Urabstimmung auf Abwegen?

Parallel zu den Hochschulwahlen wurde vom 18. und 20. Juni an der Uni Potsdam auch eine studentische Urabstimmung abgehalten. Doch im Vorfeld wurden Zweifel laut, ob bei der Bekanntmachung und Beteiligung der Studierendenschaft alles mit rechten Dingen zugegangen war (speakUP berichtete online). Manche möchten nun die Urabstimmung anfechten und so rechtliche Klarheit schaffen. Von Denis Newiak.

Wenn die Studierenden zur Urabstimmung aufgerufen sind, geht es um wichtige Themen: In der Vergangenheit stimmten die Studierenden über das Studentische Kulturzentrum (KuZe) oder das Semesterticket direkt ab und konnten so mit ihrer Stimme unmittelbar Einfluss auf weitreichende Entscheidungen nehmen. Vom 18. bis 20. Juni sollten die Studierenden nun darüber entscheiden, ob Sie einem langfristigen „Investitionsplan“ des AStAs zustimmen oder nicht. So wolle der AStA in den nächsten vier Jahren insgesamt 240.000 Euro mehr ausgeben, um auf diese Weise die angewachsenen Rücklagen der Studierendenschaft abzutragen.

Die Rücklagen waren zuvor gebildet worden, um finanzielle Risiken, die durch den eigenen Betrieb des Studentischen Kulturzentrums („KuZe“) entstehen könnten, abfedern zu können. 2008 hatte der Landesrechnungshof noch gefordert, die Studierendenschaft solle eine solche Rücklage aufbauen. Doch nun rügt der Landesrechnungshof und mit ihm die Universitätsleitung das große Vermögen der Studierendenschaft: Würde das Geld nicht bald abgebaut werden, müssten die Beiträge der Studierenden (derzeit 10 Euro pro Semester) zwangsweise reduziert werden. Um diesen starken Eingriff in die Autonomie der Studentischen Selbstverwaltung zu verhindern, wäre eine unmittelbare und transparent zustande gekommene Legitimation der Investitionspläne ideal.

Doch so transparent, wie es die Satzung der Studierendenschaft fordert, verlief die Urabstimmung anscheinend nicht: Im Vorfeld teilten Studierende der Universität Potsdam der „speakUP“ mit, sie hätten erhebliche Zweifel an der Rechtsmäßigkeit der Urabstimmung und listeten formale Mängel bei der Durchführung auf. So seien die Anforderungen durch die Satzung nicht gänzlich erfüllt worden: Fristen seien verpasst und die Studierenden nicht angemessen informiert und beteiligt worden. siehe Bericht vom 17. Juni unter speakup.to

Für die ordnungsgemäße Durchführung von Wahlen und Urabstimmungen ist der Studentische Wahlausschuss (StWa) zuständig. Bei ihm können laut Satzung der Studierendenschaft nicht nur der AStA, sondern auch das Studierendenparlament, die Fachschaften oder auch drei Prozent der Mitglieder der Studierendenschaft eine Urabstimmung verlangen (§25, Abs. 1). Im Anschluss muss der StWa „innerhalb einer Woche eine Bekanntmachung zum Sachverhalt“ veröffentlichen, damit die Studierendenschaft die Möglichkeit hat, „ergänzende oder alternative Fragen“ zum Thema stellen zu können (Abs. 2 und 3). Der StWa formuliert dann nach weiteren sieben Tagen „in Rücksprache mit den AntragstellerInnen“ eine neue Fassung des Antrags oder lässt – wenn keine Einigung möglich ist – „alle Anträge unabhängig voneinander“ abstimmen (Abs. 3 und 4). Spätestens drei Wochen nach der Bekanntmachung wird die Studierendenschaft zur Abstimmung gerufen.

Gerade weil die Entscheidungen aus einer Urabstimmung – ähnlich wie bei einer Volksabstimmung – so weitreichende Folgen für einen großen Teil der Abstimmungsberechtigten haben können, sieht die Satzung strenge Regelungen zu Bekanntmachung und Beteiligung der Studierendenschaft vor, Transparenz und Partizipation stehen an vorderster Stelle dieses klar geregelten Verfahrens. Doch ob diese Regelungen bei der zurückliegenden Urabstimmung korrekt angewandt wurden, bleibt weiter zweifelhaft.

Noch einen Tag vor Beginn der Urabstimmung konnte nicht sicher geklärt werden, ob bzw. wann die Durchführung der Urabstimmung überhaupt vom AStA beim Studentischen Wahlausschuss beantragt wurde. Aus dem genauen Datum
der Antragsstellung ergeben sich die Fristen für Veröffentlichung und Beteiligung – Protokolle und genaue Aussagen dazu aber lagen noch nicht vor. Erst nachträglich, am zweiten Tag der Urabstimmung, teilte der AStA in einer Stellungnahme mit, er hätte den Eingang des Antrags von Benjamin Stahl, stellvertretendem Vorsitzenden des StWa, am 22. Mai bestätigt bekommen, einen Tag nach dem eigenen Beschluss. Somit hätte die Veröffentlichung der Sache durch den StWa spätestens am 29. Mai stattfinden müssen. Doch dem AStA zufolge sei eine erste „Veröffentlichung“ erst am 31. Mai erfolgt – und diese auch nur als externer Link, der über die interne Mailingliste des Studierendenparlaments verschickt wurde. Die Mailingliste dient vor allem der Kommunikation von Angelegenheiten des Studierendenparlaments. Insgesamt erreicht die Liste 69 Personen – fast ausschließlich AStA- sowie aktuelle und ehemalige Stupa-Mitglieder, teilte das Präsidium des Studierendenparlaments mit. Die Wenigsten seien Studis ohne Mandat oder Funktion. Sollte eine EMail über diese Liste als Veröffentlichung gelten, wäre auch eine Volksabstimmung öffentlich bekannt gemacht worden, wenn die Mitglieder von Landtag und Landesregierung dazu über die Hauspost einen Brief bekommen hätten.

