Reisebericht: Uniater meets ARTbridge

Uniater ist eine freie Potsdamer Theatergruppe, in der Studierende und Alumni der drei Potsdamer Hochschulen auf und hinter der Bühne aktiv sind. Vom 6. bis 13. April haben sie einen deutsch-georgischen Austausch gemacht. Ein Gastbeitrag. Von Nina Gabrowski und Sina Schmidt.

Im Herbst 2016 bekamen wir auf Umwegen eine Anfrage der studentischen Theatergruppe ARTbridge von der Staatlichen Kunstakademie Tiflis, ob wir Interesse an einem deutschgeorgischen Austauschprojekt im Rahmen des deutsch-georgischen Jahres 2017 hätten? Hatten wir: Von Ende Oktober bis Anfang November 2017 besuchte uns ARTbridge eine Woche in Potsdam und zeigte u. a. das Theaterstück „Ma’at“ in der Oberen Mensa am Neuen Palais und eine Kunstausstellung mit eigenen Werken im Rechenzentrum – am Tag der Grundsteinlegung des Garnisonkirchenturms. Ein gemeinsamer Workshop für Interessierte an der FH Potsdam, Sightseeing und gemeinsame Kochabende rundeten das von uns organisierte Programm ab. Vom 6. bis 13. April 2018 sollte nun
der Gegenbesuch von uns in Georgien folgen, über den wir hier berichten wollen.

Tag 1: Berlin – Tiflis

Am Morgen des 6. April 2018 versammelten sich das zwölfköpfige Uniater-Ensemble plus Regisseurin Sina Schmidt und drei Musiker_innen am Flughafen Berlin-Schönefeld, um die Reise nach Georgien anzutreten. Bereits auf dem Flug wurden wir mit georgischem Wein und unfassbar süßer Estragonlimonade bekannt gemacht. Um 19.05 Uhr Ortszeit landeten wir schließlich gut gestärkt und beeindruckt durch den Flug über Teile des Kaukasus in Tiflis.

Georgien das Tor zum asiatischen und europäischen Kontinent, je nachdem von welcher Seite aus man schaut. Es grenzt an Russland, Aserbaidschan, die Türkei und Armenien und liegt eingebettet in das Schwarze Meer, das Kaspische Meer und den Großen Kaukasus.

Am Flughafen von Tiflis erwarteten uns freudig eine Gesandschaft der Theatergruppe ARTbridge und die beiden Organisatorinnen des Austauschs, Keti Megrelidze und Marina Chkhikvishvili. Mit einem komfortabel ausgestatteten Minibus wurde das Ensemble samt Gepäck in das mitten in der Tifliser Innerstadt gelegene Hotel Reverence, gebracht. Nach In-Beschlagnahme der überaus charmanten Zwei-, Drei- und Vierbettzimmer und unserem ersten typisch georgischen Salat und Sandwiches, ging es weiter in das gemütliche Shatre-Restaurant auf der Rustaweli-Avenue, eine der größten zentralen Straßen Tiflis‘, benannt nach dem georgischen Dichter Schota Rustaweli, der als bedeutendster georgischen Literat des Mittelalters gilt.

Köstlicher georgischer Wein, die traditionellen mit Rindfleisch oder Pilzen gefüllten Teigtaschen Khinkali und ein speziell auf Sand aufgebrühter türkischer Kaffee brachten unsere von der Reise ermatteten Lebensgeister zurück.

Nach dieser ersten Begegnung mit der zurecht gerühmten georgischen Küche, sollte die Gruppe – trotz des orthodoxen Karfreitags, an dem auch Georgien striktes Tanzverbot gilt – auch das Nachtleben von Tiflis kennen lernen: Zum Abschluss des Abends machte das Ensemble auf dringende Empfehlung der georgischen Gastgeber_innen nach einem kurzen Abstecher in das bekannte Art Gallery Café das „Berghain von Tiflis“, den Bassiani Club, unsicher. Der Club erstreckt sich im riesigen Gewölbe, das sich unter dem Stadion der Stadt befindet, und lockt die Crème de la Crème der europäischen DJ-Elite an. Das Bassiani und das Café Gallery sind für die georgische Jugend extrem wichtig: Nur hier, im Schutz der Dunkelheit und der Musik ist es möglich, Homosexualität, queere Lebensformen oder die Zugehörigkeit zu Subkulturen öffentlich zu zeigen, wohingegen schon allzu enge Umarmungen zwischen Frau und Mann in den Straßen und Parks der Stadt zu unangenehmen Zwischenfällen führen können. Zu feinster elektronischer Musik, die oft eine Symbiose mit traditionellen Rhythmuspattern und alten Harmoniestrukturen eingeht, tanzten wir hier in den nächsten Morgen.

