Am Samstag, den 8. Juni 2013, fand in Potsdam die Auftaktveranstaltung „Tausend Fragen, eine Stadt“ zur am selben Tag stattfindenden „Langen Nacht der Wissenschaften“ statt. So erwartete alle Besucher_innen von 11 bis 18 Uhr ein abwechslungsreiches Veranstaltungsprogramm, das Entdeckungsfreude wecken sollte. Wie kam der Potsdamer Tag der Wissenschaften an und welche Fragen warf die Veranstaltung auf? Von Fabian Lamster.
Während ich am 8. Juni an der Lindenallee in Potsdam aus dem Auto steige, nehme ich, aufgrund des Platzregens, der Potsdam am Morgen überraschte, den Geruch der Natur wahr. In der Nähe läuft Rockmusik und ein paar Meter vor mir kämpfen einige Leute mit dem Aufbau einer Hüpfburg, während im Hintergrund das Haus 11 und der historische Bogen am Neuen Palais die ersten Sonnenstrahlen willkommen heißen.
Laute Musik? Hüpfburg? An der Uni? Exakt. Die Universität putzt sich heraus für den Potsdamer Tag der Wissenschaften und die Veranstaltung „Tausend Fragen, eine Stadt“, die in Potsdam am Neuen Markt, am Neuen Palais, dem Wissenschaftspark Golm sowie am Campus Pappelallee der Fachhochschule Potsdam stattfindet.
Dabei steht allen Gästen ein breitgefächertes Angebot an Veranstaltungen zur Verfügung, bei dem Hochschulmitarbeiter_innen in Lesungen, mit Präsentationen, Live-Experimenten oder spielend ihre Gäste in die weite Welt der Wissenschaft entführen möchten. Egal ob die Kurzfilmhighlights der Hochschule für Film und Fernsehen, ein mittelalterliches Wissenslabyrinth, das Phänomen des Speedreadings oder eine Zukunftsprognose zum öffentlichen Personennahverkehr Potsdams im Jahr 2025: Für jede_n Teilnehmer_in ist etwas dabei. Auch die speakUP lud zu einem Mitmachexperiment ein. – Mehr zum Thema.
Grosses Veranstaltungsangebot, überschaubare Nachfrage
Als gegen 11 Uhr alle Veranstalter_innen in froher Erwartung auf die kommenden sieben Stunden und dem damit verbundenen Austausch mit meist fachfremden Menschen sind, trudeln nach und nach am Neuen Palais die ersten Gäste ein, schauen sich um, spazieren über den Campus oder lassen sich vom Studentenwerk ein kleines Mittagessen servieren.
Mit zunehmender Zeit präsentieren sich die verschiedenen wissenschaftlichen Fachrichtungen, kommen mit Gästen ins Gespräch und versuchen sie von ihrem Studienfach, dem mühselig erarbeiteten Projekt oder einem neuartigen wissenschaftlichen Gedanken zu begeistern, den sie zum Beispiel in Podiumsdiskussionen mit ihnen gemeinsam erörtern. Die Teilnehmer_innenzahl hält sich dabei am Nachmittag in überschaubarem Rahmen. So besuchen zwar durchaus noch neue Gesichter die Veranstaltung, doch insgesamt bleibt die Realität vielerorts hinter den Erwartungen zurück.
