Der kleine MUKS – Teil 3: Was wir werden wollen

Die allseits beliebte und vernichtende Frage: „Und was macht man dann damit?“. Warum solche demotivierenden Randerscheinungen des Studiums ihre Rolle übertreiben und warum wir ihnen den Kampf ansagen sollten. Vom erfüllten Leben oder dem persönlichen Pfeffer. Von Lisa Spöri.

Wie fast jeder Studierende arbeite auch ich neben dem Studium. Seit einer Weile bin ich in einem Konzerthaus in Berlin angestellt, bei dem man den Gästen den Weg zu den Örtlichkeiten weist, die Mäntel abnimmt oder im Saal aufpasst, dass sie sich benehmen. Eigentlich ein ganz netter Job.

Der Standard-Smalltalk mit den Kolleg_innen schließt natürlich die übliche Frage nach dem Studium ein. „Ah, Philosophie!“ ist meist die Antwort und nach mitleidigem Schmunzeln kommt die Frage: „Und was willst du dann damit machen?“ Sicher, das kennt man auch in anderen geisteswissenschaftlichen Studiengängen. Eine gute Frage, was soll das eigentlich mal werden, wenn’s fertig ist? Während den Konzerten hat man jedenfalls genug Zeit, sich über all das Gedanken zu machen.

Als ich ein kleines Mädchen war, wollte ich eine Zeit lang Pilotin werden. Im Nachhinein betrachtet, wäre das vielleicht die klügere Wahl gewesen, zumindest was den Arbeitsplatz angeht.

Sich in der Luft zu bewegen, ist bodenständiger, als ein Philosophiestudium!

Antoine de Saint-Exupéry hat in seinen Tagebüchern einmal vermerkt, dass er eigentlich nur Pilot geworden ist, um den Sternen näher sein zu können. Wenn das ausreicht, um ein passabler Pilot zu werden, dann reichen meine Flausen im Kopf doch wohl auch aus, um ein Philosophiestudium abzuschließen und damit irgendwas (!) zu werden (denke ich).

In den Pausen zwischen den Konzerten kann man die Gäste wunderbar beobachten. Das Publikum besteht überwiegend aus Rentner_innen und bewegt sich tendenziell eher in Zeitlupe vom Konzertsaal zu den Toiletten. Dynamik: eher fallend. Aber manchmal, während ich gedankenverloren vor mich hin grinse und versuche, kompetent auszusehen, werde ich zwangsläufig auch Zeuge ihrer knackigen Seiten.

„Komm, wir nehmen den Fahrstuhl, du alter Sack.“, sagt eine schon betagte Dame mit zittriger Stimme zu ihrem am Stock gehenden Gatten, der sich mit dem Temperament einer Schildkröte dem Aufzug zuwendet. Oder sie unterbrechen mein Sinnieren über meine berufliche Zukunft mit ihren Alltagsweisheiten: „Hier, nimm du die Karten, falls ich auf dem Weg zur Toilette tot umfalle“, sagt eine alte Dame und drückt ihrer Freundin die Karte in die Hand. „Hilde!“ Halbschockiertes Lachen. „Ja, in meinem Alter weiß man nie!“ Die alte im Strickpulli hat Recht, aber auch in meinem Alter weiß man nie. Wenn ich heute tot umkippe, wäre es mir herzlich egal, ob ich berufliche Pläne gehabt hätte oder nicht.

Diese älteren Leutchens haben jedenfalls etwas, dass mir Mut macht, stelle ich fest. Etwas, dass mich beruhigt. Und wenn ich sie so betrachte, denke ich, dass ein erfülltes Leben nicht darin besteht, sich seine Traumkarriere zu erfüllen, sondern: Ist nicht eigentlich etwas ganz anderes viel wichtiger?

Womit denn das Leben erfüllen?

Einmal war eine alte Freundin meiner Mutter zu Besuch. Sie ist 67, hatte es nicht gerade leicht im Leben, aber sie ist eine gestandene Frau und hat mich so manches Mal schon ziemlich beeindruckt. So wie bei jenem Besuch, als sie mal wieder aus dem Nähkästchen plauderte. Als meine Mutter aus dem Zimmer ging, beugte sie sich über den Kaffeetisch, sah mir tief in die Augen und sagte, eine Augenbraue hochziehend: „Lisa, ich habe in den 80er Jahren wirklich ganz Kreuzberg flachgelegt!“ Während mir der Kaffee in die Nase stieg und ich zu ersticken drohte, beteuerte sie todernst: „Tja, das muss man wirklich sagen.“

Es ist diese Mischung aus reifem, wohlportioniertem Humor und unerschrockener Lebenserfahrung, die sie einem – Klatsch – unerwartet vor den naiven Latz knallen. Wenn ich daran denke, was ich mal werden will, dann fallen mir immer solche Frauen ein. Sie haben es faustdick hinter den Ohren, obwohl sie zum Teil steinalt sind und längst nicht mehr „ganz Kreuzberg flach legen“ könnten. Es ist ihre Art, das Leben nicht allzu schwer zu nehmen, ein Versprechen an den eigenen Humor, was mich beeindruckt. Und manchmal, wenn ich diese alten Haudegen ihre Sprüche klopfen höre, dann freue ich mich sogar auf das Alter und auf das, was kommt.

Wer zuletzt lacht, lacht am besten!

Ich denke, dass es ein Trugschluss ist, zu glauben, es seien ausschließlich das Studium oder der Beruf, die Identität stiften. Ja, es ist eine berechtigte Frage, was wir denn mal mit einem Bachelor of Arts in Kulturwissenschaften, Philosophie, Anglistik etc. machen wollen, aber wir missen dieser Frage eindeutig zu viel Gehalt bei. Denn Tatsache ist, dass das Ende des Studiums nicht gleichbedeutend mit dem Ende des Lebens ist. Und deshalb sollten wir uns von jener berüchtigten Frage nicht demotivieren lassen.

In einem erfüllten Leben geht es viel eher darum, sich etwas von seinem Pfeffer zu bewahren, von seinem ganz persönlichen Pfeffer. Ich kann nur für mich sprechen, aber für mich ist diese Würze der Humor. Für mich liegt die Kunst darin, am Ende immer noch Spaß zu haben. Und in unserer globalisierten Welt, die sich so schnell ändert und bewegt, benötigt man ohnehin eine ordentliche Portion Humor. Und zumindest weiß ich so viel: Was ich später werden will ist…

…Eine alte Lady, die sich ihren Humor bewahrt hat. Und der Beruf? Hauptsache es ist einer, der mir das ermöglicht.

Du hast die bisherigen Teile des MUsischen KurzSchluss‘ verpasst? Kein Problem. Hier findest du alle Muks-Teile im Überblick.

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