mängel festgestellt worden, teilte das „Archiv“ mit. Um diese zu beheben, seien weitere 40.000 Euro nötig, die nicht kurzfristig aufgebracht werden könnten. Außerdem verweigere die Stadt Potsdam zugesagte Gelder weiterhin und verhindere somit, dass das „Archiv“ zeitnah wieder öffnen könne.
Potsdam könnte. Es hat mit dem Neuen Palais einen wunderschönen Campus und damit auch einen attraktiven Wohnort, außerdem eine lebendige Innenstadt und vielfältige Kulturangebote, die ein besonderes Flair schaffen, und auch die Nähe zu Berlin könnte endlich einmal als Bonus und nicht als Bürde angesehen werden – schließlich fehlt Berlin die gemütliche Student_innen-Stadt-Atmosphäre. Mit dieser könnte Potsdam trumpfen. Aber hohe Mieten, wenige Wohnheimplätze und fehlende Unterstützung von Einrichtungen wie dem „Archiv“ wirken der Nutzung dieses Potenzial erfolgreich entgegen. Und was bleibt übrig von ungenutztem Potenzial? Nichts.
2 Antworten auf „Das liebe Potenzial“