Ab 5. Juni soll laut AStA dann ein „Wahlheft“ mit Informationen zur Urabstimmung und zu den zur Stupa-Wahl kandidierenden Listen in einer Auflage von 7.000 Exemplaren verteilt worden sein. Interessanterweise stimmte das Studierendenparlament aber erst am Abend des 4. Juni über die Finanzierung des Wahlheftes ab – Bestellung, Druck und Verteilung hätten über Nacht stattfinden müssen, um den angegebenen Termin halten zu können. So bleibt es höchst fraglich, warum für die Bekanntmachung nicht die von der Rahmenwahlordnung vorgesehenen und üblichen Mittel verwendet wurden. So heißt es dort unter § 11, dass „Wahlen im Internet, durch Aushang und in sonst geeigneter Weise universitätsöffentlich bekannt“ gegeben werden müssen. Das kann wohl auch für die Verfahrensweise bei Urabstimmungen gelten. Warum wurde also nicht, wie beispielsweise im Jahr 2011 bei der universitätsweiten Abstimmung über das Semesterticket, nicht die von allen Studierenden automatisch bezogene Student-list genutzt? Über sie erfolgte auch die Bekanntmachung der Studierendenparlamentswahlen. Warum wurden offensichtliche und gängige Möglichkeiten nicht genutzt, um möglichst alle Studierenden gleichermaßen und rechtzeitig zu informieren? Es verwundert somit auch nicht, dass das Studierendenparlament laut AStA die einzige Einrichtung bleibt, die sich an der Diskussion des Antrags wirkungsvoll beteiligt hat – schließlich waren die Mitglieder der Stupa-Mailingliste die einzigen, die von dem Antrag etwas mitbekommen konnten. Was vom AStA also als Beweis für die korrekten Beteiligungsmöglichkeiten der gesamten Studierendenschaft angeführt wird, unterstreicht vielmehr die Mängel, die bei der Bekanntmachung und Beteiligung aufgetreten zu sein scheinen.

Dass der Studentische Wahlausschuss erst am 5. Juni mit der Veröffentlichung des Wahlheftes begonnen haben will, erklärt der AStA damit, dass der Wahlausschuss erst am 30. Mai „die Vervollständigung des Antrages“ erhalten hätte und daher erst „mit diesem Datum von einer Auslösung der Frist ausgegangen“ sei. Wieso der AStA aber seinen Antrag anscheinend unvollständig eingereicht hatte, weshalb ihm der StWa dennoch am 22. Mai den Eingang des Antrags bestätigt hatte und warum der StWa dennoch nicht rechtzeitig seine Pflicht zur Veröffentlichung des vorliegenden Antrags wahrnahm und so Zeit verstreichen ließ, die von den Studierenden zur Beteiligung am Verfahren hätte genutzt werden können, bleibt unbeantwortet.

„Es gelingt dem AStA in seiner Darstellung nicht, die von der speakUP aufgeworfenen Fragen und Unstimmigkeiten schlüssig zu erklären und Zweifel auszuräumen. Vielmehr wird zunehmend deutlich, dass die Veröffentlichung zur Urabstimmung zu spät erfolgte (was der AStA auch zugibt) und die ‚Bekanntmachung’ gerade unter Berücksichtigung der vergleichbaren Wahlbekanntmachung nicht als Bekanntmachung im Sinne der Satzung zu bewerten ist“, analysiert Jonathan Metz, ehemaliger AStA-Referent für Verkehr, die Darstellung des AStAs. Durch die faktisch für Fachschaftsräte und Studierende zum Großteil nicht wahrnehmbare Veröffentlichung seien die mögliche Einbringung von Alternativvorschlägen verhindert und somit auch das Ergebnis der Abstimmung verzerrt worden. Nicht nur er möchte nun die Urabstimmung beim Studentischen Wahlausschuss anfechten. „Alle engagieren sich ehrenamtlich so gut sie können. Fehler passieren, das ist kein Problem. Entscheidend sind aber das Demokratie-, Rechts- und Amtsverständnis und wie mit der Studischaft als Legitimationsquelle umgegangen wird. Völlig inakzeptabel sind Haltung und Trickserei, die aus der Stellungnahme des AStAs sprechen. Wahlformalia schützen die Rechte aller Studis. Sie sind eben nicht egal. Soetwas untergräbt Vertrauen. Aus dem Tal der Transparenz- und Mitmachkultur sollten wir ohnehin schnell wieder raus“, meint Enrico Schicketanz, einstiger AStA-Sozialpolitikreferent, der sich eine Anfechtung vorbehält.

Sollte der Studentische Wahlausschuss die Prüfung der Abstimmung ablehnen, müssten Beanstandungen an die Rechtsaufsicht der Universitätsleitung gerichtet werden. Diese wollte sich bis Redaktionsschluss zu den Vorgängen nicht äußern.

Mehr Infos
Der Artikel vom 17. Juni findet sich hier. Die erwähnte Stellungnahme dazu veröffentlichte der AStA dazu auf seiner Homepage hier. Dort finden sich auch ein Teil der Protokolle und die Satzungen.

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