Balanceakt auf dem Universitätsball: Treffen der Studierenden oder Alumnis?

Die speakUP ist live dabei, wenn es heißt, sich fein einzukleiden und das Tanzbein zu schwingen. Am 13. Februar waren wir zu Gast beim vierten Universitätsball „Ballance“ und haben die Veranstaltung auf Studifreundlichkeit und Unterhaltungsfaktor getestet. Eine kritische Reportage von Luisa Koch.

Alle Jahre wieder? Fast scheint es so, wenn Griebnitzsee schon zum vierten Mal seine Tore für den Universitätsball „Ballance“ öffnet und dazu einlädt, sich im schneidigen Smoking oder vornehmen Abendkleid bewundern zu lassen. Mit entsprechendem Dinner, netten Kellner_innen und schmeichelnder Musik aus dem Mensasaal wird der Abend tatsächlich zu einem ungewöhnlichen (außer)universitären Erlebnis. Zudem feiert die Universität Potsdam in diesem Jahr Geburtstag: 25 Jahre wandern nun schon Studierende auf den altbekannten Fluren, besuchen Seminare, lernen, leben, verzweifeln, jubeln – und tanzen offensichtlich nicht zuletzt durch die täglich überfüllten Hallen.

Alles sieht plötzlich so schick und elegant aus im Foyer in Haus 6. Na wir wollen unserem Unicampus Nummer zwei nicht unrecht tun: Natürlich hat der verglaste Neubau auch tagsüber Stil – aber für uns allein legt man keine Reihe von weißen Plüschkissen aus, bestrahlt die Wände und Decken mit bunt leuchtenden Farben und bietet beim Eintritt eine freundlicher Garderobe an. Hier werden noch mehr Besucher_innen erwartet. Die Mensa ist auch plötzlich… ausgewogener? Ach nein, das ist das – dieses Mal vom Studentenwerk beigesteuerte – delikate Partymenü. Die hübschen kleinen Stehtische mit valentinstagsroter Decke und die großen grazilen Sitzreihen in weiß sind auch neu. Ja, man muss sagen, das Zentrum für Hochschulsport und das Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit hat sich doch wirklich etwas Schönes einfallen lassen. Gesamtbilanz: Atmosphäre ist schon einmal top.

Auf der Programmkarte ist das hübsche Wort „Universitätsgesellschaft“ zu lesen. Und es ist wahr: Hier versammelt sich eine Universitätsgesellschaft: Unipräsident_innen, Professor_innen oder Gönner_innen des Hochschulsports und anderen Einrichtungen der UP, aber erstaunlich wenige Student_innen. Ich bin verwirrt – habe ich mir hier etwas mehr Abschlussball ausgemalt als ich tatsächlich sehen werde?

I. Akt: Auf der Suche nach dem verlorenen Studi

Draußen leuchten Fackeln in der Dunkelheit und weisen den Weg zum Gebäudeeingang. Alle gehen in Paaren zum Sektempfang auf dem roten Teppich. Oder noch schlimmer: ein Pärchentreffen von vier bis sechs Personen. Ich halte mich da heraus und freue mich auf die prickelnde Überraschung in meinem Glas. Als ich ankomme, packen die netten Damen schon fast wieder ein, aber ich erhasche noch etwas Erdbeeraroma. Kooperationspartnerin Rotkäppchen lässt grüßen.

Unipräsident Oliver Günther spricht nach etwa einer Stunde einen Willkommensgruß und die Buffeteröffnung folgt auf dem Fuße. Wenn nicht, um mich mal wieder in Schale zu werfen, dann hätte ich mir spätestens für das Menü eine Eintrittskarte gekauft. Was hier als „Gaumenfreuden“ ausgeschrieben ist, trifft es: Vorspeise, Hauptgang, Dessert – alles ein Genuss. Einziger Kritikpunkt: Im Vergleich zu den letzten Jahren merken Gäste an, die Auswahl und Fülle der Gerichte sei geschrumpft. Ich werde trotzdem satt.

