Unser UNIversum – Folge 2: Die kniffligste Frage

Obwohl wir es uns oft nicht eingestehen: Wir Studierenden haben vieles gemeinsam, ganz unabhängig von der Studienrichtung. Die Berührungspunkte finden wir im gemeinsamen Alltag – der Wohnsituation, dem Kampf ums BAföG oder dem Nebenjob, der Zeit mit Freund_innen und Kommiliton_innen, der Zeit mit uns selbst. Eine Kolumne von Katja Rink.

Weihnachten, Semesterferien, Ostern: Der obligatorische Besuch bei der Familie steht an. Doch nicht nur dann. Auch im ersten Gespräch mit einer fremden Person folgt auf die Frage nach der Studienrichtung der unvermeidbare Satz: „Und was machst du dann danach damit?“

Zukunftsorientiertes Denken ist gefragt! Bei Gleichaltrigen besteht meistens großes Verständnis dafür, wenn die Antwort lautet: „Ehrlich gesagt: Ich weiß es noch nicht.“ Bei Eltern, Großeltern, Onkel und Tante und älteren Geschwistern, die diese Sorge schon hinter sich gelassen haben und mit beiden Beinen im Leben und bis zum Hals in Arbeit stecken, wird dieser Satz jedoch nicht unbedingt akzeptiert. Es folgen weitere Fragen, Hilfestellungen und gut gemeinte Ratschläge: „Kind, du musst doch einen Plan haben.“

Man könnte nun auf mehrere Arten reagieren. Wer schon einen Plan hat, hat es leicht und schießt mit der Antwort heraus: „Ich möchte zu Organisation/Firma XY.“ Damit hat sich das Gespräch erledigt. Man ist noch einmal davongekommen. Und auch wenn Firma XY noch nicht fest steht, lohnt es sich hier manchmal einen kleinen Flüchtigkeitsfehler zu begehen und sich etwas auszudenken, um den mitleidigen Blicken und den gut gemeinten Ratschlägen bis auf Weiteres zu entkommen.

Manchmal genügt es auch schon eine grobe Richtung für den Lebensweg anzugeben: „Thema XY interessiert mich sehr, hier sehe ich mich in ein paar Jahren Fuß fassen.“ Ist nicht ganz so beruhigend wie die oben skizzierte Lösung, aber immerhin weniger fehlerhaft. Genauigkeitsquote von 50 Prozent würde ich sagen. Und die anderen 50 Prozent sind noch frei verfügbar um einen Richtungswechsel vorzunehmen. Ob sich die Verwandten damit jedoch zufrieden geben werden? …

Aber warum sollte man mit der Familie nicht auch so umgehen wie mit neuen Bekanntschaften? Schließlich kennen sie einen selbst nur zu gut und Flüchtigkeitsfehler ̶̶ ich möchte es nicht Lüge nennen ̶̶ wie in Möglichkeit 1 und 2 dargestellt, werden oftmals zu früh als Finte enttarnt. Man ist also am ehrlichsten und begnügt sich und alle anderen damit, dass man keinen auch noch so klitzekleinen Plan hat. Natürlich ist damit niemand so richtig zufrieden. Wir selbst nicht, weil wir mit dieser Unsicherheit leben müssen und die Frage bis zum Abschluss beständig in uns brodelt. Und andere nicht, weil wir damit selbst die Bodenständigsten unserer Verwandtschaft zum Wanken bringen können – sei es deshalb, weil sie sich Sorgen um unsere Zukunft macht oder weil unsere Antwort lange verborgene Selbstzweifel in ihr zum Vorschein bringt. „Habe ich mich damals eigentlich richtig entschieden oder die sicherste und einfachste, aber doch die falsche Entscheidung getroffen?“

Diese Frage kann ich für niemanden beantworten. Nichtsdestotrotz steht meine Antwort, die genau genommen keine Antwort ist, fest: „Ich weiß es nicht“. Diese Antwort ist keineswegs befriedigend, aber muss es denn auf alles eine Antwort geben? Wir spiegeln mit unserer Unwissenheit nur den Zeitgeist unserer Generation wider – und mal ehrlich: Man liest und hört überall von Zukunftsangst, wieso sollte es also nicht auch uns selbst betreffen, die wir Teil dieser Gegenwart sind.

Liebe Verwandten, Freund_innen und Bekannte: Bitte akzeptiert meine Ehrlichkeit als ausreichend. Wie heißt es doch so schön? Ehrlich währt bekanntlich am längsten. Und ehrlich wehre ich mich am längsten gegen weitere lästige Fragerei.

Alle Folgen findet ihr unter http://speakup.to/tag/unser-universum.

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