Für eine neue Studierendenvertretung!

Dass die Studierendenschaften das Recht auf Selbstverwaltung haben, ist ein Segen, die Ergebnisse der Arbeit sind häufig großartig. Doch zugleich läuft vieles schief, auch in unserem AStA und in der Brandenburgischen Studierendenvertretung. Anspruch und Realität klaffen nicht selten weit auseinander. Auch die Studis haben Fehler gemacht. Das könnte und müsste ganz anders sein! Ein Aufschrei. Von Denis Newiak.

Regelmäßig ist von Missständen zu lesen, von vermeintlichen Verschwendungen, Größenwahnsinn und Unwissenheit in den Allgemeinen Studierendenausschüssen (AStA) der Republik. Solche reißerisch inszenierten Schreckensnachrichten finden sich nicht nur in einschlägigen Magazinen, sondern auch auf den Wahlkampfflyern von Hochschulgruppen, die die Studentische Selbstverwaltung am liebsten abschaffen würden (dass sie sich zugleich um Teilhabe an diesen Institutionen bewerben, hat dabei etwas Zynisches). Doch lässt sich an den Studierendenausschüssen und -vertretungen nicht auch konstruktive Kritik üben, ohne gleich ihre Existenz in Frage zu stellen, die Qualität ihrer institutionellen Bedeutung kleinzureden? Sollte man nicht vielmehr ihre Unerlässlichkeit für die Studierenden und die politische Diskussion unterstreichen? Die Studierendenschaften sind zu wichtig für uns, als dass wir sie einfach „machen lassen“ könnten, ohne ihnen genau auf die Finger zu schauen. Es sind unsere Studierendenvertretungen, wir sind nicht ihre Studierendenschaften. Also: Was stimmt nicht mit unseren Studierendenvertretungen?

Gerade die Mitglieder des AStAs an der Universität Potsdam haben in den letzten Jahren immer wieder die Chance genutzt, an ihre Umwelt hohe Anforderungen zu stellen: Völlig berechtigt fordern unsere Vertreter_innen die Hinterfragung alter Machtstrukturen in der Landes- und Bundespolitik, mehr Transparenz und Mitbestimmung im politischen Prozess und eine stärkere Berücksichtigung der zentralen Themen, die die Studis bewegen: Günstiger Wohnraum, gute Studienbedingungen, soziale Absicherung, ökologische Verantwortung.

Dabei heißt es in einem chinesischen Sprichwort nicht grundlos: „Wenn du die Welt verändern willst, geh vorher dreimal durch dein eigenes Haus.“ Eine solche institutionelle Selbstbegutachtung sollte sich auch der AStA, der in diesen Tagen seine Arbeit aufnehmen (bzw. zum Teil fortsetzen) will, ganz oben auf die Tagesordnung setzen. Seit Jahren dreht sich das AStA-Personal um sich selbst: Jahr für Jahr zeigen sich in den Referatslisten Namen aus dem immer gleichen „Dunstkreis“, einige zirkulieren seit gefühlten Ewigkeiten durch die Organe der Selbstverwaltung, die zum Teil gut dotierten Stellen oder Werkverträge. Sie werden technische Leiter im Studentischen Kulturzentrum, arbeiten gut bezahlt andere technische Leiter ein oder holen sich andere lukrative Aufträge am Palais in Haus 6 ab. Gelegentlich tauchen auch fast Vergessene wieder wie aus dem Nichts auf: So konnte sich beispielsweise der Finanzreferent aus der Legislaturperiode 2002/03 kürzlich über eine Anstellung im AStA freuen, ausgerechnet in der sensiblen Finanzabteilung. Was viele schon verdrängt haben dürften: Der Auserwählte hatte seinerzeit dem AStA nach grobem Missmanagement und gut dokumentierter Planlosigkeit einen überdimensionierten Schuldenberg hinterlassen, Leistungen des AStAs mussten infolgedessen zum Teil gestrichen werden, um das Defizit auszugleichen, wie es im AStA-Onlinearchiv nachzulesen ist. Der gleiche Mensch ist nun dafür verantwortlich, dass der AStA seine Forderungen rechtzeitig begleicht. Schwer zu glauben, dass es an der Universität Potsdam mit hunderten Wirtschafts-Studierenden niemanden gegeben haben soll, der für diese Position auch in Frage gekommen wäre. Die Stelle sei öffentlich auf der AStA-Website ausgeschrieben worden – wie viele Menschen sich aber dort regelmäßig nach Stellenangeboten umsehen oder auch wirklich bewerben, bleibt ein wohlbehütetes Geheimnis.

