„Das Darknet ist ein freier, wilder Ort, an dem keinerlei Regeln gelten. Eine unkontrollierbare Unterwelt“, so beginnt das Buch „Darknet“ von Stefan Mey, das am 19. September im Verlag C.H. Beck erschienen ist. Jeder Ort auf der Welt ist so gut wie entdeckt und beschrieben, doch das Darknet ist noch ein teilweise unerforschtes Territorium. Von Eileen Schüler.
Stefan Mey arbeitet als freier Journalist in Berlin. Vorher studierte er in Halle/Saale Soziologie und Publizistik. In seiner Magisterarbeit schrieb er über die Ökonomie von Blogs. Seit 2012 beschäftigt er sich jedoch mit Technologie und digitalen Themen. Dabei stellt er sich die Frage, inwiefern sich das Internet auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auswirkt. Nach langen Recherchen können die Leser_innen nun die Reise in die digitale Unterwelt beginnen und einen Überblick gewinnen.
Was ist das Darknet?
„Ein Darknet ist ein digitaler Ort, der sich mit technologischen Mitteln abschirmt und Anonymität bei der Nutzung herstellt. Verbindungsdaten und Standorte von Rechnern werden verschleiert und die Kommunikationsinhalte sind verschlüsselt“, lautet die einfache und doch plausible Definition von Mey. Die Gemeinsamkeit zwischen Internet und Darknet ist „die treibende Kraft des Kommerzes“. Jedoch ist es nicht möglich, das Darknet mit einem Browser wie Chrome, Internet Explorer oder Firefox zu öffnen, dann „spuckt dieser trotzig eine Fehlermeldung aus: „Der Server konnte nicht gefunden werden“. Wenn man das Darknet betreten möchte, muss man den Tor-Browser benutzen, der als eine Art digitale Tarnkappe unsere Identität verschleiert.“
Mey verwendet kurze, prägnante Sätze, durch die die Komplexität des Darknets für jede_n verständlich wird. Auch benutzt er eine bildhafte Sprache, sodass das Thema sehr lebendig und spannend gemacht wird. Zum Beispiel wird das Darknet als „Einkaufsmeile“ bezeichnet, auf der illegal mit Drogen, Waffen oder Falschgeld, aber auch mit Produktimitaten wie einer Chanel-Handtasche oder Rolex-Uhr, gehandelt wird. Gezahlt wird in der digitalen Welt mit Bitcoin, welches eine anonyme Verschiebung von Geld ermöglicht und das Untertauchen vereinfacht. Allerdings: „Wer sich bei seinen eigenen illegalen Geschäften betrogen fühlt, kann nicht die Polizei einschalten.“
Die Gefahren des Darknets
Der Handel mit gefälschten Pässen oder Geldscheinen stellt eine Gefahr da, denn „sie rütteln am Machtkern des Staates“. Die Dokumente werden vom Staat ausgestellt und sollen somit die Identität der Bürger_innen kennzeichnen beziehungsweise die Menschen vor einem Betrug mit Falschgeld schützen.
Des Weiteren benutzen die Marktplätze in der digitalen Unterwelt klassische Marketingstrategien, um sich im Wettbewerb durchsetzen zu können. Dies führt jedoch dazu, dass die User_innen sich wie auf einer normalen Service-Plattform zum Einkaufen fühlen und vergessen, dass sie sich auf einem „hoch illegalen Umschlagplatz“ befinden, denn „der Ton ist oft freundlich“.
Auch tauchen Videos und Bilder von Kindermissbrauch in der dunklen Welt auf. Die User_innen würden sich durch die weite Verbreitung gegenseitig animieren und dies führe zu weiteren grausamen Taten. „Die größte Darknet-Seite mit Kindesmissbrauchsmaterial hatte 150 000 User in der ganzen Welt“. Eine erschreckend hohe Zahl. Jedoch trägt hierbei nicht das Darknet die Schuld allein, sondern es ist generell das schnelle und massenverbreitende Internet, welches seinen Anfang in den 1990er Jahren nahm.
Ein weiteres Problem ist der Waffenverkauf, denn er könnte auch den internationalen Terrorismus fördern. Jedoch seien Behörden für diese Kriminalität mittlerweile sensibilisiert.
