Nach Fiasko von Basel Arbeitssieg in Leipzig

Nur noch wenige Tage bis zum Start der Fußball-Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine. Dabei hat sich in den letzten Tagen im Lager der deutschen Nationalelf einiges getan. Vier Spieler sind abgereist, sodass das EM-Aufgebot feststeht sowie zwei Generalproben in Freundschaftsspielen gegen die Schweiz und Israel anstanden. Einen aktuellen Zwischenstand gibt Fabian Lamster.

Am Pfingstmontag war es so weit. Überraschendweise gab der Bundestrainer Joachim Löw bereits zwei Tage vor Fristende seine vier Streichkandidaten aus dem Kader für die Endrunde der EM 2012 bekannt. Dabei traf es den achtzehnjährigen Julian Draxler von Schalke 04, Dortmunds Sven Bender, den Stuttgarter Cacau sowie den jungen Gladbacher Keeper Marc-André ter Stegen.

Julian Draxler dürfte dabei nicht traurig über die Abreise gewesen sein, da er selbst mit einer Einladung in den näheren Kader für die EM nicht gerechnet hatte und nun in aller Ruhe sein Abitur machen kann.

Sven Bender hingegen wurde es zum Verhängnis, dass in Löws Mittelfeld schlicht ein Überangebot hochambitionierter Spieler auf der zentral-defensiven Position besteht. Sein Zwillingsbruder Lars Bender, Ilkay Gündogan, Toni Kroos, Sami Khedira und Bastian Schweinsteiger dürfen bei der Europameisterschaft diese Position bekleiden.

Über solch eine mannigfaltige Auswahl verfügt Joachim Löw im Sturm nicht unbedingt, trotzdem musste auch Stuttgarts Cacau seine Sachen packen. Nach überwiegend schwacher Saison im Verein und mäßigen Jokerleistungen verbleiben damit nur Miroslav Klose und Mario Gomez im Angriff, was möglicherweise im Laufe des Turniers zu einem Problem werden könnte, wenn einer der beiden sich verletzt.

Wenig Anlass zur Freude hat auch Marc-André ter Stegen. Nach einer überdurchschnittlichen wie souveränen Saison bei Borussia Mönchengladbach zählt auch er nicht zum endgültigen deutschen EM-Kader, obwohl er erst am 26. Mai sein Nationalmannschaftsdebüt in Basel gegen die Schweiz feierte. Allerdings konnte er wie die Mehrheit der deutschen Spieler dort die Erwartungen nicht erfüllen, wirkte nervös und sorgte mit einigen Unsicherheiten und Fehlern dafür, dass die 5:3-Niederlage zustande kam.

Doch jetzt allein ter Stegen die Schuld an der Niederlage gegen die Schweiz zuzuschreiben, wäre zu einfach. Zu gravierend waren die Fehler, welche sich in allen Mannschaftsteilen offenbarten.

Dabei wirkte vor allem die Viererkette um Benedikt Höwedes, Per Mertesacker, Mats Hummels und Marcel Schmelzer dermaßen instabil und uneingespielt, dass die Schweizer Mannschaft teilweise passen, flanken und schießen konnte, wie es ihr lieb war.

Vor allem Routiner Mertesacker, nach einer Verletzung seit wenigen Wochen wieder spielbereit, wirkte in vielerlei Szenen hüftsteif und physisch wie mental schlicht zu langsam. Auch das Dortmunder Gespann Hummels-Schmelzer, welches sich aus dem Vereinsfußball kennt und dort die Saison über fast durchweg harmonierte, offenbarte gegen die Schweiz Unstimmigkeiten. Auch Höwedes lief seiner Form auf der rechten Außenverteidigerposition hinterher.

Ähnlich schwach agierten die Mittelfeldspieler. Khedira und Götze waren im zentral-defensiven Mittelfeld nie dazu in der Lage, die eigene Abwehr vor den frech aufspielenden Schweizern zu entlasten, noch sorgten sie für offensive Impulse.

So hingen letztlich auch die Offensivkräfte selbst in der Luft. Manch einer fragte sich, ob Özil und Podolski überhaupt auf dem Platz waren. Andre Schürrle versuchte und rackerte viel, war allerdings damit an diesem Tag scheinbar allein auf weiter Flur. Miroslav Klose kann man dabei ebenfalls keine Vorwürfe machen. Er versuchte, sich die Bälle eigenständig zu erkämpfen, wenn schon keine mustergültigen Pässe oder Flanken kamen.

Erst nach der Pause, als Youngster Marco Reus für Özil und etwas später Draxler für Podolski eingewechselt wurden, kam ein Hauch von Offensivdynamik zurück in das Spiel der Deutschen. Diese wurde allerdings meist wieder durch grobe Patzer in der Abwehr erstickt, sodass das Team um Joachim Löw mit der 5:3-Niederlage insgesamt noch gut bedient war. Auch über weitere Tore auf gegnerischer Seite hätte man sich bei einer solch desolaten Vorstellung nicht beschweren dürfen. Zwar fehlten Joachim Löw zu diesem Zeitpunkt noch alle acht Nationalspieler des FC Bayern, was jedoch keinesfalls solch eine Vorstellung erklärt.