Beispiele wie dieses ließen sich reichlich finden, sie wurden in der Vergangenheit auch vereinzelt immer wieder kritisiert. Ein Umdenken gab es nicht. Doch wer beispielsweise die FDP völlig berechtigt dafür kritisiert, im Entwicklungsministerium die eigenen Leute durchzufüttern,  muss mit gutem Beispiel vorangehen und sich an seinen eigenen Maßstäben messen lassen. Er darf nicht den geringsten Verdacht wach werden lassen, dass er vielleicht seine eigenen Ansprüche verraten könnte. Schon das Bekanntwerden von pikanten Einzelfällen könnte das ohnehin schon kaum messbare Interesse an der Studierendenvertretung auf ein historisches Minimum schrumpfen lassen. Unsere derzeitigen Vertreter_innen haben die Verantwortung, es nicht so weit kommen zu lassen und Schaden von der hohen Idee der Selbstverwaltung noch rechtzeitig abzuwenden.

Doch der „harte Kern“ lässt sich auch in dieser Legislaturperiode nicht in die Karten schauen: Kaum ein Studi dürfte mitbekommen haben, dass es nicht nur die immer gleichen „üblichen Verdächtigen“ sein müssen, die sich für die mit attraktiven Aufwandsentschädigungen und Machtkompetenzen ausgestatteten AStA-Referate bewerben dürfen: Einen universitätsweiten Aufruf, sich an der Bildung des neuen AStAs zu beteiligen, wie es ihn vor drei Jahren einmal gab, sucht man vergeblich. So verwundert es auch nicht, dass für die wichtigen Schlüsselpositionen die Würfel wohl schon gefallen sind – die mit echter Arbeit verbundenen „Kümmerer-Referate“ (z.B. Sozial- oder Campus-Politik) sind hingegen kaum nachgefragt. Die „Neuen“, die frisch und motiviert in den AStA hinzustoßen, fühlen sich zum Teil kaum in den Prozess der Verantwortungsübergabe eingebunden. Manch eine Referentin nennt den Prozess „chaotisch“, andere durchblicken die teilweise völlig verkrusteten Strukturen kaum. Manch eine_r könnte das Gefühl bekommen, dass gar kein Generationswechsel gewollt ist.

So hat sich in den vergangenen Jahren im AStA etwas verselbstständigt, wo ein_e Außenstehende_r kaum noch etwas durchschaut. Wer beispielsweise in den Protokollen des Ausschusses nach erläuternden Anlagen oder Begleittexten zu den vielen Anträgen sucht, ist ordentlich beschäftigt – weil er kaum etwas findet. Noch ernüchternder ist der Blick in die Brandenburgische Studierendenvertretung (BrandStuVe): Auf der offiziellen Seite fehlen seit Mitte 2007 die Protokolle von Mitgliederversammlungen und Vorstandstreffen völlig, auch einen Haushalt gibt es seit 2008 nicht mehr. Zwar erscheinen aktuelle Pressemitteilungen, Positionierungen und Einladungen zu Veranstaltungen und Sitzungen auf der Homepage, aber selbst das nur für die letzten beiden Jahre. Informationen darüber, von welchen Hochschulen die BrandStuVe wie viel Geld erhält, wofür die Mittel verwendet werden und wer darüber entscheidet, sind nicht zu finden – auf Nachfrage soll man diese Informationen bei den vielen Asten im Land Brandenburg einzeln zusammenkratzen, was angesichts der oft nur bedingt nutzbaren Suchfunktionen eine kaum lösbare Aufgabe ist. Über konkrete selbst durchgeführte Projekte berichtet die BrandStuVe kaum, selbst zur zurückliegenden hochschulpolitischen Konferenz findet sich kein berichtendes Wort. Besonders schmerzhaft: Auch die Ausschreibung eines mit 1.500 Euro dotierten Werkvertrages für die Organisation der ersten Konferenz zur Novelle des Hochschulgesetzes vom 26. Juni wurde gerade einmal drei Tage vor Bewerbungsschluss eingestellt. Wie viele Personen sich an dem Bewerbungswettbewerb beteiligt hatten, war bei der BrandStuVe aus angeblich „datenschutzrechtlichen Gründen“ nicht zu erfahren.
Daniel Sittler, einem von zwei Sprechern der BrandStuVe zufolge, sei bis 2007 eine Geschäftsführung für die Aktualisierung der Website verantwortlich gewesen. Seitdem diese weggefallen ist, würden nur noch projektbezogene Informationen veröffentlicht. Der Versuch, „mit einem Bündnis auf freiwilliger Arbeit zurecht zu kommen“, sei gescheitert, weshalb die vorhandenen finanziellen Mittel nun in bezahlte Aufträge investiert würden, um so für eine Arbeitsentlastung zu sorgen. Protokolle würden „in der Regel per E-Mail“ an die einzelnen Studierendenvertretungen verschickt.

