1972, 1980, 1996, 2012?

r viele Liebhaber_innen des Sports mit dem runden Leder hat das Warten bald ein Ende. Fast genau sechs Jahre nach dem Sommermärchen der deutschen Fußballnationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft 2006 beginnt am 8. Juni die Endrunde der Fußball-Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine. Einen Tag später beginnt dann auch für Deutschland die Jagd auf die silberne Trophäe. Warum Deutschlands Fußballmänner 2012 den Titel holen und damit ein erneutes Sommermärchen zum Greifen nahe ist. Von Fabian Lamster.

16 Jahre ist es mittlerweile her, als die deutsche Nationalelf das letzte Mal Fußball-Europameister wurde. Viele Deutsche erinnern sich noch sehr gerne an den 30. Juni 1996 zurück. Im Finale der Europameisterschaft sorgte Oliver Bierhoff mit einem Golden Goal und dem entscheidenden 2:1 gegen Tschechien dafür, dass er Sportgeschichte schrieb und Deutschland nach 1972 und 1980 das dritte Mal den Titel gewann.

Seit diesem 30. Juni sind einige Jahre vergangen. Alle Spieler des damaligen Kaders haben ihre aktiven Profikarrieren beendet und sind gegenwärtig als Fußballfunktionäre, Teammanager oder Trainer tätig.
Zehn Jahre nach dem Gewinn der Europameisterschaft folgte das vielzitierte Sommermärchen, als die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland eine solche Euphoriewelle erzeugte, wie es sie vorher in kaum einem Gastgeberland gab. Deutschland verfiel innerhalb weniger Wochen dem Fußballfieber, Fanmeilen avancierten zu riesigen Partymeilen, ein Land war im Ausnahmezustand.

Einziges Manko des damaligen Sommermärchens war und bleibt, dass die deutsche Nationalmannschaft den Titelgewinn verpasste. Trotz des teilweise berauschenden Fußballs und unvergesslichen Momenten wie Jens Lehmanns parierte Elfmeter im Elfmeterkrimi gegen Argentinien blieb Deutschland mit dem dritten Platz nur ein Trostpreis. Den Titel schnappten sich die Italiener, welche die deutsche Elf in einem dramatischen Halbfinale bezwungen hatten.

Von den Helden des Sommermärchens sind aus gegenwärtiger Sicht mittlerweile nur noch Kapitän Philipp Lahm, Abwehrhühne Per Mertesacker, Mittelfeldmotor Bastian Schweinsteiger, der schussgewaltige Lukas Podolski und der auf den Pfaden des deutschen Rekordtorschützen Gerd Müller wandelnde Miroslav Klose übrig.

Doch auch Joachim Löw hat 2006 schon auf der Trainerbank gesessen, wenn auch nur als Co-Trainer von Jürgen Klinsmann. Dabei sind die von 2006 verbliebenen Spieler gegenwärtig tragende Säulen im Teamkonstrukt der deutschen Fußballnationalmannschaft.

Trotz alledem sind seit 2006 auch eine Vielzahl von neuen Spielern in das Team gerückt, welche bei der EM 2008, WM 2010 und auch zuletzt in der Qualifikation für die Europameisterschaft 2012 gezeigt haben, dass der deutsche Fußball in den letzten Jahren keineswegs an Qualität verloren hat. Infolgedessen marschierte die deutsche Elf mit zehn Siegen in zehn Spielen, 34 Toren und nur 7 Gegentoren durch die Qualifikation zur EM 2012 und bezwang in jüngster Vergangenheit die Fußballriesen Brasilien und Holland überzeugend in Freundschaftsspielen. Aus diesem Grund überrascht es wenig, dass das deutsche Nationalteam in diesem Jahr einer der engsten Favoriten auf den Titelgewinn ist. Dies ändert auch nicht die Tatsache, dass das letzte Freundschaftsspiel vom 29. Februar gegen Frankreich mit 1:2 verloren ging. Doch welche Spieler belegen nun voraussichtlich die einzelnen Positionen im deutschen Team und machen die Elf um Joachim Löw zum engeren Titelkandidaten?