Tag 2: Tiflis – Rustawi

Am zweiten Reisetag stand nach einem Frühstück im Hotel eine Stadtrundführung durch Tiflis an. Bei schönstem Sonnenschein schlenderte die Gruppe die Rustaweli-Avenue hinunter, vorbei am Parlament, der Oper, dem Museum für Moderne Kunst und dem Platz der Freiheit in Richtung Altstadt. Geführt wurde unsere kleine Reisegruppe von Keti und Giorgi, der zwar eigentlich Mitglied unseres Ensembles ist, es sich aber als gebürtiger Georgier nicht nehmen ließ, uns sein Land zu zeigen. Vom Platz der Freiheit aus ging es weiter in die Altstadt, vorbei an der vielleicht ältesten Kirche Georgiens, der Antschischati Basilika, in der wir einer orthodoxen Ostermesse beiwohnen konnten. Frauen betreten orthodoxe Kirchen nur mit bedecktem Kopf und langen Beinkleidern – für Touristen und sommerlich freizügig gekleidete Frauen stehen in nahezu jedem Gotteshaus Körbe mit verschiedenen Tüchern bereit, die frau sich für den Besuch der Kirche ausleihen kann. Die Atmosphäre war feierlich, das dunkle Gemäuer war nur spärlich durch Kerzen und einige, die dicken Mauern passierende Sonnenstrahlen erleuchtet. Weihrauch schwängerte die Luft und die Geistlichen trugen bodenlange, tiefschwarze Gewänder, über die wallend rauschende Bärte fielen. Die Männer trugen ihr langes Haar zum Zopf oder Knoten gebunden und sangen unablässig mehrstimmige mittelalterliche Gesänge, die fremd und vertraut zugleich klangen.

Von der Basilika ging es weiter zur futuristischen Friedensbrücke, der Sioni-Kathedrale und dem berühmten Bezirk der Schwefelquellenbäder, in dessen Nähe sich ein Wasserfall befindet – der Name Tiflis leitet sich von den heißen Quellen ab, die hier ebenfalls zu finden sind. Die Architektur der Metropole spiegelt die Widersprüchlichkeit dieses Landes, das irgendwo zwischen Mittelalter und Moderne steht, wider: Kirchen über Kirchen, daneben barocke Opern- und Theaterhäuser, Gründerzeitstraßenzüge, sowjetische Monumentalbauten, heruntergekommene Plattenbauten und futuristische Neubauten stehen vielerorts als steingewordene Zeugnisse der Vergangenheit direkt
nebeneinander.

Am Mittag lernten wir weitere Spezialitäten der georgischen Küche kennen: Im Restaurant Melegrano gab es einen Lunch mit Adschapsandali (eine Art kaltes Gemüseragout) und Salat mit dem typisch georgischen Walnussdressing. Beim Essen studierten wir eifrig die Speisekarte und versuchten, Buchstaben zu erraten und einzelne Wörter zu entziffern: Die Georgier verfügen über eine eigene Sprache und Schrift, die sich wie Elbisch (Herr der Ringe) anhört und auch so aussieht. Das Georgische hat einen eigenen Sprachstamm und weist keinerlei Verwandtschaft mit den slawischen, indogermanischen oder iranischen Sprachfamilien auf, was es nicht unbedingt leichter macht, sie zu lernen.

