Viele Jahre verbringen wir in Seminarräumen und Vorlesungssälen, um Lehrenden zu lauschen, halten uns langweilende Referate, schreiben scheinbar nutzlose Klausuren und schieben Hausarbeiten vor uns hin. Und spätestens, wenn die Abschlussarbeit an der Tür klopft, huscht es uns „Geistis“ mal wieder durch den Kopf: „Was fange ich nun eigentlich mit meinem Studium an?“. Damit sie trotzdem nicht als „Taxifahrer_innen of Arts“ enden, bieten sich nämlich ganz unterschiedliche Möglichkeiten. Von Fabian Lamster.
Tippe ich bei der Internetsuchmaschine meines Vertrauens „Jobs für Geisteswissenschaftler“ ein, begegnen mir ungefähr 1,3 Millionen unterschiedliche Ergebnisse. Scheinbar handelt es sich dabei also um eine Problemfrage, die nicht nur mich alleine beschäftigt. Teilweise erhalte ich gleich Weiterleitungen zu Job- und Praktikumsbörsen, bei denen jede_r sein Glück mit einer Bewerbung versuchen kann. Doch was nützen mir die attraktivsten Stellenausschreibungen, wenn ich gar nicht genau weiß, in welchen ich meine Stärken bestmöglich ausleben kann, was meine Stärken überhaupt sind?
Wo bin ich „gut“? Welche Dinge begeistern mich seit Jahren?
Doch was kann ich tatsächlich besser als „Normalsterbliche“? Und wirkt es im Allgemeinen nicht anmaßend, wenn ich für mich selbst festlege, welche Dinge ich „gut“ kann?
Wenn du ehrlich bleibst, wohl eher nicht. Warum also nicht einmal eine Liste mit 40 oder 50 Hobbys, Interessen und Talenten erstellen, die du gerne machst, dich seit Jahren bewegen oder schon dein gesamtes Leben begleiten? Dass du außerordentlich gerne Schokolade isst, mag witzig klingen, bringt dich aber (wahrscheinlich) dahingehend nicht weiter. Wenn du dich stattdessen in einem Verein engagierst, für Sprachen begeisterst (und während des Studiums an deinen Fremdsprachenkenntnissen feilst), seit Jahren eigene Comics zeichnest, leidenschaftlich gerne Gedichte oder über deine Lieblings-Fernsehserie auf deinem eigenen Blog schreibst: alles notieren.
Denn zu allererst sollte der Job (und das nicht nur für Geisteswissenschaftler_innen) eins machen: Spaß! Und das klappt natürlich nur, wenn du dir darüber im Klaren bist, womit du die 1440 Minuten pro Tag so füllst. Schnell wirst du feststellen, wie individuell und vielinteressiert du bist.
Sollte dir das zu analog (oder zu kompliziert) erscheinen, bietet selbstverständlich das Internet entsprechende Alternativen an. So kannst du innerhalb von wenigen Stunden im „UNICUM Jobtest“ oder dem „BOrakel“ der Ruhr-Universität Bochum Klick für Klick (kostenfrei) herausfinden, wo deine Talente liegen und in welcher Branche du damit gut aufgehoben sein könntest.
Ziele und Berufspotenziale des Studiengangs herausfinden
Dabei unterstützen dich häufig ebenso die Studienordnungen deines Fachs bzw. deiner Fächer, die du ja sowieso seit dem ersten Semester aus dem Effeff aufsagen kannst. Denn des Öfteren verfügen sie über einen Paragrafen mit dem Titel „Ziele des Studiums“, den du dir bei Unwissenheit oder Unsicherheit bestenfalls vor, aber natürlich ohne Weiteres während oder nach dem Studium zu Gemüte führen kannst.
Den gibt es in deiner Studienordnung nicht? Kein Problem. Dann schrecke nicht davor zurück, deinem Fachschaftsrat eine E-Mail zu schreiben oder (noch besser) einen persönlichen Besuch abzustatten. Kann er dich doch mit Informationen rund um das Studium versorgen, wozu die sich daran anknüpfende Berufsperspektive wohl genauso zählt. Gleiches gilt im Übrigen für die Lehrkräfte, speziell die Studiengangsleiter_innen, die mit Sicherheit wissen (sollten), welche Job-Optionen dein Studienfach bietet.
