Bei manchen Themen ist das Konfliktpotential direkt auf den ersten Blick erkennbar. Dies traf auch auf das Thema des Redners Felix Perrefort zu, der am 29. Juni am Campus Griebnitzsee über „Islamisierung und antirassistisches Appeasement“ referierte. Dieser wurde von der Potsdamer Hochschulgruppe „Students for Peace in the Middle East“ (SPME) eingeladen. In seinem Vortrag setzte er sich kritisch mit dem politischen Islam auseinander. Zudem übt er Kritik an dem Umgang des Antirassismus mit dem politischen Islam, den er als Appeasement beschreibt. Eine Teilnahme am Vortrag war aus Sicherheitsgründen nur nach vorheriger Anmeldung möglich. Von Julia Hennig und Eileen Schüler.
Freitagabend am Griebnitzsee – vor der Uni Potsdam standen Polizeiwagen, die Flure waren weitestgehend leer, nur im hintersten Raum von Haus 6 fand der Vortrag um 19 Uhr von Felix Perrefort statt. Es gab vorher keine offizielle Einladung der Hochschulgruppe SPME an die Studierenden der Uni Potsdam, obwohl die Veranstaltung im Unirahmen stattgefunden hat.
Bevor man sich mit dem Vortrag beschäftigt, sollte man erst einmal für sich selbst die Begriffe klären. Was bedeutet eigentlich“Islamisierung“? Historisch gesehen bezeichnet der Begriff die territoriale Ausbreitung der islamischen Religionsgemeinschaft vom Tod des Propheten Mohammads bis zum 10. Jahrhundert. Heute wird von der „Islamisierung“ in rechtspopulistischen und rechtsextremen Kreisen gesprochen. Laut Perrefort ist die Islamisierung eine kulturelle Ausbreitung und mit diesem Begriff sei, nach seiner Aussage, die Tendenz auf einen Punkt gebracht.
Nur findet man den Begriff in keinem kulturwissenschaftlichen Lexikon. Im „Lexikon des Dialogs. Grundbegriffe aus Christentum und Islam“, herausgegeben von Richard Heinzmann, werden nur die Begriffe Islam, Islamismus, Djihad und Salafismus definiert. Nach den Definitionen bezeichnet der Islam „im Kern den Glauben an die Existenz und die Einheit Gottes“, während Islamismus „ein Sammelbegriff für Neukonzeptionen des Islams, die, in Auseinandersetzung mit der westlichen Moderne, sich in unterschiedlicher Weise ideologisch artikulieren und politisch positionieren“. Wäre das der Hochschulgruppe und dem Vortragenden bewusst gewesen, wäre die Kritik am Islamismus konstruktiver gewesen.
Ziele der Hochschulgruppe SPME Potsdam
Die Hochschulgruppe SPME besteht seit Anfang 2014. Ihr Ziel besteht nach eignen Angaben darin, „Antisemitismus und Antizionismus auch über die Grenzen der Universität Potsdam hinaus entgegenzutreten sowie für ein umfassendes Verständnis der Voraussetzung für Frieden im Nahen Osten zu werben“. Sie streben durch die Aufrechterhaltung der akademischen Integrität eine „vorurteilslose Aufklärung über die politische Lage im Nahen Osten“ an.
Auf Nachfrage der SpeakUP betont das Hochschulgruppenmitglied Christian Schwinge, dass sich ihr Friedensbegriff von dem der deutschen Friedensbewegung, der „typischerweise antiisraelisch und antiimperialistisch links“ sei, also rückschrittlich, unterscheide. Orientierungspunkt für ihren Friedensbegriff sei das „universale Menschenrechtsbild“, so dass sie sich in Bezug auf die politische Lage im Nahen Osten klar für die einzige Demokratie Israel positionieren.
Notwendigkeit einer Kritik des gesellschaftlichen Appeasements
Schwinge kritisiert im Interview eine fehlende kritische Auseinandersetzung mit dem politischen Islam, die von linken Gruppierungen aufgrund von Rassismusvorwürfen verhindert werde. Diese „linken“ Gruppierungen würden keine Ablehnung oder Bekämpfung des politischen Islams anstreben, sondern ein Entgegenkommen und Appeasement bezwecken. Seiner Meinung nach vertrete der politische Islam jedoch einen negativen Universalismus, bei dem dem Kollektiv ein höherer Wert als dem Individuum eingeräumt würde. Die Hochschulgruppe ziehe dieser Haltung einen bürgerlich-republikanischen Universalismus und damit den Schutz des Individuums vor.
Ebenso wie die Hochschulgruppe SPME Potsdam kritisiert der Redner Felix Perrefort die Haltung der „linken“ Gruppierungen, die den politischen Islam vor Kritik schützen würden. Seine Ansichten verbreitet der studierte Film- und Kulturwissenschaftler vor allem auf dem Blog Die Achse des Guten. Da auch vor diesem Vortrag, nach Angaben der Hochschulgruppe, Rassismusvorwürfe erhoben wurden, betont Schwinge ausdrücklich, dass der Redner kein Rechtspopulist oder Rassist sei. „Er ergreift explizit Partei für liberale Islamkritiker und Reformer wie Hamed Abdel-Samad, Ahmad Mansour, oder Seyran Ates und formuliert eine eindeutige Ablehnung und Kritik der AfD“.