Am Pfingstmontag waren dann alle Spieler der Bayern vor Ort und trainierten erstmals mit ihren Nationalmannschaftskollegen. Jedoch mit einer Ausnahme: Bastian Schweinsteiger. Er musste mit dem Training pausieren, da eine Wadenverletzung aus dem verlorenen Champions-League-Finale ein Training unmöglich machte. Der Rest bereitete sich akribisch auf die zweite Generalprobe, ein Freundschaftsspiel gegen Israel vor heimischem Publikum in Leipzig, vor.

Dieses ging am letzten Donnerstag über die Bühne und wurde mit 2:0 gewonnen. So weit so gut. Doch was sich auf dem Papier ganz nett liest, war in Wirklichkeit ein mühsam erkämpfter Arbeitssieg gegen ein sehr schwaches Team aus Israel.

Die in Basel noch von der Schweiz zerlegte Viererkette stand mit Philipp Lahm, Holger Badstuber, Per Mertesacker und Jérôme Boateng zwar um einiges stabiler als noch vor 5 Tage vorher, wurde aber auch nicht annähernd so gefordert. Wenig Arbeit hatte auch Stammkeeper Manuel Neuer, welcher für ter Stegen zwischen den Pfosten stand.

Israel wirkte über weite Strecken wie ein Trainingsspielgegner, der sich ausschließlich auf die Defensive beschränkte und die Eigeninitiative in der Offensive nur in Notfällen suchte. Dabei blieb eine mitreißende deutsche Gala, wie noch in den Freundschaftsspielen gegen Holland oder Brasilien, aus.

In der ersten Halbzeit versuchte man konsequent, das israelische Abwehrbollwerk über die Außenpositionen zu knacken, was ohne Erfolg blieb. Als dann Sami Khedira einmal einen zentralen Pass in Richtung Spitze brachte, welchen Müller mit der Hacke weiterverarbeitete, bekam Mario Gomez den Ball vor die Füße und sorgte mit einem Gewaltschuss aus kurzer Distanz für die Führung der Deutschen in der 40. Minute. So blieb es auch bis zum Halbzeitpfiff.

In der zweiten Halbzeit spielte Deutschland dann engagierter und spielfreudiger als in Halbzeit eins, auch wenn abermals das runde Leder nicht seinen Weg ins gegnerische Netz fand. Erst Leverkusens André Schürrle, für den auch an diesem Tag schwachen Lukas Podolski eingewechselt, sorgte für mächtig Alarm und krönte seine schier unbändige Spielfreunde in der zweiundachtzigsten Minute mit einem herrlichen Schuss zum 2:0 Endstand.

Damit wurde die Pflichtaufgabe ohne Frage diszipliniert und kontrolliert erfüllt. Doch neue Erkenntnisse brachte sie nicht unbedingt. Torwart Neuer verlebte einen ruhigen Arbeitstag. Gleiches gilt für die Viererkette. Sie hätte unbedingt mehr geprüft werden müssen, da nach dem Spiel gegen Israel nicht klar ist, ob sie für die Offensivkünstler aus Portugal, Dänemark und Holland bei der EM 2012 gewappnet ist.

Auch von der Offensive ist das Freundschaftsspiel gegen Israel kein Meilenstein gewesen. Lukas Podolski wirkt nicht in Form, während Özil, Kroos und Müller durch ihre Laufbereitschaft und kluge Pässe auf sich aufmerksam machten, die jedoch letztlich zu selten Zählbares nach sich zogen.

Abermals ist den Stürmern Gomez und Klose kein Vorwurf zu machen. Beide waren gleichermaßen engagiert, zumal Gomez nicht zuletzt mit dem Führungstor die Weichen auf Sieg stellte.

So bleiben dem Bundestrainergespann um Joachim Löw und Hans-Dieter Flick alles in allem noch acht Tage bis zum EM-Auftaktspiel gegen Portugal. Zeit, um alle Spieler bestmöglich in Form zu bringen und eine Viererkette zu finden, welche den iberischen Ballzauberern aus Portugal etwas entgegensetzen kann.

Ob dann auch Bastian Schweinsteiger in der ersten Elf steht, ist offen. Zwar ist er mittlerweile schmerzfrei und wird in den nächsten Tagen wieder mit dem Mannschaftstraining beginnen, jedoch muss man sehen, wie seine Trainingseindrücke sind. Sollte er fehlen, dürften auch gegen Portugal Khedira und Kroos die zentral-defensiven Positionen belegen. Davor dürften Podolski, Özil und Müller die offensiven Positionen im Mittelfeld bekleiden, auch wenn Ersterer nach schwachen Leistungen eventuell durch André Schürrle ersetzt wird und eine Denkpause erhält. Auf der Sturmposition ist es schwer vorherzusehen, wer letztlich spielen wird. Miroslav Klose war lange verletzt und ist erst seit einigen Wochen wieder im Training, während Mario Gomez noch in guter Verfassung ist, aber eine lange Saison hinter sich hat.

Unabhängig davon, wer sich letztlich am 9. Juni im ukrainischen Lwiw in der Startaufstellung wiederfindet: Ausgenommen von Keeper Manuel Neuer ist von allen Spielern eine Leistungssteigerung notwendig, wenn die EM 2012 mit einem Auftaktsieg gegen Portugal begonnen und allgemein erfolgreich gestaltet werden soll. Denn Portugal, Niederlande und Dänemark spielen auf einem anderen Level als Aufbaugegner Israel und die Schweiz. Spielt man gegen sie ähnlich lethargisch und ideenlos wie in den Freundschaftsspielen, wird es aus deutscher Sicht eine kürzere Europameisterschaft, als allen lieb ist.

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