Die „freiwillige Arbeit“ wird dabei in den Studierendenvertretungen zum Teil immer weniger den Ansprüchen an ehrenamtliche Tätigkeit gerecht: Sittler selbst erhält für seine ehrenamtliche Arbeit bei der BrandStuVe von Mai bis Dezember 2013 eine Aufwandsentschädigung von 1.500 Euro vom AStA der Universität Potsdam. Sein Kollege wiederum verzichtet auf eine Aufwandsentschädigung seiner Hochschule in Brandenburg prinzipiell. Von ihm stammen auf der Website der BrandStuVe auch fast alle aktuellen Beiträge.
Die meisten Menschen arbeiten in vergleichbaren Positionen unentgeltlich und nicht weniger hart – und erhalten für ihre Arbeit keinen Cent. Warum das an dieser Stelle anders sein sollte, erklärt sich nicht unmittelbar von selbst. Doch auch wenn man eine solche Aufwandsentschädigung als angemessen empfinden würde, müsste die damit vergütete Arbeit – Aktualisierung der Website, rechtzeitige Bekanntmachung von Sitzungen und Ausschreibungen usw. – einwandfrei sein. Wer sich so etwas nicht vorwerfen lassen möchte, muss aber zu allermindest seiner Rechenschaftspflicht gegenüber dem Studierendenparlament (wie es der AStA für die Zahlung der Entschädigung mit Beschluss vom 30. April auch voraussetzt) regelmäßig nachkommen, um nicht den Anschein der beliebigen Selbstbedienung vollends zu bestätigen. Die vielen Engagierten, die mit viel Kraft und Ausdauer in ASten, Vereinen, Verbänden und Parteien viel Gutes bewirken, sollten solches Verhalten Weniger nicht mit ihrem guten Ruf bezahlen müssen.

Die Aufwandsentschädigungen gehören zu einem der wenigen Lieblingsthemen, mit denen man den AStA der vergangenen Legislaturperiode in Verbindung bringen durfte, denn genau diese hat man sich per Beschluss des Studierendenparlaments satt erhöhen lassen (speakUP berichtete). Die lang ersehnte Änderung der Satzung der Studierendenschaft scheint sich im Wesentlichen auf diesen einen Punkt zu reduzieren. Handlungsfähiger ist die Studischaft dadurch wohl kaum geworden. Stattdessen beschäftigt man sich häufig nur mit sich selbst, verwaltet lieber statt zu gestalten. Doch „Studentische Selbstverwaltung“ bedeutet nicht, dass sich unsere Vertreter_innen nur mit ihrer eigenen Selbst-Verwaltung beschäftigen sollen: Die Arbeit im AStA ist kein Selbstzweck – häufig aber scheint es so.

Natürlich ist das Ehrenamt im AStA hart – wenn man es ernst nimmt. Doch eine Aufwandsentschädigung erscheint nur dann gerechtfertigt, wenn am Ende auch ein akzeptables Ergebnis steht. Die zentralen hochschulpolitischen Themen in der Öffentlichkeit zu verankern, war jedenfalls kaum gelungen – stattdessen las man in den Zeitungen nur von gefälschten Pressemitteilungen, wenig überzeugender Kritik an künstlerischen Liedtexten einer Punkband und der Rekonstruktion der Garnisonkirche. Solche Themen können ihre Berechtigung haben, über sie zu diskutieren ist Teil des politischen Auftrags der Studierendenschaften und zum großen Teil gerade angesichts immer einseitiger geratender Berichterstattung besonders wichtig. Doch es ist auch Aufgabe eines AStAs, sein eigenes fünfstellig kostendes Sommerfest so zu bewerben, dass auch die Studierendenschaft eine Chance hat, davon im großen Stile zu erfahren.

Wer Kritik übt, hat es schwer: Informationen sind kaum zu bekommen, die Prozesse undurchsichtig, Befragte schnell eingeschnappt. Doch die Studierenden haben Besseres verdient. Und deswegen müssen sich die Studis auch ihrer eigenen Versäumnisse bewusst werden: Sie müssen sich beteiligen, wann immer es nur möglich ist, müssen zu Sitzungen gehen, dort Anträge und unbequeme Fragen stellen, müssen sich bewerben für Studierendenparlament, AStA und Räte und so aktiv mitgestalten, sie müssen jedes kleine Bisschen an Gestaltungsspielraum am Schopf packen und sich nicht darauf verlassen, dass sie irgendjemand schon irgendwie verwalten wird. Das Mindeste aber ist, dass man sich einmal im Jahr dazu durchringt, im Wahllokal seine drei Kreuze zu machen, und sich dabei die Mühe zu machen, den Stimmzettel wenigstens einmal durchzulesen. Niemand zwingt einen, immer die Oberen auf der Liste zu wählen.
Wie es für uns alle gilt, gilt es auch hier: Wer Ansprüche hat, muss ihnen selbst gerecht werden. Sonst bleibt jede Tat wie jede Kritik nur hohle Phrase, die nichts bedeutet.

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