Allerdings hat das Darknet auch gute Seiten: Es schützt z.B. Whistleblower, die durch den Geheimnisverrat nun verfolgt werden. „Willkommen auf den freundlichen Seiten des Darknets“, schreibt Mey optimistisch.
Wie funktioniert das Darknet?
Mit vielen Beispielen und szenischen Darstellungen macht Mey den Leser_innen das Darknet begreiflich, denn das Darknet funktioniere eigentlich nur wie ein Unternehmen, welches sich in einem Hinterhof im multikulturellen Wedding befindet. Um das Darknet zu verstehen, sollte man sich zuerst veranschaulichen wie das Internet funktioniere, welches „in den 1970er Jahren von US-amerikanischen Wissenschaftler*innen erdacht wurde.“ Wenn man kein Computerfreak ist, schlüsselt Mey das Internet für die normalen User_innen wunderbar auf. Wozu gibt es z.B. Cookies? Was hat es mit der Zwiebelschicht „The Onion Router“ auf sich und wie kann die Anonymität und Privatsphäre geschützt werden?
Das Darknet ist für einige wichtig, damit sie sich anonym bewegen können. Jedoch ist es für andere notwendig, um ihre illegalen Geschäfte zu betreiben. „Wer hinter der Darknet-Endung .onion steht, ist allerdings bekannt: Eine nicht profitorientierte Organisation namens The Tor Project.“
Katz-und-Maus-Spiel der Illegalität und der Behörden
Durch die Anonymität und geschützte Identität fühlen sich viele Menschen bei ihren illegalen Geschäften zu sicher, sodass die Polizei durch kleine Unachtsamkeiten den Täter_innen irgendwann doch auf die Spur kommt. Die Untergrund-Szene hat sich in den letzten Jahren professionalisiert und gibt die nötigen Know-hows an Neulinge weiter. Dagegen versucht der Staat zu wirken und spezialisiert eigene Abteilungen für Cyberkriminalität. Die einzige Möglichkeit sei hier jedoch nur menschliche Detailarbeit durch verdeckte Ermittlung, um die anoymen kriminellen Täter_innen zu fassen.
Oft sind die Straftäter_innen jedoch keine richtigen Kriminellen, sondern meistens sind es sogar „die netten Nerds von nebenan“. Gerade IT-affine, meist junge Männer arbeiten sehr effektiv und geraten in den Sog der digitalen Unterwelt. Am Ende ist jedoch egal, ob die illegalen Taten eher Hobbycharakter haben oder im großen Stil betrieben werden, wenn sie durch die Polizei überführt werden können, „schlägt der Staat mit der Härte der Gesetze zu.“
Ende der digitalen Unterwelt-Reise
Zum Schluss fasst Mey die Untersuchungsaspekte noch einmal zusammen und gibt einen Ausblick vom dystopischen Internet zu einer Utopie des Darknets. Außerdem stellt er fest, dass es dieses Buch nicht geben würde, wenn in der digitalen Unterwelt nicht doch auch ein großes Versprechen schlummern würde. Allerdings verdeutlicht der freie Journalist auch, dass wir in finsteren Zeiten leben würden, denn schon alleine das Internet ist „ein repressives Instrument geworden, das die Macht-und Kontrollmöglichkeiten von Staaten und Konzernen potenziert und diese Datenmacht an wenigen Punkten ballt.“
Das Internet, einst Hoffnungsträger unserer Zeit, habe sich, wie es der französische Philosoph Michel Foucault einst beschrieben hat, zu einem Gebilde entwickelt, das die Überwachung aller Aktivitäten aller Leute in dem System ermöglicht, während die Überwacher selbst größtenteils unbeobachtet agieren. Bietet das Darknet mit seiner Anonymität vielleicht eine Alternative sich der geballten Datenmacht zu entziehen? In seinem Buch zeigt Mey mögliche Szenarien des zukünftigen Darknets auf.
Durch einen erkennbaren roten Faden, den das Buch durchzieht, können die Leser_innen dem Autor gut folgen und hochkomplexe Internetvorgänge werden so erklärt, dass auch Menschen, die keine Ahnung von Informatik haben, sie gut verstehen können. Ich kann dieses Buch nur empfehlen, wenn man in die digitale Unterwelt ganz legal eintauchen möchte.