Nach dem Essen ging es mit der Marschrutka, einem öffentlichen Minibus, nach Rustawi, der Heimatstadt von Uniater-Mitglied Giorgi, die etwa 25km südöstlich von Tiflis liegt. Dort ließ das Ensemble den Tag im Stadtpark, der einen See, eine mittelalterliche Burgruine und Überreste sowjetischer Skulpturen merkwürdig passend in sich vereint, ausklingen.

Tag 3: Mzcheta

Am orthodoxen Ostersonntag war ein Ausflug mit unserem kleinen Reisebus geplant. Erstes Ziel war das Dschwari-Kloster, circa eine halbe Stunde von Tiflis entfernt auf der Spitze eines Berges gelegen. Von hier aus hatte man einen wunderbaren Ausblick auf die Flüsse Aragvi und Kura sowie auf Mzcheta, die ehemalige Hauptstadt des iberischen Reiches und auch das Tagesziel unseres Ausfluges. Artbridge überraschte uns mit georgischem Osterkuchen, den wir gemeinsam auf einer sonnigen Frühlingswiese vor der alten Kirche genossen.

Auf dem Markt von Mzcheta gab es endlich Gelegenheit ausgiebig zu shoppen: Gewürze, handgefertigter Schmuck und traditionelle Souvenirs erfreuten unser Touristenherz. Anschließend besichtigte die Gruppe die Swetizchoweli Kathedrale, an deren Standort im vierten Jahrhundert nach Christus die erste Kirche Georgiens errichtet worden sei. Der Sage nach habe die Heilige Nino, die in Georgien als Heilerin und wichtige Missionarin verehrt wird, den Bau angeordnet, weil hier die Jüdin Sidonia begraben liege, die durch ihren Bruder ein Gewand Jesus Christus‘ erhalten habe und nach dessen Berührung gestorben sei. Es sei nicht möglich gewesen, das Gewand wieder aus ihren Händen zu nehmen. Auf ihrem Grab wuchs ein Zedernbaum, der später als Säule für die Kirche dienen sollte. Aber der Baum ließ sich nach dem Fällen nicht aufrichten. Erst nachdem die Heilige Nino eine ganz Nacht gebetet hatte, erschien ein Engel und der Baum richtete sich als Säule auf.

In der Kathedrale sind diverse Ikonen zu sehen, darunter ein Porträt von Jesus, das durch eine optische Täuschung Gänsehaut auslöst: Je nach Perspektive auf das Bild, sind die Augen des Heiligen geöffnet oder geschlossen. Zum Mittagessen ging es zurück nach Tiflis, wo unsere Gastgeber_innen uns auf einen lokalen Kunstmarkt führten, auf dem hauptsächlich einheimische Künstler_innen ihre Werke feilboten.

Zum Abschluss des Tages wurden wir mit einer Seilbahn auf den Berg Mtatsminda, den höchsten Aussichtspunkt von Tiflis, chauffiert. Von hier aus überblickten wir die ganze Stadt und ließen uns die wichtigsten Gebäude zeigen bis die Sonne hinter den Bergen verschwunden war und sich der wolkenlose Sternenhimmel in den Lichtern der Stadt widerspiegelte.

Tag 4: Kachetien

„Christi arstka!“ („Christ ist auferstanden“) – „Tscheschmaritad!“ („Er ist wahrlich auferstanden“). So grüßt man sich in Georgien zur Osterzeit, lernten wir am vierten Reisetag. Der Tagesausflug führte uns auf Serpentinenstraßen durch den Kaukasus in den Osten des Landes, in die Region Kachetien, die für ihren Wein berühmt ist. Dort besichtigten wir zunächst die Klosteranlage Dzweli Schuamta aus dem fünften Jahrhundert nach Christus, die verlassen mitten in saftig grünen Laubwäldern auf uns wartete. Der Weg zur Kirche war von großen Tonamphoren gesäumt und unsere Reiseführerin Marina erklärte uns, dass diese antik anmutenden Gefäße für die traditionelle georgische Weinherstellung genutzt worden seien.

