Am Freitag, dem 13.10.2017, fand die Premiere von „Don’t Cry, Work!“ des Künstlerkollektivs FRITZAHOI! im Spartacus Potsdam statt. Das Publikum betritt den Zuschauerraum und sieht Stühle, die seitlich von der Bühne aufgebaut sind. Die Stuhlreihen und die Bühne in der Mitte erinnern an eine Modenschau. Auf dem blauen Teppichboden, der die Bühne darstellen soll, befinden sich aufblasbare rote Bälle, ein pinker Schwimmreifen und Luftmatratzen. Welches Spektakel wird die Zuschauer_innen hier erwarten? SpeakUP war dabei. Von Eileen Schüler.
Das dokumentarische Musiktheaterstück „Don’t Cry, Work!“ thematisiert den Wandel des Begriffes Arbeit im 21. Jahrhundert. Die Texte, die im Stück gesprochen werden, wurden unverändert Broschüren, Internetseiten oder Youtube-Videos entnommen. Dies erwähnt die Assistentin des Künstlerkollektivs, Sophia Schützler, ebenfalls in ihrem „Prollog“: „Das ist alles geklaut, das ist dokumentarisch.“
Die Band im Hintergrund beginnt das Schlagzeug und die E-Gitarre zu spielen. Sie soll als Antagonistin und Arbeitsverweigerin in der Tradition der Punkbewegung auftreten. Die Sängerin fängt an zu singen. Die Zuschauer_innen sind verwundert, was singt sie da? Schaut man jedoch auf die Rückseite des Programmheftes, stehen dort eine Reihe von Internetadressen und sie begreifen, dass diese von ihr gesungen werden. Jedoch tut sie das mit einer erotischen und leidenschaftlichen Stimme, so als wäre es ein richtiger Songtext.
Ein Sprung in die Arbeitswelt
Ein Mann in einem blauen Arbeitsanzug, verkörpert von Peter Retzlaff, sitzt auf einem orangefarbenen Gummiboot und meditiert. Dabei sagt er Sätze auf Englisch wie ein Mantra auf: „I love this company.“ oder „Developer!“ An diese Szene reiht sich eine weitere Szene an, in der die Eigenverantwortung wichtig ist. Drei Frauen in einem roten, grünen und orangen Arbeitsanzug laufen im Kreis herum, dabei tragen sie ein Gummieinhorn über den Köpfen, dass während des Laufens aufgeblasen wird. Gleichzeitig sprechen sie den Marketingtext des Unternehmens Palfinger.
Durch die überspitzte Darstellungen der Schauspieler_innen merkt man erst wie lächerlich manche Motivations- und Selbstbeschreibungstexte sich anhören, wie z.B. „wir duzen uns ab dem ersten Arbeitstag über alle Hierarchien hinweg“ oder, dass das Unternehmen „smart, connected people“ bevorzugt, wird durch eine liebevolle Geste der Schauspielgruppe verdeutlicht.
Erfolg und Niederlage
Allerdings kann der Weg zum Erfolg manchmal auch ziemlich hart sein. Die Frau im roten Anzug, gespielt von Madlen Meyer, pumpt einen Marienkäfer aus Gummi auf und grinst bei dieser Arbeit am Anfang. Jedoch wird die Tätigkeit mit der Zeit anstrengender. Doch plötzlich ist das Gummitier fertig aufgeblasen und sie strahlt. Diese Szene spiegelt den Erfolg in der Arbeitswelt wieder, denn bevor wir unser Ziel erreicht haben, müssen wir viel investieren.
Und leider läuft im Leben nicht immer alles glatt. Dies symbolisieren drei Gummiwale, die zu Beginn von den drei Schauspieler_innen aufrecht gehalten werden. Währenddessen sprechen sie eine Vorlage einer Bewerbungsabsage. Schließlich fallen die Wale zu Boden und tanzen am Ende der Szene.
Ein weiteres Beispiel der Auf und Abs in der Arbeitswelt ist Jana Mauch, gespielt von Peter Retzlaff. Die Frau in dem grünen Anzug erzählt den Lebenslauf von Jana, zwischendurch bricht sie in Lachanfälle aus. Sie macht sich über die arbeitslose und arbeitssuchende Jana lustig. Das Publikum lacht vereinzelt mit und weiß nicht, ob es gespieltes oder echtes Lachen ist.
In der nächsten Szene wird das Thema Internet aufgegriffen. Es wird erklärt, warum die „Über mich“-Seite eines Blogs so wichtig sei. Ist es wirklich wichtig, Geschichten aus seinem Leben zu erzählen oder möchte man nur Profit herausschlagen? In einer märchenstundenartigen Atmosphäre wird die Google-Story auf Englisch erzählt. Wie ist der große Internetkonzern entstanden? Dazu schlägt die Frau im roten Anzug eine Luftmatratze wie ein Buch auf. Dort sind lauter 1 und 0 aufgemalt und sie erzählt wie sich die Idee von Google „in a garage“ entwickelte.
Zum Schluss wird die 100 000 Mark-Show nachgespielt. Hierbei müssen sechs Paare verschiedene Spiele absolvieren, wie z.B. in einem riesigen aufblasbaren Ball um die Wette rennen. Maru Horning und Peter Retzlaff stellen dabei affektiert die Moderator_innen dieser Show dar. So werden die Menschen in der Arbeitsgesellschaft zu Wettkämpfer_innen.
Verrückt und bunt
So verrückt wie der Arbeitsmarkt ist auch dieses Theaterstück. Als Zuschauer_in muss man sich erst auf die gespielten Situationen einlassen, weil das gesprochene Wort zur Nebensache wird und eher die Bewegungen in den Vordergrund treten. In der Arbeitswelt sind wir alle Teil eines Spiels, denn wir sind hochmotiviert, voller Ehrgeiz und wollen gewinnen. Wem geht dabei die Luft zuerst aus? Und trotzdem zeigt das Künstlerkollektiv nicht das graue Bild vom Workaholic, der in einer schnelllebigen Zeit lebt, sondern eine bunte Spielelandschaft, die für Wettkämpfer_innen gedacht ist.