Nicht weniger erfreut bin ich über Anlaufstelle zwei: Die Bar. Zwei Barkeeper_innen mischen hier fünf verschiedene Cocktails für das sich langsam heranpirschende Publikum. Bitte auch in der Vorlesungszeit! Nebenan sind Wein, Bier und alkoholfreie Getränke erhältlich. Im Kartenpreis ist beides jedoch nicht inbegriffen. Ein gemixter Drink für acht Euro entspricht auch nicht unbedingt meinem studentischen Budget. Apropros: Student_innen sehe ich immer noch keine. Bis auf zwei: Mich und meine Begleiterin.

II. Akt: Dauerbeschäftigung und eine Reise in die Vergangenheit

Egal. Auf uns wartet erstmal ein strenges Programm: 19.30 Uhr gibt es den Dinnertalk, bei dem die Universitätsgesellschaft offensichtlich „von sich reden“ macht. 20.15 Uhr Showtanz eins, bei dem die Profis zeigen, wie es richtig geht. Darauf folgt Cry Wheel-Akrobatik mit Hans Benicke. 22.20 Uhr Luftakrobatik im Foyer, danach Sandanimation mit Aljona Voynova, darauf A-Capella-Gesang und kurz vor zwölf Profitanz Numero zwei. Eine Beatboxing-Vorführung mit Bee Low & Zeero bildet den Schluss. Okay. Langweilig wird es wohl nicht – auf dem Universitätsball ist man nonstop beschäftigt.

Für die Minuten zwischendurch hat sich die Organisationsleitung ein paar lustige Sachen ausgedacht: sich zeichnen lassen von Christine Gebreyes, die leider bis kurz vor zwölf noch kein einziges Bild gemalt hat, weil sie neben den anderen Aktivitäten verschwindet. Dann natürlich die persönliche Fotosession vor einer extra dafür errichteten weißen Leinwand, nach Wunsch mit Ballfotograf aus dem Team Reinhardt&Sommer. Und wer dann noch Zeit hat, geht zur Tombola, bei der tatsächlich jeder ein Los abgreifen will.

Was man gewinnen kann? Fast alle wünschen sich ja so gern das Fahrrad. Oder wie wäre es mit einem Riesengrill, der mit dem gefühlten Meter Durchmesser? In mein Apartment passt er nicht, aber so manch fünfköpfige WG könnte sich freuen. Sponsoren wie Hellweg oder die Boutique Freudenhaus stellen zudem auch noch ein paar (Trost)Preise bereit, die gar nicht mal schlecht sind: Das Bild mit den vielen Schuhen hätte ich zum Beispiel gern. Die Damen verzehren sich aber besonders nach den sechs Tüten unter dem Tisch, in denen hübsche Ledertaschen für sie deponiert sind. Ich bin Nummer 900. Mal sehen, ob ich etwas abkriege.

Inzwischen haben Yves Hromada und Katharina Trippler ihren Showact vorgetanzt und die Tanzfläche wird vom Unipräsidenten eröffnet. Er macht eine gute Figur, unser Herr Günther, muss man zugeben. Etwas verschüchtert folgen weitere.

Noch immer kaum Student_innen, wir müssen der Sache auf den Grund gehen. Eine Gruppe, die vor der liebevollen Powerpoint-Präsentation „Uni Potsdam einst und heute“ von Bildern zwischen den Jahrzehnten steht, müssen wir interviewen. Jetzt wird klar: Es handelt sich um Ehemalige, die sich nach eigener Aussage das erste Mal seit zehn Jahren sehen. Ist der Uniball „Ballance“ etwa ein verstecktes Absolvent_innentreffen? An der Wand läuft immer noch die Bildungsexpansion in Schwarz-Weiß und Farbe: Was aus Golm doch geworden ist! Und aus dem Neuen Palais? Da ist eigentlich nicht viel anders geworden.