Vom alten Schuamta Kloster fuhren wir weiter zur „neuen“ Klosteranlage, der Achali Schuamta, wo wir von einer freundlichen Nonne und überaus süßen Hundewelpen empfangen wurden. Unser Guide Marina erklärte uns hier, dass die alten georgischen Ikonen und Fresken mit einer unverwechselbaren Maltechnik hergestellt worden seien und sich durch ihren Stil und die Verwendung von Pastelltönen die Kirchenräume in Georgien deutlich von europäischen oder russisch-orthodoxen unterscheiden. Zu Zeiten der sowjetischen Besatzung des Landes wurden viele dieser bedeutenden Kunstwerke weiß übermalt, sodass heute nur noch wenige Kirchen Zeugnis von diesen Fresken und Ikonen ablegen.

Weiter ging es nach Sighnaghi, eine der kleinsten Städte Georgiens, die mitten im Gebirge liegt und von einer mittelalterlichen Stadtmauer umgeben ist, die sich weitläufig auf dem Bergrücken entlang schlängelt. Unsere Gastgeber_innen berichteten uns hier noch einmal von der traditionellen Technik des Weinbaus: Der Wein wird nicht in Holzfässern, sondern in in den Boden eingelassenen Tonkrügen gereift, wodurch er stärker wird und über eine ganz eigene Geschmacksnote verfügt. Georgien zählt mit einer über 7.000 Jahre alten Weinbautradition zu den Ursprungsländern des Weinbaus und bis heute legen die Menschen hier großen Wert auf den tiefdunklen Rot- und dengoldfarbenen Weißwein.

In Sighnaghi nutze das Ensemble die Möglichkeit, den typisch georgischen Wein sowie Tschatscha, einen vollmundigen Tresterbrand, zu verkosten und sich mit Tklapi, dem sogenannten Fruchtleder, und Tschurtschchela, kerzenartig aufgefädelten Wal- oder Haselnüssen in einer Kuvertüre aus Trauben- oder Granatapfelsaft, einzudecken.

Circa zwei Kilometer von Sighnaghi entfernt liegt das mitten im Kaukasus gelegene, malerisch von Zederbäumen eingefasste Kloster Bodbe, in dem nach der Überlieferung die Heilige Nino, die das Christentum nach Georgien gebracht haben soll, begraben liegt. Während einige von uns das Grab der Nino, das in einem Seitenflügel einer Kirche untergebracht ist, besichtigten, nahmen andere die knapp eintausend Stufen bergabwärts zur Quelle der Heiligen Nino auf sich. Obwohl die berühmte Taufkapelle bereits geschlossen war, in der es noch heute möglich ist, sich in ein weißes Taufgewand gekleidet mit dem ganzen Körper in das Heilwasser zu legen, umwob den Ort etwas Mystisches. Allein der Weg zur Quelle durch den noch zart begrünten Wald, in dem außer Vogelsang kein Geräusch zu hören war, versetzte alle in andächtiges Schweigen.

Wieder am Kloster angekommen genossen alle noch einmal den atemberaubenden Blick ins Tal, bevor es mit dem Minibus zurück nach Tiflis ging. Gegen 22 Uhr kehrte die Gruppe erschöpft zum Abendessen ins Hotel zurück, von wo aus einige mit Teilen des Artbridge-Ensembles die lokale Barszene unsicher machten.

Tag 5: Kutaisi

Am fünften Tag der Reise stand ein Tagesausflug nach Kutaisi auf dem Programm. Sie ist wie Mzcheta ehemalige Hauptstadt Georgiens und liegt im äußersten Westen des Landes in der Region Imeretien. Auf den kurvigen Straßen der kleinen Orte trieben freilaufende Kühe und sogar Schweine unbehelligt ihr Unwesen. In dieser Region, die sich durch ein unerwartet mediterranes Klima auszeichnet, besichtigte die Gruppe zunächst die Klosteranlage Gelati, ein Weltkulturerbe der UNESCO, das bedeutende sakrale Malereien beherbergt. Auf dem Weg nach Gelati nahm das Ensemble unerwartet einen orthodoxen Priester per Anhalter mit, der zu Fuß auf dem Weg dorthin war und zum Dank kurzerhand den Bus mit all seinen Insassen segnete.

