Maximale Arbeit, minimale Vergütung

Praktika gehören mittlerweile zu vielen Studiengängen pflichtmäßig dazu. Sie sollen uns Student_innen eine Orientierung geben, ob die Berufsrichtung, die wir anstreben, auch wirklich unseren Vorstellungen entspricht. Zugleich sind sie eine Belastung, weil sie oft nicht vergütet werden. So entsteht ein Interessenkonflikt: Entscheidet das Herz oder der Geldbeutel bei der Praktikumswahl? Von Fabian Lamster.

Jede_r Student_in soll schon während des Studiums mehrere Praktika absolvieren. Die berufsorientierten Praktika gewinnen für viele Studis trotzdem erst nach dem erfolgreichen Abschluss des Studiums an Bedeutung. Dennoch geht die Tendenz dahin, dass sich Praktika immer mehr zu festen Bestandteilen der Lehr- und Studienpläne entwickeln. So können beispielsweise die Natur-, Technik- oder auch Gesellschaftswissenschaften von Labor- oder Empiriepraktika berichten, bei denen sie nicht nur trockene Theorie aufbereiten, sondern sie ebenso auf die Praxis anwenden. Diese Formen von Praktika sind dort üblich und stehen ganz im Zeichen der Lehre und Wissenschaft.

Anders sieht die Situation bei hochschulexternen Praktika aus, bei denen sich die universitäre Lehre nach außen verlagert. Da für Unternehmen keine überregional festgelegten Praktikumsbestimmungen existieren, die eine Arbeitsqualität für jeden Praktikanten sichern, können die Erlebnisse und Eindrücke von Praktika nach wie vor stark variieren. Ob die externen Hochschulpraktika also tatsächlich für die von der Universität anvisierten Lernerfolge, Kompetenzerweiterungen und Einblicke in die Arbeitswelt sorgen, ist häufig unklar – genauso wie die finanzielle Situation bei solchen Arbeitsverhältnissen.

Problem Praktikum – Ohne Bezahlung, ohne mich?

Denn egal ob berufsorientierte Praktika vor, im oder nach dem Hochschulstudium: durchschnittlich 40 Prozent solcher Praktika verzichten laut „Praktikantenreport 2012“ von meinpraktikum.de und „Generation Praktikum 2011“ der DGB-Jugend gänzlich auf eine Vergütung. Vor allem im öffentlichen Sektor sowie in der Bildungs- und Gesundheitsbranche und im Medienbereich geht die Bezahlung von Praktikant_innen gegen null. Das versetzt vor allem diejenigen in Sorge, die durch Miete und Lebenshaltungskosten auf ein geregeltes monatliches Einkommen angewiesen sind. Für sie ist dann zur Absicherung der Lebensgrundlagen neben dem oft schon anstrengenden Praktikum noch ein zusätzlicher Nebenjob notwendig – eine kaum stemmbare Herausforderung.

Die gegenwärtige Situation ist auch die Folge davon, dass es deutschlandweit bis heute keine geregelte Mindestvergütung für Praktika gibt. Dass ein zusätzlicher Nebenjob einem wiederum die in ihrem regenerativen Wert nicht zu unterschätzende Freizeit raubt und damit Studis wie Praktis Probleme in Form von Überarbeitung und prekärer Lebensverhältnisse bereitet, ist die logische Konsequenz.

Aus diesem Grund begeben sich viele Praktikant_innen eher in eine finanzielle Abhängigkeit. Laut „Generation Praktikum 2011“ sind für 56 Prozent der Studierenden die Eltern die erste Anlaufstelle, bevor sie auf eigene Ersparnisse (43 Prozent), die finanzielle Unterstützung der Partnerin bzw. des Partners (23 Prozent) oder auf Sozialleistungen (22 Prozent) zurückgreifen. Nachvollziehbarerweise wählt die Mehrheit lieber eine dieser Optionen, als sich über mehrere Monate um Kopf und Kragen zu arbeiten. Des Weiteren können sie sich dann auch wieder auf ihre eigenen Interessen und Stärken besinnen, ohne bei Praktikumsausschreibungen den Fokus permanent auf das Gehalt zu legen. So scheint es, als glichen angemessen bezahlte Praktika einer utopischen Vorstellung.

Permament un(ter)bezahlt – Geht das nicht auch anders?

Dabei sollte es doch auch im Interesse der Arbeitgeber_innen sein, wenn sie Praktikant_innen, die laut „Generation Praktikum 2011“ zu 81 Prozent in ihren Praktika vollwertige Arbeit übernehmen, auch angemessen bezahlen. So können diese wiederum ihren individuellen Lebensstandards nacheifern und gehen ihren Aufgaben um einiges motivierter an. Darüber hinaus veranschaulicht der Praktikantenreport 2012: Die Vergütung geht mit der Zufriedenheit der Praktikant_innen einher. So waren 45,9 Prozent mit ihrem Praktikum unzufrieden, wenn es keinerlei Grundgehalt gab. Im Umkehrschluss heißt das: Steigt das Praktikant_innen-Gehalt, steigt auch das Wohlbefinden im Praktikum.

Schon ein (immer noch viel zu geringes) Gehalt zwischen 200 und 500 Euro sorgt bei fast drei Vierteln aller Praktikant_innen für allgemeine Zufriedenheit. Selbst längere Arbeitszeiten stellen in diesen Fällen ein geringeres Problem dar. Sie begünstigen dann sogar u.a. die innerbetriebliche Einarbeitung und sorgen für entsprechende Lernerfolge. Zwar gibt es auch eine Minderheit an Branchen, in denen ein festes Honorar oft zum Standard gehört. Doch regiert nach wie vor die permanente Unterbezahlung bei Praktika, die viele in eine finanzielle Bredouille bringt.

Dabei sollte eigentlich klar sein: Geld darf kein Hauptargument für oder gegen ein berufsorientiertes Praktikum sein. Natürlich ist eine Kombination aus angemessenem Praktikumsgehalt sowie interessanter Arbeit der Optimalfall. Gibt es jedoch auch gar keine Vergütung, ist das kein Grund, dem Praktikum gleich den Rücken zu kehren. Stellen hochschulexterne Praktika gegenwärtig doch sowieso meistens nur erste berufsbezogene Tätigkeiten dar, mit denen man sich auf potenzielle, spätere Festanstellungen vorbereitet.

Außerdem stehen Student_innen, die ein Studienfach ohne konkretes Berufsziel absolvieren, heute unzählige Türen offen. Das erschwert die genaue Berufswahl, sorgt aber ebenfalls für vielfältige Möglichkeiten. So unterstützen unbezahlte Praktika die individuelle Berufssuche und tragen dazu bei, herauszufinden, bei welcher Tätigkeit ich meine individuellen Stärken und Interessen bestmöglich zur Entfaltung bringe. Insgesamt eine Tatsache, die sich weder mit null noch mit fünfhundert Euro Gehalt aufwiegen lässt. Trotzdem – schon aus Gründen der Wertschätzung der Arbeit – wäre ein bundesweiter Mindestlohn für Absolvent_innen von Praktika vonnöten, ohne den man gegenwärtig aber nicht vor reizvollen wie erkenntnisreichen unvergüteten Tätigkeiten zurückschrecken sollte.

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