Ebenfalls eine Möglichkeit: die grünen, hosentaschenunfreundlichen „Studien- & Berufswahl“-Wälzer, die die Bundesagentur für Arbeit jedes Jahr neu herausgibt und allen Abiturient_innen kostenfrei zur Verfügung stellt. Egal, ob du nun Judaistik, Kulturwissenschaft oder Germanistik als Studienfach ins Herz schließst: Für nahezu jede Geisteswissenschaft (und jedes Studienfach) bietet das Buch den Unterpunkt „Beschäftigungsmöglichkeiten“ an, der aufdeckt, wohin deine berufliche „Reise“ mit diesem oder jenem Studium gehen kann.
Die Uni Potsdam hilft mit „Career Service“ und „Ab in die Praxis“
Auf dem Weg vom Studien- zum Joballtag gibt dir die Universität Potsdam die Möglichkeit des „Career Service“ mit an die Hand. Dieser ermöglicht beruflich unentschlossenen oder unsicheren Studierenden nicht nur Beratungsgespräche am Neuen Palais, sondern pro Semester ein vielfältiges Programm aus Workshops und Seminaren, die dir zum Beispiel in Sachen Berufsorientierung, Bewerbungen und soziale Kompetenzen zu studentenfreundlichen (teilweise gänzlich kostenfreien) Beträgen die Augen öffnen und wertvolle Erfahrungen liefern.
Mit diesen kannst du dich anschließend, zusammen mit den dir nun (bestenfalls) schon bekannten Talenten und Fähigkeiten, an unterschiedlichste Stellenausschreibungen wagen. Auch hier gilt: Übung macht den Meister. Und die „perfekte“ Bewerbung gibt es sowieso nicht, weswegen du dich einfach beim Praxisportal auf AbInDiePraxis.Uni-Potsdam.de umschauen sowie einige Stellenausschreibungen durchgehen solltest. Beim genauen Lesen fällt dir mit Sicherheit schnell auf, welche Anforderungen gern „erwünscht“ sind und inwieweit du der/dem potenziellen zukünftigen Arbeitgeber_in helfen sollst. Das gilt umgekehrt natürlich genauso: Schaue dir das Unternehmen mitsamt Firmenwebseite genau an und überlege, wie du dich konstruktiv einbringst, welche Dinge du (begründend!) anders handhaben würdest etc. Besonders wichtig: Belege deine Ausführungen und Kompetenzen immer an praktischen Beispielen, aus denen sie sich konkret ableiten lassen.
Alles wird gut, liebe Geisteswissenschaftler_innen!
Selbst, wenn du theoretisch nun weißt, wie du vielleicht den Sprung ins Berufsleben packst: Es ist natürlich leichter gesagt als getan. Dennoch belegt eine Statistik zum Akademikerarbeitsmarktbericht der Bundesagentur für Arbeit aus dem August 2013, dass die Arbeitslosenzahlen bei ehemaligen geisteswissenschaftlichen Studierenden weiter sinken und angehenden Absolvent_innen bezüglich einer Tätigkeit à la „Taxifahrer_in of Arts“ nicht Bange sein muss.
Trotzdem legt das Dokument genauso dar, dass sich ihr Berufseinstieg schwierig gestalten kann, da es selten exakt auf ihr Studienprofil zugeschnittene Ausschreibungen gibt. So sollten „Geistis“ folglich auf ihre vielfältigen Interessen setzen, beruflich flexibel sein, in mehreren Berufszweigen auf einmal suchen und sich dabei immer „einfach“ auf das konzentrieren, was ihnen Freude bereitet.
Gibt es für ein Talent noch keinen Berufszweig, lohnt sich das ganze möglicherweise für eine Umsetzung im Web. So oder so gilt: Probiere dich! Traue dich etwas! Denn bei einer Jobvielfalt wie im 21. Jahrhundert kann es schon schwer fallen, sich zu entscheiden. Zumal wir Geisteswissenschafts-Studis unmöglich nach allen Sternen am (Job-)Himmel auf einmal greifen können.
Eine Antwort auf „Quo vadis, Geisteswissenschafts-Studis?“