III. Akt: Versteckte Eindringlinge?

Die erste Tanzrunde erschöpft mich, ich muss mich hinlegen. Sofort sind Robin und Luise zur Stelle, die mir mit ihrem stilvollen Neonorange schon die ganze Zeit aufgefallen sind. Die beiden Rettungshelfer_innen – sie Medizinstudentin, er Abiturient – helfen wie schon beim Stadtwerkefest oder Bergkirchwein freiwillig mit und haben keinen Grund zur Sorge: Heute gibt es keine gebrochenen Tanzbeine oder Herz-Kreislauf-bedingte Totalausfälle. Ich scheine auch nach einer Verschnaufpause wieder einsatzfähig. Also weiter auf unserer Mission: Wo sind die Studis? Wir geraten an ein junges Paar – das sind doch Studierende? Exakt, allerdings von der Humboldt-Universität. Ihnen sei verziehen – offensichtlich besteht der Ball als Kooperation zwischen beiden Hochschulen. Aber finden wir den niemanden aus unseren Reihen, der auch noch tatsächlich hier studiert?

Die Bigband „Schwungkollegium“, die den Ball mit Standard- und Klassikstücken begleitet, erfordert plötzlich unsere gesamte Aufmerksamkeit. Oliver Günther tritt ans Mikrofon. Gemischte Gefühle sind nicht notwendig, siehe da – der Mann kann singen. Ich bin beeindruckt. Unser Unipräsident hat offensichtlich versteckte Talente.

Der Abend fließt dahin. Mit etwas Geigenklängen, gedämpftem Licht und dazu auf hohen Hacken ist man ganz gern in der Uni. Die märchenhafte Akrobatik lässt mich staunen, die Sandmalerin gibt mir einen melancholischen Moment mit 25 Jahren Uni Potsdam. Das Einzige, was mir Sorgen macht: Hier und da ein unbesetzter Tisch, dreimalige Aufforderungen zum Kartenkauf über die Unimailadresse und die Frage nach eventuellen Budget-Kürzungen – sind etwa nicht genug Studis interessiert, sich einen Abend kokett zu amüsieren?

IV. Akt: Kommilliton_innen in Sicht!

Unsere Antwort kommt 22 Uhr. Mit den Late-Night-Karten für 15, statt 30 oder sogar 55 Euro für Sitzplätze. Plötzlich etwas mehr junge Gesichter und studentische Atmosphäre. Liegt es letztlich nur am Preis? Sind 30 Euro für eine Karte ohne Sitzplatz nicht im Monatsbudget von Studierenden? Oder ist den meisten 18 Uhr vielleicht als Beginn einfach zu früh? Gemischte Meinungen um uns herum. An den tänzerischen Fähigkeiten liegt es jedenfalls nicht – unsere Studis lassen es sich nicht nehmen, die Fläche zu stürmen und machen eine gute Figur in Etuikleid und Anzug. Zwei Stunden Standard haben sie noch, nach der Tombola-Auslosung um 24 Uhr geht es musikalisch wieder in die Charts-Richtung. DJ Neiko baut langsam von 60ern bis 90ern auf, bei etwa 2012 bleibt er stehen – aber um ein bisschen in Erinnerung zu schwelgen und für unsere netten Absolventen-Kolleg_innen verzichten wir darauf, die Bühne zu stürmen.

Für Paarphobiker_innen hat sich nun auch die Zweierkonstellation eher aufgelöst. Drei Glückliche freuen sich über das gewonnene Fahrrad, den Grill und… Hauptpreis drei – Gratis Parkett. Das stapelt sich die Gewinnerin bestimmt ins WG-Wohnzimmer. Auch wenn wir nichts gewonnen haben, stehen wir nun nicht still: DJ Neiko nimmt uns langsam gefangen mit seinen 90ern. Wir sinnieren ein bisschen über unsere Kommilition_innen von vor 25 Jahren: Haben sie damals so das Ende der Vorlesungszeit gefeiert? Über eins sind wir uns doch jedenfalls sicher: Unser Uniball kann sich doch echt sehen lassen, auch wenn wir einen reduzierten Kartenpreis im nächsten Jahr begrüßen würden. Vielleicht lassen sich dann auch mehr Studierende auf dem Universitätsball blicken.

