Die Temperaturen klettern auf 30 Grad, purer Sonnenschein und der Duft von Orangenblüten erwarten viele Tourist_innen in der andalusischen Hauptstadt. Hier ist im Frühling die Hölle los, denn die Semana Santa (die Heilige Osterwoche) und die Feria de Abril (das traditionelle Frühlingsfest) werden zelebriert. Es folgt ein Einblick in das spanische Leben. Von Eileen Schüler.
Vom 9. bis 16.04.2017 (Palmsonntag bis Ostersonntag) wird die Semana Santa in den katholischen Ländern gefeiert. 60 Prozessionen finden in dieser Woche statt. Die Stadt ist voller Leute, denn alle wollen das Vorbeiziehen der Züge sehen. Der Duft von Weihrauch zieht durch Sevilla und an jeder Straßenecke riecht es nach Churros (knusprig frittiertes Gebäck) mit Schokolade. Darauf folgt die Feria de Abril vom 30.04 bis 7.05.2017.
Bis zur Morgendämmerung
Um 2 Uhr nachts stehen wir auf der Brücke des Viertels Triana in einer Menschenmasse und warten auf den Zug der Nazaräer. Der Vollmond scheint und taucht die Stadt in ein mystisches Licht. Plötzlich ertönen Trompeten und Trommelschläge, Menschen in langen Kutten und mit spitzen Mützen tragen lange Stabkerzen, Kreuze und Laternen. Wir lassen den Moment auf uns wirken. Dann nimmt mich mein spanischer Freund bei der Hand und zieht mich weiter durch die Menschenmenge. Wir stärken uns mit Churros und Schokolade. Dann geht es ins Zentrum zur Tribüne.
Auf der Tribüne sind die Sitze für die Privilegierten vorbehalten, denn sie sind sehr teuer und nicht jeder kann hier sitzen. Ich hatte Glück, denn die Familie meines sevillanischen Freundes besitzt Karten für diese Plätze und somit hatten wir einen fantastischen Blick auf die Prozessionen.
Die katholischen Zeremonien in Sevilla sind die bedeutendsten und bekanntesten in ganz Spanien. Im 14. Jahrhundert bildeten sich die verschiedenen Bruderschaften. 1521 richtete der erste Marquis von Tarifa Fadrique Enríquez de Ribera nach der Rückkehr aus dem Heiligen Land einen Kreuzweg ein. Daraufhin markierten die jeweiligen Stationen des Kreuzweges den Verlauf der Bußprozessionen der Bruderschaften Sevillas. Etwas später legte der Kardinal fest, dass alle Bruderschaften den Weg zur Kathedrale nehmen müssen. Im 19. und 20. Jahrhundert bemühte sich die katholische Kirche um eine Stärkung der Position der christlichen Rituale in der Gesellschaft, somit wurde die Marienverehrung gefördert. Früher war es Frauen verboten an den Prozessionen teilzunehmen. Heute dürfen sie Mitglied einer Bruderschaft sein, jedoch dürfen sie keine Nazaräer sein.
Die Madrugada ist die Nacht vom Gründonnerstag auf den Karfreitag. Sie stellt einen der Höhepunkte der Semana Santa dar, denn in dieser Nacht wurde Jesus verraten und ans Kreuz genagelt. Zuerst zieht die prunkvolle Marienstatue an uns vorbei. Darauf folgt die vergoldete Jesusstatue. Die sonst so lebhafte Stadt befindet sich in Stille und Andacht, man sieht Tränen fließen. Und auch ich hätte fast angefangen zu weinen, so emotional war die Atmosphäre aufgeladen.
Bedauerlicherweise wurde die Zeremonie um 4 Uhr morgens von einer Gruppe von Menschen, die plötzlich „Ala es grande“ („Allah ist groß“) riefen, zerstört. Die Menschenmasse geriet mehrmals in Panik, weil man dachte, es sei ein Terroranschlag. Letztendlich passierte zum Glück nichts, außer dass Kinder weinten, große Angst unter den Menschen verbreitet wurde und alle Leute geschockt waren. An diesem Punkt habe ich gemerkt, wie stark die Angst in Europa aufgrund der vielzähligen Terroranschläge ist.
Feria de Abril
Zwei Wochen nach der Semana Santa findet das traditionelle Frühlingsfest in Andalusien statt. Die Aprilmesse in Sevilla ist die größte und beliebteste Feria in Andalusien. Die erste Feria, die zum wirtschaftlichen Handel dienen sollte, fand im Jahr 1846 statt und wurde von einem Basken und einem Katalanen gegründet.
Eine Woche lang wird in dem Viertel Los Remedios in den casetas (Häuschen) Sevillana (Flamencotanz zu zweit) getanzt und Rebujito (alkoholisches Mischgetränk aus Manzanilla und Sprite) getrunken. Allerdings sind die meisten casetas privat und es gibt nur wenige öffentliche. Ich habe hier sehr viel Glück, denn durch meine spanischen Freunde komme ich in die privaten Häuschen rein und kann das spanische Leben in vollen Zügen genießen. Leider konnte ich mir kein Flamencokleid (das kostet 200-300€) kaufen, aber ich habe ein paar Schritte vom traditionellen Tanz gelernt und mit einer Blume im Haar kann jede Frau sich auf der Feria sehen lassen. Die Männer tragen Anzüge. Darum geht es hier nämlich: Sehen und gesehen werden.
Die Feria ist durch den 1. Mai-Feiertag dieses Jahr länger als sonst. Aus kommerziellen Gründen hat sie am Samstag, dem 30. April, mit der Beleuchtung des Eingangstores begonnen. An diesem Tag wird traditionell Fisch gegessen.
Ich bin fast jeden Abend zur Feria gegangen, denn ich wohne nur 5 Minuten von dem Spektakel entfernt. Für mich ist es sehr beeindruckend: Die vielen farbenfrohen Kleider, die Flamencomusik und die ausgelassene heitere Stimmung. Allerdings leidet mein Körper unter dem hohen Alkoholkonsum.
Die spinnen, die Spanier!
Zusammenfassend kann ich sagen, dass die zwei außergewöhnlichen Wochen eine Verrücktheit sind, die man aber auf jeden Fall einmal miterleben sollte. Jedoch sollte man in der Menschenmasse gut aufpassen, denn es sind sehr viele Diebe unterwegs. Meine Handy wurde auf der Feria geklaut und einige Erasmusstudierende mussten leider dieselbe Erfahrung machen.
Man denkt die Spanier_innen sind in der Wirtschaftskrise und können sich nicht viel leisten, aber letztendlich geben sie für die Feierlichkeiten sehr viel Geld aus.