Für viele ist das Studium ein weiterer Fakt im Lebenslauf mit dem Ziel Berufswelt. Aber nicht nur das: Die Uni kann auch der Ort sein, an dem wir Freundschaften fürs Leben schließen. Nicht immer jedoch lassen sich diese zwei Vorhaben vereinbaren, denn im Hinblick auf die künftigen Karrierechancen werden aus Kommiliton_innen plötzlich Konkurrent_innen. Oder nicht? Teil 7 der Serie aus dem Uni-Universum. Kolumne von Katja Rink.
Vor einer Woche erst zum Studium in die Stadt gezogen. Außer dem des Mitbewohners noch keine neuen Kontakte im Adressbuch. Heute: Dein erster Tag an der Uni. Du öffnest die Tür zum Hörsaal. Noch sind die Plätze spärlich besetzt. Du wirfst einen weiten Blick quer durch den Raum und musterst deine angehenden Mitstudierenden. In diesem Moment ist dir nicht bewusst, dass du im Begriff bist, eine weitreichende Entscheidung zu treffen. Intuitiv setzt du dich zu dem Mädchen mit den blonden Locken. Oder zu der Gruppe Jungs mit Jutebeuteln in der vorletzten Reihe. Oder ganz nach vorne zu dem etwas älteren Studenten. Egal auf wen die Wahl fällt: Dies könnte der Anfang einer langen Freundschaft sein.
Der Vorlesungssaal ist nur eine von vielen Optionen, um Bekanntschaften an der Uni zu knüpfen. In Seminaren, Lern- oder Hochschulgruppen, einem Hochschulsportkurs oder in Mensen und Cafeteria hat man die Gelegenheit auch fachübergreifend Gleichgesinnte zu finden. Niemand ist dazu gezwungen, alleine durch den Unialltag zu marschieren. Trotzdem hört man in den Medien immer wieder davon, dass manche Studierende sich sogar bewusst dazu entschließen, Einzelkämpfer zu sein. Als Begründung werden steigender Druck und gesteigertes Konkurrenzdenken angeführt.
Dies wird zum einen dadurch vorangetrieben, dass zahlreiche Bachelorabsolvent_innen sich auf eine begrenzte Zahl an Masterplätzen bewerben. Relativ betrachtet, teilt sich die Masse an Bachelorstudierenden jedoch so stark auf, dass unter den Freunden und Freundinnen nur wenig potenzielle Konkurrenz sitzen dürfte. Viele wollen zum Masterbeginn ihren Wohn- und Studienort wechseln oder streben eine andere Spezialisierung an als man selbst. Hinzu kommt jenes gute Viertel an Bachelorstudierenden, die ihre universitäre Laufbahn nach dem ersten Abschluss beenden. Kein Grund also innerhalb des eigenen Freundeskreises die Ellenbogen auszufahren.
Noch abstrakter wird das Ganze, wenn man sich schon jetzt nach der Berufswelt richtet. Besonders in den Geisteswissenschaften und Fächern, in denen die Jobaussichten weniger euphorisch anmuten, wird das Trimmen des Lebenslaufs schon während des Studiums zum vermeintlichen Muss. Und damit auch der stetige Vergleich untereinander. Wer hat den passenderen Nebenjob? Wer die Hiwi-Stelle? Haben die anderen mehr Auslandserfahrung? Und hatte XY nicht letztens ein vielversprechendes Praktikum absolviert? Diese Fragen und der damit verbundene Neid vermögen es, einen Keil zwischen uns und unsere Kommiliton_innen zu treiben.
Sinnvoll und nötig ist das nicht, denn das, worum wir kämpfen – die große Karriere, die freie Entfaltung unseres individuellen Selbst – liegt noch völlig abstrakt in einer Welt, in die wir vor unseres Abschlusses nicht eintreten werden. Wir wissen oft noch nicht einmal, ob unser_e Banknachbar_in auf derselben Wolke wie wir schweben oder von einem ganz anderen Weg träumen. Bis zuletzt können wir nicht einschätzen, wer sich später in die Konkurrenz um einen Masterplatz oder einen Posten mischen wird und wer uns als Freund oder Freundin bis in das Berufsleben hineinbegleitet. Und in letzterem profitieren wir wiederum von an der Uni hergestellten Kontakten.
Worauf es im Endeffekt wohl ankommt, ist, welchen Wert wir der Instanz Freundschaft beimessen. Und ob wie ihr abstrakte Zukunftsängste opfern wollen. Denn was ist schöner, als nach einer miserabel gelaufenen Klausur mit Freundinnen und Freunden im Park Sanssoucis zu sitzen und Dampf abzulassen? Oder nach einem spannenden Seminar Gedanken auszutauschen. Oder in der nächsten Vorlesung genau zu wissen, wo und neben wem der eigene Platz ist.
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