Weiter ging es zum Motsameta Mönchskloster, von dessen abgelegenem Standort aus man einen überwältigenden Blick auf die umliegenden, saftig grünen, von einem wilden Gebirgsbach durchzogenen Wälder hatte.

Als Highlight des Tages folgte die Besichtigung der Prometheus Höhle, eine elf Kilometer lange, aus mehreren Höhlenkammern mit einer Höhe bis zu 20 Meter bestehende Tropfsteinhöhle, gelegen nah der Stadt Kumistavi. Der Sage nach versteckte sich Prometheus hier auf seiner Flucht vor den Göttern als er das Feuer auf die Erde brachte. In der beeindruckenden Höhlenlandschaft, deren Stalaktiten und Stalagmiten wie gotische Kirchenskulpturen anmuteten und Schatten warfen, die den Glauben an alte Sagengestalten wiederaufkommen ließen, dachten wohl die meisten an die berühmte Goethe-Ballade und die Frage stand im überwältigend eindrucksvollen Raum, ob die Prometheus Sage in Hinblick auf die Konflikte zwischen der jungen, westlich-geprägten Generation und den konservativen Kräften des Landes nicht aktueller sei denn je.

Aus vielen unscheinbaren Rinnsalen bildet sich in diesem Palast der Unterwelt Stück für Stück ein unterirdischer See, auf dem wir „den Hades“ mit einem Boot wieder verließen.

Ausgehungert von den Reizüberflutungen der Höhlenbesichtigung versorgten wir uns auf dem Rückweg mit Chatschapuri, ein mit Käse gefülltes Hefegebäck und der Gemüsevariante Lobiani, das mit würzigen Bohnen gefüllt ist. Chatschapuri stellt eine Art Grundnahrungsmittel der Georgier dar und wird zu nahezu jedem gemeinsamen Essen gereicht.

Tag 6: Batumi

Am vorletzten Reisetag brach das Ensemble schon am frühen Morgen mit dem Zug nach Batumi auf, die zweitgrößte Stadt Georgiens, gelegen am Schwarzen Meer. Am Flughafen erwartete uns ein Shuttlebus vom Staatlichen Jugend- und Puppentheater Batumi, von dem aus wir erste Eindrücke der imposanten Stadtarchitektur auf uns wirken lassen konnten. Gleichzeitig ließ das offizielle Theatermobil uns langsam wieder daran denken, weshalb wir nach Georgien gekommen waren: Theaterspielen!

Nach der Einquartierung im luxuriösen Hotel Chao und einer kurzen Besichtigung des Batumi Youth and Puppet Theatre, dem Ort, an dem unser Gastspiel „#netscape“ gezeigt werden sollte, speisten wir zunächst einmal alle gemeinsam fürstlich im zentral gelegenen Restaurant BK, das sich direkt gegenüber einer riesigen Skulptur von Medea, die das goldene Vlies in der Hand hält, befindet. Neben Chatschapuri und georgischem Salat wurden mehrere traditionelle Grillgerichte mit Fleisch und Gemüse serviert.

Danach bekamen wir eine Führung durch das archäologischen Museum von Batumi, wo sich beeindruckende Zeugnisse frühster Menschheitsgeschichte finden. Besonders die Goldkammer des Museums verdeutlichte uns, wie reich die Region, die sich einmal Kolchis nannte, einst gewesen sein muss. Wir philosophierten noch einige Zeit mit unseren Gastgeber*innen darüber, dass die Geschichte vom goldenen Vlies und Medea durchaus so zu verstehen sei, dass sich Georgien aufgrund seiner Schätze und fruchtbaren Erde immer in bedrohter Lage befunden habe und angrenzende Länder versucht haben, das widerständige Land einzunehmen. Immer mehr verstanden wir die Statue der Mutter Georgiens, die über Tiflis thront: Die georgische Gastfreundschaft geht über alles, aber wer sich als Feind nähert, wird bitter bekämpft.

Diese Gedanken und so manch anderen tauschten wir während eines Spazierganges am Strand entlang des Schwarzen Meeres aus, bevor erneut ein mehrgängiges Dinner in unserem neuen Lieblingsrestaurant BK auf uns wartete. Danach zogen wir uns ins Hotel zurück, um letzte Absprachen für den Tag der Aufführung zu treffen und gemeinsam die zweihundert mitgebrachten Programmhefte zu falten.

