Andere Länder haben andere Sitten. Das weiß Clara Hülskemper von ihrem Auslandsjahr in Kamerun zu berichten. Ihre Erfahrungen und die Reiseberichte ihres Vaters hat sie in dem Buch „Ein halber Monat und ein ganzes Jahr“ verarbeitet. Auf einer Lesung stellte die Potsdamer Politikstudentin ihre Erlebnisse vor. Von Katharina Golze.
Körbe werden auf den Köpfen getragen, Spaghetti werden auf Baguette gegessen und eine Tour durch den Regenwald steckt voller Abenteuer: Das ist Kamerun. Über dieses Land haben Clara und Michel Hülskemper ein Buch geschrieben. „Ein halber Monat und ein ganzes Jahr – Erlebnisse in Kamerun“, eine Sammlung aus 50 Blogartikeln sowie Rundbriefen und Reiseberichten. In einer kleinen Kneipe unter dem Babelsberger S-Bahnhof haben Vater und Tochter Freund_innen und Reisebegeisterte zu einer Lesung eingeladen. Während Clara von ihren Alltagserlebnissen berichtet, liest Michel aus seinen Reiseberichten vor. Er und seine Frau hatten Clara zwei Wochen in Kamerun besucht.
Eigentlich wollte sie in den asiatischen Raum, begrüßt Clara die Zuhörer_innen. „Es lag aber nicht an meinen fehlenden geografischen Kenntnissen, dass ich in Kamerun gelandet bin“, witzelt die Politikstudentin. Kamerun war mehr Zufall als ein Wunschland für ihren Freiwilligendienst, doch schnell fühlt sich die Westfälerin dort wohl. Sie lebt in einem 8000-Mann-Dorf namens Baham in den Bergen – ein Ort, in dem es noch einen König gibt – und wohnt direkt in ihrer Arbeitsstätte: im Centre. Das Centre ist eine Einrichtung für Kinder und junge Erwachsene mit geistiger und körperlicher Behinderung. Hier werden die 8- bis 27-Jährigen betreut, unterrichtet und können eine Ausbildung zum Schneider, Schuster oder Handwerker absolvieren. „Der Laden läuft da von selbst“, erklärt Clara, denn jeder hilft jedem.
Beim Unterrichten Französisch gelernt
Clara unterrichtet drei Kinder: Carine, Winnie und Lionel. Mehrere von ihnen stellt sie in ihrem Buch vor. Darunter auch Lionel. Er ist auf einem Ohr komplett taub und auf dem anderen zu 90 Prozent eingeschränkt, dennoch spricht er gern und hat Spaß daran, Clara jeden Morgen mit einem lauten „Bam bam“ zu wecken. Nur merkt er meist nicht, dass sein Weckruf viel zu laut ist. Auch im Unterricht macht er gern in voller Lautstärke mit.
Gelehrt wird auf Französisch. In Kamerun wird je nach Region Englisch und Französisch gesprochen, zudem gibt es unzählige Dorfsprachen. Baham liegt im französischen Teil Ouest. „Nach drei Monaten war
das Schlimmste überstanden“, weiß sie zu berichten. Heute kann sie fließend Französisch, nur habe sie sich den kamerunischen Dialekt angewöhnt. So spricht sie beispielsweise das Wort „bien“ (gut) ganz anders aus und bringt ihre Französischlehrerin damit zum Verzweifeln. In Paris konnte sie nicht einmal ein Brötchen kaufen, weil die Dialekte zu verschieden waren, um sich zu verständigen.
Acht-Tage-Woche ist Normalität
Aber Clara hat noch viel mehr von der Kultur gelernt als Französisch. Beispielsweise ist Baguette mit Spaghetti eine echte Delikatesse in Kamerun. „Das gibt es an jeder Straßenecke und ist super lecker“, erzählt sie. Eingekauft wird auf dem Wochenmarkt, der alle acht Tage stattfindet. Denn das westafrikanische Land hat einen anderen Wochenkalender als wir. Dort hat die Woche acht Tage anstatt sieben. Auf dem Markt wird gehandelt, denn man bezahlt nicht nach Stückzahl oder Bund, sondern gibt zuerst den Preis an, den man zahlen will, und bekommt dann seine Zutaten. Konservendosen werden als Messbecher benutzt. Und wenn man über 2000 Franc bezahlt, gibt es sogar ein Geschenk dazu, etwa eine Tomate. Auch bei Taxifahrten wird verhandelt. Aber selbst, wenn man sich zehn Minuten über den Preis gestritten hat, sind die Gespräche während der Fahrt sehr unterhaltsam, berichtet Clara.