Beginnen wir auf der Torhüterposition. Dort ist der für viele bereits als neuer Welttorhüter zählende Manuel Neuer die unumstrittene Nummer eins. Durch seine in den letzten Jahren überwiegend herausragenden wie souveränen Leistungen führt als erster Torhüter Deutschlands momentan kein Weg an ihm vorbei. Als Ersatzkeeper steht der noch bei Werder Bremen spielende Tim Wiese sowie aller Wahrscheinlichkeit nach Ron-Robert Zieler von Hannover 96 bereit. Letzterer durfte im November 2011 sein Nationalelf-Debüt in einem Freundschaftsspiel gegen die Ukraine feiern, hat jedoch mit Mark-André ter Stegen die gleichermaßen junge wie hochambitionierte Torhüterkonkurrenz im Nacken. Bis zur Bekanntgabe des finalen EM-Aufgebots wird Löw sich zwischen den beiden Letzgenannten entscheiden müssen.

Beim Blick auf die Abwehrfällt auf, dass diese im Zuge der EM-Qualifikation häufiger im medialen Fokus war, da die deutsche Elf trotz ihrer zumeist spielerischen Überlegenheit selten ein Spiel gegentorlos überstand. In der Innenverteidigung sind Per Mertesacker, Jérôme Boateng sowie Holger Badstuber wohl sichere EM-Teilnehmer, sollten sie vom Verletzungspech verschont bleiben. Jüngst äußerte Joachim Löw, dass er sich um die Teilnahme Mertesackers Sorgen macht, da dieser noch an den Folgen einer Bänderverletzung laboriert und damit möglicherweise nicht rechtzeitig zum Turnier in Topform ist. Davon profitieren würden der Dortmunder Mats Hummels und der Schalker Benedikt Höwedes, welche sich aber auch im Allgemeinen berechtigte Hoffnungen auf eine Bekleidung der Innenverteidigerposition bei der EM 2012 machen können.

Die Außenpositionen dürften Philipp Lahm und vermutlich Marcel Schmelzer abdecken. Ersterer fand sich in den letzten Saisonspielen des FC Bayern München erneut auf der Position des Rechtsverteidigers wieder, obwohl er seit dem ersten Spieltag der Fußball-Bundesliga als Linksverteidiger unterwegs war. Folglich spielte er auch im Nationalteam als Linksverteidiger, könnte aber nun konsequenterweise auf die rechte Seite weichen, auf welcher Benedikt Höwedes, Jérôme Boateng oder auch Christian Träsch im Laufe der EM-Qualifikation und Freundschaftsspiele nicht vollends überzeugen konnten. Joachim Löw nahm diesbezüglich Stellung und stellte klar, dass Philipp Lahm auch in der EM-Endrunde auf der Linksverteidierposition spielen soll, eben wenn das Verletzungspech dem Team erspart bleibt. Ansonsten dürfte Marcel Schmelzer den Stammelfplatz auf der Linksverteidigerposition sicher haben, da er bei Borussia Dortmund eine konstant überdurchschnittliche Saison gespielt hat.

Geht man in der Positionsübersicht weiter, folgt das Mittelfeld und damit eines der Prunkstücke der deutschen Nationalmannschaft. Mit teilweise überragenden Spielzügen und blindem Spielverständnis demonstrierten vor allem die Mittelfeldspieler in den zahlreichen Partien, welche Qualitäten sie innehaben. Dabei dürften im zentral defensiven Mittelfeld der zuletzt wieder spielbereite Bastian Schweinsteiger, Toni Kroos und Sami Khedira ihr EM-Ticket sicher haben. Alternativ stünden wohl auch die bei Leverkusen (Lars Bender) und Dortmund (Sven Bender) spielenden Bender-Brothers bereit. Auch der Name Ilkay Gündogan dürfte wieder in Joachim Löws Papieren auftauchen. Eindrucksvoll erkämpfte er sich in der Rückrunde seinen Stammplatz auf der zentralen Mittelfeldposition beim amtierenden und neuen deutschen Meister aus Dortmund zurück und war einer der Meisterschaftsgaranten im Saisonfinale der jetzigen Spielzeit.