Tag 7: Batumi

Die Aufführung der Uniater-Inszenierung „#netscape“ war für den letzten Reisetag im Batumi Puppet and Youth State Theatre angesetzt. Gegen 11 Uhr begannen wir mit dem Bühnenaufbau sowie Licht- und Soundproben. Das Ensemble hatte sich zur Erledigung verschiedener Aufgaben aufgeteilt: Während die einen das Bühnenbild aufbauten, richteten andere die Garderoben ein und wieder andere präparierten das Foyer für die zum Stück gehörende Ausstellung. Nach einem schnellen Mittagessen begann das Ensemble mit Maske und Kostüm und führte letzte Ablaufproben durch. Es machte großen Spaß, dieses professionelle und gut ausgestattete Theaterhaus bespielen zu dürfen und gelegentlich streiften neugierige Blicke der Theaterbelegschaft die offenen Türen zum Saal. Je weiter unsere Arbeiten und Proben vorangingen,

desto größer wurde die Aufregung. Wie würde unser Stück in diesem Land ankommen, wo social media ein wichtiger Zugang zur westlichen Kultur ist und von der Jugend sehr unbefangen genutzt wird? Würde man unsere unkonventionelle Produktion, die mit dokumentarischem Textmaterial, verfremdeten Barockklängen, Schwarzlicht und einem raumübergreifenden Inszenierungskonzept arbeitet, überhaupt verstehen?

Um 18:30 Uhr öffneten sich die Pforten des Theaters für das Publikum, das sich zunächst unsere Ausstellung der Originalquellen des Stückes zum Thema social media ansehen konnten. Von menschlichen Siris geleitet, bekamen die Zuschauer_innen einen ersten Eindruck von den im Stück verwendeten Originaltexten, -beiträgen und -videos. Außerdem konnten sie sich am „Selfiespot“ auf der Uniater-Facebookseite verewigen. Um 19 Uhr begann dann die „eigentliche“ Aufführung. Sie wurde von zwei georgischen Fernsehteams gefilmt, deren Beiträge auf der Uniaterseite zu finden sind. Das dokumentarische Stück, das mit barocker Live-Musik arbeitet, kam beim bunt gemischten Publikum überraschend gut an. Besonders unsere Choreografien und das Spiel mit verschiedenen Leuchtelementen beeindruckte die Zuschauenden nachhaltig. Vermutlich sind experimentelle Theaterformate und die Beschäftigung mit sowie der Einsatz von digitalen Medien in georgischen Theatern bisher eher eine Seltenheit. Besonders das jüngere Publikum fand sich wohl in unserem Thema wieder und auch unser Umgang mit Geschlechterrollen – alle tragen auf der Bühne das gleiche schwarze Kostüm und oft spielen Frauen Männer und umgekehrt – traf wohl
den Nerv der Zeit.

„#netscape“ wurde nach der Aufführung öffentlich sowohl für das Thema, als auch seine Umsetzung in szenisches Material von einer Gesandten des Kultusministeriums der Region Adjara hoch gelobt und wir vor laufender Kamera eingeladen, im August wiederzukommen, um an einem internationalen Theaterfestival für professionelles Theater in Batumi teilzunehmen.

Nach der Aufführung ging es für ein Abschiedsessen mit den Georgier_innen ein letztes Mal ins BK, wo wieder kräftig aufgetischt wurde. Zum üppigen und überaus leckeren Essen hatten unsere Gastgeber_innen einen großen Kanister Weißwein von einem hiesigen Weingut besorgt, mit dem wir und Artbridge auf die erfolgreiche Aufführung und die überwältigende Reise anstoßen konnten. Gesättigt und leicht beschwipst trat das Ensemble gegen Mitternacht die Rückreise an, zunächst mit dem Nachtzug zum Flughafen Tiflis und anschließend mit dem Flieger zurück nach Deutschland, wo das Ensemble schließlich, am Freitag, den 13. April glücklich und müde eintraf.

 

 

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