Eine weitere Anekdote erzählt sie über ihre Haare. Clara hat ganz normale hellbraune Haare, doch die Kameruner lieben es. Oft wird ihr auf der Straße Geld für ihre abgeschnittenen Haare geboten oder einfach über den Kopf gestreichelt. Den kamerunischen Kindern wird von klein auf an gelehrt, dass ihre Haare nicht schön sind. An manchen Schulen müssen sich Mädchen und Jungen die Haare rasieren. Ansonsten werden sie geflochten oder Perücken getragen. Unter dem Publikum ist ein gebürtiger Kameruner. Er erzählt, dass immer montags die Haare und Fingernägel schön gemacht wurden. Das Publikum nutzt allgemein jede Möglichkeit, um sich einzubringen. Gern wird dazwischen gerufen, gelobt und kommentiert.
Ein Jahr ohne Reichtum und Überfluss
So erhält auch Michel viel Zuspruch, als er aus einem seiner Reiseberichte liest. Der Journalist erzählt von Früchten im Regenwald, die aussehen wie Schuhsohlen, und von einem Vogel, der nur um 10 Uhr schreit. Zudem liest er von einer turbulenten Busfahrt in Kameruns öffentlichen Verkehrsmitteln vor, auf der er mit einem Einheimischen ins Gespräch kommt und Relikte deutscher Kolonialherrschaft entdeckt, etwa eine Eisenbahnbrücke, die immer noch steht. Aber auch Brötchen sind noch eine Erinnerung an die deutsche Geschichte in Kamerun. Als Highlight empfiehlt Michel den Mount Camerun. Das ist ein Vulkan, der an der einen Seite ins Meer stürzt und auf der anderen im Regenwald endet.
Für Clara hat dieses Jahr viel verändert. Zwar stand ihre Favoritenuniversität Potsdam bereits vor dem Abflug fest, allerdings hat sich ihr Wunsch, internationale Politik und Entwicklungszusammenhänge zu studieren, verstärkt. Heute, so sagt sie, konsumiert sie viel bewusster, denn sie war ein Jahr von Reichtum und Überfluss abgeschottet. Allgemein ist „Ein halber Monat und ein ganzes Jahr“ ein Reiseführer mit den schönsten Orten des Landes sowie ein Tagebuch voller persönlicher Erlebnisse im Alltag von Kamerun. Für einen ersten Leseeindruck stellen wir euch hier einen Auszug aus dem Buch zur Verfügung. Viel Spaß beim Lesen und Kamerun entdecken! Mehr Informationen findet ihr auf der offiziellen Website zum Buch: http://www.kamerun-buch.de.
Ihr wollt schon einmal probelesen?
„Ich finde es schon krass, wie schnell ich mich wieder an Deutschland gewöhnt habe. Ich kann noch Fahrradfahren. Wenn ich ins Auto steige, schnalle ich mich automatisch an. Ich weiß noch, wie die Waschmaschine funktioniert und mittlerweile ist das warme Wasser unter der Dusche wieder selbstverständlich geworden.
Aber etwas ist dann doch anders. Als ich gestern an der Uni einen Professor kennenlernte, habe ich beim Händeschütteln unbewusst meine linke Hand an meinen rechten Unterarm gehalten. Ein Zeichen von Respekt. Vor ein paar Wochen hatten wir Besuch. Ich hatte dreckige Hände und anstatt sie schnell zu waschen, habe ich dem Gast einfach meinen Unterarm zum Schütteln hingestreckt. Mich stört es nicht mehr, wenn ich eine Viertelstunde auf den Zug oder die Bedienung im Café warten muss. Ich sage immer noch reflexartig „Pardon!“, wenn ich jemandem in die Hacken laufe.
Und immer wieder bin ich erstaunt, wie weiß Deutschland doch ist. Die Menschen, die Wände, die Böden, die Decken, die Möbel … Und so sauber! Und so ruhig! […]
Viele Leute stellen fest, dass ich im letzten Jahr gar nicht braun geworden bin. Oder sie fragen mich, ob mir denn nicht kalt sei, wo ich doch aus der afrikanischen Hitze käme. Ob ich in einer Lehmhütte gewohnt hätte. Ob es denn genug zu essen gab. Ob ich denn keine Angst vor den wilden Tieren gehabt hätte.
Kamerun ist unfassbar grün. Es gibt nicht mehr viele wilde Tiere, weil die Wilderei weit verbreitet ist. Diabetes und Fettleibigkeit sind in manchen Regionen zu einem großen Gesundheitsproblem geworden. Und ich habe noch nie so oft gefroren wie im letzten Jahr. All das hätte ich vorher nie für möglich gehalten. Mein Bild von „Afrika“ hat sich sehr verändert.“
© Auszug aus: Clara und Michel Hülskemper: Ein halber Monat und ein ganzes Jahr, Erlebnisse in Kamerun, Norderstedt 2015. 248 Seiten, Taschenbuch, 12 x 19 cm, ISBN 9 783738 624137, € 13,99.