Eine Antwort auf „Balanceakt auf dem Universitätsball: Treffen der Studierenden oder Alumnis?“

  1. Ich bin das erste mal 2013 beim Uniball gewesen, und bis heute auch das letzte Mal. Ich weiß leider nicht mehr, was die Karten gekostet haben, aber für Flanierkarten waren sie definitiv zu teuer, zumal man zusehen musste, dass man das, was man sich beim Buffet geholt hatte, auf Heizkörpern oder anderen improvisierten Sitzgelegenheiten zu sich nehmen konnte, worunter dann auch die Bequemlichkeit litt.
    Man möchte ja für den Preis doch gerne den Großteil des Abends dort verbringen, was aber ohne Sitzplatz gerade auch für meine Freundin, die natürlich hochhackige Schuhe getragen hat, zunehmends schwierig wurde.
    Soviel zum Thema Kartenpreis und Sitzplätze.
    Das Buffet war natürlich hervorragend, auch die Bedienungen freundlich. Mehr konnte man sich in der Hinsicht nicht wünschen.
    Die Bigband: Was die Bigband gespielt hat, war alles schön und gut, aber ein Großteil der Lieder war für uns als Standard- und Lateintänzer einfach nicht tanzbar. Für uns waren dann mehrere Stücke hintereinander nur langsamer Jive, ein Foxtrott/Quickstep oder Blues/Slowfox-Tempo. AVielees war dann einfach auch nicht das richtige Tanztempo, die Rhythmen ähnelten sich zu sehr. Klar, es war ja eine Swingband, aber für einen Ball hätte ich mir gerade als Tänzer mehr Abwechslung gewwünscht. Mehr Walzer, langsam und schnell, mehr Tango, Rumba, ChaCha, Vielleicht auch mal eine Samba.
    Der Platz: Die Tanzfläche war da. Eigentlich auch ausreichend groß, aber bei der Menge an Gästen, war es teilweise unmöglich, sich vom Fleck zu bewegen, geschweige denn mal eine etwas größere Figur zu tanzen. Und nur für Grundschritt brauch ich keinen Ball besuchen.
    Wenn die Tanzfläche zzu voll war und/oder der 5. Slow-Jive in Folge kam, haben wir uns zur Tombola verdrückt. Die war gut gelungen und darf gerne ein weiterer Klassiker des Uni-Balls bleiben. Ich durfte sogar eine Krawatte abstauben 🙂
    Als dann mit dem DJ die Tanzmusik auch nicht besser wurde, sondern irgendwie nur noch Discofox lief, sind wir gegangen. Versteht mich nicht falsch, der DJ war nciht schlecht, und auch, besonders in den späten Abendstunden, habe ich Verständnis, wenn zunehmend Discofox gespielt wird. Viele möchten hier auch mal auseinander tanzen, die Stimmung wird lockerer usw. Aber da die Stunden davor schon so untanzbar waren für uns, konnten wir dem auch nichts Gutes mehr abgewinnen. Ein paar Standard-Latein-Tanzlieder für die Playlist des Late-Night-DJ’s würden da schon Abhilfe tun.
    Fazit:
    Es war für uns als Tänzer ein Abend, der anstrengend war. Die Tänze waren zu wenig abwechslungsreich. Es war zu wenig Platz auf der Tanzfläche. Wir hatten zwar Flanierkarten, aber nach 5 Stunden stehen und immer wieder das selbe tanzen, haben wir uns verzogen. Und nur fürs Buffet, das ich im stehen essen musste, gebe ich nicht so viel Geld aus.

    Sollte sich dahingehend irgendetwas geändert haben, oder in Zukunft noch ändern, dann werde ich sicherlich gern wieder Gast des Uniballs Potsdam sein, aber unter den damaligen, vielleicht noch heutigen Umständen möchte ich das nicht.

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