Tausend (offene) Fragen, eine Stadt
Ob sich der Gesamtaufwand für alle Beteiligten letztlich lohnte, kann jede_r für sich selbst überlegen. Es dürften jedoch, speziell durch die Besucher_innenzahlen, einige interaktive Präsentationen, Live-Experimente etc. nicht in dem Ausmaß zur Entfaltung gekommen sein, wie es bei entsprechend höheren Gästezahlen möglich gewesen wäre. So konstatiert „Tausend Fragen, eine Stadt“-Projektleiter Uwe Stamnitz, dass „sich nicht alle unsere Erwartungen, insbesondere mit Blick auf die Besucherzahlen, erfüllt[en]. Hier gibt es künftig mit Sicherheit noch Potentiale, die möglicherweise über veränderte Veranstaltungszeiten auszuschöpfen sind.“
Vielleicht hätte die Veranstaltung höhere Besucherzahlen erzielt, wenn der Campus Griebnitzsee als fünfter Wissenschaftsstandort mit eingebunden worden wäre? So fehlte er gänzlich am Veranstaltungsprogramm von „1000 Fragen, eine Stadt“, obwohl Griebnitzsee durch seine Anbindung an das Zugnetz und die Nähe zu Berlin bei potenziellen Gästen hätte punkten können. Grund dafür sei laut Universitätssprecherin Birgit Mangelsdorf, dass es „in Griebnitzsee nur sehr schwierig darstellbare und vermittelbare Forschungsprojekte“ gäbe und die „Einbeziehung aller Standorte einfach über unsere Kräfte hinausgeht, finanziell wie organisatorisch“.
Pro Auftaktveranstaltung, kontra „Lange Nacht“
Gleichermaßen bleibt hinterfragbar, weswegen Potsdam eine Auftaktveranstaltung für die „Lange Nacht der Wissenschaften“ ausrichtet, aber an der abendlichen Hauptveranstaltung von den drei Campi der Universität Potsdam kein einziger teilnimmt, obwohl – das zeigt das Programm bei „1000 Fragen, eine Stadt“ – die Wissenschaft dort floriert.
Eine Entscheidung pro Auftaktveranstaltung und kontra „Lange Nacht der Wissenschaften“ begründet Universitätssprecherin Mangelsdorf insofern, als dass Potsdam keine „Nachtschwärmer-Stadt“ sei und an den verschiedenen Universitätsstandorten die gastronomischen Einrichtungen, also Bars, Clubs und Restaurants fehlen, die man vor oder nach dem nächtlichen Abstecher zur Uni noch besuchen könnte. Darüber hinaus richtete sich „Tausend Fragen, eine Stadt“ speziell an junge, wissenschaftsinteressierte Menschen, die zumeist die späten Veranstaltungszeiten sowie der Eintritt der „Langen Nacht der Wissenschaften“ abschreckten, der bei 13 Euro für das Einzelticket bzw. 25 Euro pro Familienticket lag: „Unser Publikum ist ein Familienpublikum. Gerade für die Familien mit kleinen Kindern war die Veranstaltungszeit ein Problem, da ihnen nur ein relative kurzes Zeitfenster für den Besuch der Einzelveranstaltungen blieb“, so Universitätssprecherin Mangelsdorf.
Da zudem in den letzten Jahren bei der „Langen Nacht der Wissenschaften“ die Besucher_innenzahlen aus Berlin hinter den Erwartungen zurückblieben, habe man lieber eine kostenfreie Auftaktveranstaltung organisiert, „die den Bedürfnissen unseres Publikums besser gerecht wird und einen weitaus größeren Überblick über die Vielfalt von Forschung und Lehre im Land Brandenburg gewährt.“
Dass sich „Tausend Fragen, eine Stadt“ trotz aller Bemühungen, Überlegungen und Planungen nur einer geringen Besucher_innennachfrage erfreute, verdeutlicht, wie schwierig es ist, Wissenschaft und Forschung in Brandenburgs Landeshauptstadt an das Publikum zu bringen. So bleibt zu hoffen, dass die Veranstalter_innen von „Tausend Fragen, eine Stadt“ insgesamt die richtigen Konsequenzen aus der diesjährigen Auftaktveranstaltung ziehen, damit Potsdams Wissenschaftsstandorte im nächsten Jahr mehr Gäste begrüßen und wissenschaftliche Projekte und Engagements besser zur Geltung kommen können, als das in diesem Jahr der Fall war. Denn Hüpfburgen und Livemusik reichen eben nicht, um Studienwie Forschungsinteressierte und Familien am Wochenende an Potsdams Wissenschaftsstandorte zu locken.