Auf den Außenbahnen hat Bundestrainer Joachim Löw ein breites Repertoire an hochbegabten Fußballern parat. Dort drohen nicht nur Zwei-, sondern teilweise sogar Dreikämpfe um einen Startelfplatz. Hierbei dürfte auf der linken Seite der erfahrene Lukas Podolski den Vorzug vor DFB-Youngster Andre Schürrle erhalten.

Auf der Gegenseite hat Thomas Müller wohl die besten Karten, wenn es um den Stammplatz auf dem rechten Flügel geht. Von den in dieser Bundesligaspielzeit furios auftrumpfenden Gladbachern darf sich Wirbelwind Marco Reus Hoffnungen auf Einsatzzeiten machen.

Die zentrale offensive bzw. Spielmacherposition ist unumstritten für Mesut Özil reserviert. Mit Real Madrid ist er in diesem Jahr nicht nur spanischer Meister geworden, sondern avancierte auch zur unverzichtbaren Größe im Spiel der Königlichen aus Madrid. Gleichermaßen illustrieren seine 5 Tore und 7 Torvorlagen in der EM-Qualifikation, warum er auch für die deutsche Nationalelf so wertvoll ist. Sollte er aus Verletzungsgründen ausfallen, würden wohl der zuletzt wieder spielbereite Dortmunder Mario Götze oder der auch auf der Spielmacherposition einsetzbare Toni Kroos seine Position übernehmen.

Auf der noch ausstehenden Stürmerposition scheinen Miroslav Klose und Mario Gomez gleichauf. Beide spielen eine überwiegend starke Saison in ihren Vereinen und sorgten mit 9 (Klose) und 6 (Gomez) Treffern in der Qualifikation für fast 45 Prozent aller Tore der deutschen Elf. Kann einer von ihnen nicht an der Endrunde der Europameisterschaft 2012 teilnehmen, wäre wohl Stuttgarts Cacau der Nutznießer. Er erhielt dabei im letzten Freundschaftsspiel gegen Frankreich trotz damaliger schwacher Leistungen in der Bundesliga den Vorzug vor dem zeitweilig wie entfesselnd spielenden Mike Hanke von Borussia Mönchengladbach und dem in der Rückrunde furios aufspielende Patrick Helmes.

Doch wer letztlich in den finalen und 23 Spieler umfassenden EM-Kader der deutschen Nationalelf nominiert wird, bleibt offen, auch da jetzt Jungspund Julian Draxler vom Trainergespann Joachim Löw und Hans-Dieter Flick in den vorläufgen EM-Kader berufen wurde. Spätestens in den abschließenden Freundschaftsspielen, am 26. Mai gegen die Schweiz sowie am 1. Juni gegen Israel, wird klar sein, wer alles ein EM-Ticket einlösen wird.

Fakt ist jedoch auch, dass Profifußballer schnell zu schwerwiegenden körperlichen Verletzungen kommen können. Deswegen sollten insgeheim die Daumen gedrückt werden, dass alle Spieler im Stamm- und erweiterten Kader der deutschen Elf gesund bleiben.

Denn nur so kann die deutsche Elf dort weitermachen, wo sie in der Qualifikation für die Europameisterschaft und in den Freundschaftsspielen gegen Brasilien und die Niederlande aufgehört hat. Nur so kann in diesem Sommer nach 1972, 1980 und 1996 wieder Sportgeschichte geschrieben werden und sich ein zweites Sommermärchen, jedoch mit einem aus deutscher Sicht glücklicheren Ende, ereignen.

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