Gibt es eine Meinungsfreiheit für alle Personen?
Einen Tag nach dem Vortrag berichtete die Hochschulgruppe auf ihrer Facebookseite, dass im Vorfeld der Veranstaltung „Störaktionen von der Potsdamer Hochschulgruppe „Schwarze Disapora“ und anderen Akteuren aus dem linken Milieu angekündigt wurden“, die aber nicht stattfanden. Zudem sprach sie von einer „Aberkennung der Meinungsfreiheit für unseren Redner“. Der AStA der Uni Potsdam verfasste ebenfalls eine Pressemitteilung, in der er eine „kritische Begleitung des Vortrags“ empfahl und zu einer „solidarischen Debatte“ aufrief. Die angespannte Atmosphäre rund um den Vortrag ergab sich auch aus den Vorfällen bei einer früheren Veranstaltung des Redners am 5. Juni 2018 in Mainz (siehe Bericht in der Zeitung Campus Mainz). Dort musste der Vortrag aufgrund von Störungen durch Demonstrierende abgesagt und auf den 18. Juni verschoben werden (siehe Bericht in der Zeitung Campus Mainz).
Daher fand der Vortrag am Campus Griebnitzsee unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen und nur nach vorheriger Anmeldung auf Facebook statt. Die Aufnahme von Videos oder Fotos war verboten. Vor dem Seminarraum, wo der Flur von Polizist_innen bewacht wurde, kam es zu keinerlei Protestaktionen oder Demonstrationen. Daher konnte der Redner seine Meinungsfreiheit ausüben, jedoch konnten nicht alle Interessierten am Vortrag teilnehmen. Unter anderem durfte die Antirassismus-Referentin des AStA, Fathia Mohamed, nicht an der Veranstaltung teilnehmen.
Skizze einer bedrohlichen und düsteren Zukunft
In seinem Vortrag, den Perrefort fast durchgehend abgelesen hat, skizzierte er eine bedrohliche und düstere Zukunft, die seiner Meinung nach durch eine „Islamisierung“ und ein „westliches Appeasement“ ermöglicht werde. Als Belege seiner düster skizzierten Gegenwart und Zukunft führte er dabei verschiedene muslimische Autor_innen an, die zu einer „Islamisierung“ und einem „Djihad“ aufrufen. Dem entgegen stehen die von ihm zitierten Autor_innen, die seiner Meinung nach nur Kritik an der sprachlichen Darstellung der Ereignisse wie der Kölner Silvesternacht und nicht an der Wirklichkeit selbst übten. Auch zieht er einen Vergleich zwischen den muslimischen Ehrenmorden und den NSU-Prozessen. Dabei blieb die Frage, was das eine mit dem anderen zu tun habe.
Die Muslime werden in seiner Darstellung als homophobe, frauenunterdrückende, antisemitische und gewaltsame Menschen dargestellt. Als sichtbare Beweise dieser „Re-Islamisierung“ führt er unter anderem Ehrenmorde, die große Zustimmung für Erdogan, eine steigende Verschleierung sowie die Einführung von Burkinis an einer Schule in Herne an. Er griff Judith Butlers Äußerung, dass die Burka eine „Übung in Bescheidenheit und Stolz“ sei, in seinem Vortrag auf. Danach zog er einen Vergleich zwischen der amerikanischen Gender-Studies-Forscherin und Philosophin und dem Vorstandsvorsitzenden der AfD, Alexander Gauland. Man kann Kritik äußern, aber ein solcher Vergleich ist reine Spekulation und unwissenschaftlich.
Problematisch an seiner Darstellung der Muslime als gewaltbereite und gewalttätige Menschen ist vor allem, dass er seine Darstellungen nicht mit gesicherten Statistiken über die Kriminalität belegen kann. Auf Nachfrage der SpeakUP führt er die Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes (BKA) von 2017 an, auch wird ein FAZ-Artikel und ein Artikel von der Welt genannt.
Dennoch behauptete er, dass die größte Gefahr für Juden heute nicht von der AfD, sondern von Muslimen ausgehe. Man sollte die Juden vor den Muslimen schützen und muslimischen Antisemitismus nicht zulassen.
Kritische Fragen
In der anschließenden Diskussion mit dem Publikum verwendet Perrefort Wörter wie „vermutlich“ und „angenommen“ und nimmt bei kritischen Nachfragen sofort eine verteidigende Haltung ein, anstatt den Zuschauer_innen seine Ansichten plausibel zu erklären.
Der Moderator schließt den Vortrag mit zwei Fragen, warum könne man, laut den Linken keine Kritik mehr an dem Anderen äußern und „Warum ist die westliche Linke nicht in der Lage den Islam so zu kritisieren wie das Christentum?“
Letztendlich endete der Vortrag von Felix Perrefort friedlich an der Uni Potsdam. Es gab keine Demonstration, weder Störungen wie Zwischenrufe, sondern nur kritische Fragen.
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