Start with a Friend: Wie aus Flüchtlingsarbeit Freundschaft wird

Dass Sprache und Kultur keine Barrieren sind, wissen Ryad und Alexandra. Der Syrier und die Potsdamerin haben sich über das Tandem-Programm ‚Start with a Friend‘ kennengelernt. Seit Oktober 2016 können sich dort Einheimische für eine Ankommenskultur für Geflüchtete einsetzen. Von Katharina Golze.

Alexandra Brachtendorf und Ryad Alsaleh sitzen im Cafe “Ecetera” im Potsdamer Bildungsforum und nippen an ihrem Kaffee. Hier haben sie sich damals im November das erste Mal getroffen. „Es war kalt und ich war sehr aufgeregt“, erinnert sich Alexandra. Mittlerweile sind fünf Monate vergangen, in denen aus einem ersten neugierigen Kennenlernen eine interkulturelle Freundschaft entstand. Ryad kommt aus Syrien und ist nun seit einem Jahr in Deutschland. Alexandra studiert Psychologie in Potsdam. Beide sind Teilnehmer_innen bei Start with a Friend.

Mehr als nur Sprachaustausch

Start with a Friend e.V. ist eine Berliner Initiative, die Geflüchtete und Locals auf Augenhöhe zusammenbringen möchte. Statt einer Willkommenskultur wird an eine Ankommenskultur appelliert, die Geflüchteten einen guten Start in Deutschland ermöglicht und zudem die Distanz zwischen Einheimischen und Zugewanderten abbaut. Dem Berliner Konzept haben sich mittlerweile mehrere Städte angeschlossen. Neben Aachen, Bonn oder Dresden gibt es auch in Potsdam die Initiative. Aus dem zuvor gegründeten „Sprachtandem“ ging im Oktober letzten Jahres das Start with a Friend-Projekt Potsdam hervor. Neu ist, dass der Hauptfokus nicht nur auf dem Sprachaustausch liegt, sondern dass auch Freundschaften und gegenseitige Unterstützung vermittelt werden können.

In Potsdam gibt es momentan 40 Tandems – dabei gibt es weder den typischen Local noch den typischen Geflüchteten. Die Altersspanne reicht von 18 bis 70 Jahren und auch ganze Familien finden in dem Tandem-Format zusammen. Auf Seiten der Geflüchteten melden sich hauptsächlich Männer an. „Viele sind Mitte 20 und haben in ihrer Heimat bereits ein Studium angefangen. Von Informatik, über Chemie und Wirtschaft aber auch Buchhaltung, Jura und Philosophie haben sie studiert“, berichtet Tandem-Vermittlerin Laura Jacobi. Bei den Locals ist es eher umgekehrt, hier liegt der Frauenanteil der Ehrenamtlichen bei 75 Prozent.

Eine neue Freundschaft

Alexandra und Ryad sind eines dieser 40 Tandems. „Ich hatte keinen Kontakt mit deutschen Leuten, aber ich wollte Deutsch sprechen. Auch hatte ich keinen Freund“, erklärt Ryad seine Motivation, sich bei dem Tandem-Programm anzumelden. Jetzt sei Alexandra seine beste Freundin, sagt er. Gemeinsam haben sie schon viel erlebt. Sie haben Berlin besucht, waren abends tanzen und momentan schreiben sie gemeinsam Ryads Bewerbungen. Nach Beendigung seines Deutschkurses möchte er sich auf eine Ausbildungsstelle als Bankkaufmann bewerben. Zwar hat der 26-Jährige bereits ein Diplomtitel in Syrien erhalten, dieser ist in Deutschland allerdings schwer übertragbar.

An ihrem ersten Treffen waren sie unter anderem mehrere Stunden spazieren, erinnert sich Alexandra. „Ich habe gedacht, ich drücke mich zu kompliziert aus oder rede zu schnell. Habe ich auch“, lacht die 23-Jährige. Doch Ryad habe sie gebremst. Seit Start with a Friend habe sich auch etwas in ihrem Leben geändert: „Durch die Geschichten, die ich von Ryad und seinem Freund Amad gehört habe, weiß ich mein Leben hier viel mehr Wert zu schätzen.“ Auch macht es ihr Spaß, Menschen aus einem anderen Kulturkreis kennenzulernen und sich auszutauschen. Sie sieht in Ryad einen neuen Freund, denn bei ihr steht nicht das Ehrenamt sondern das gegenseitige Helfen im Vordergrund.

Beide würden Start with a Friend an ihre Freund_innen weiterempfehlen – Alexandra konnte bereits ihre Mitbewohnerin begeistern. Die Studentin schätzt vor allem die persönliche Betreuung der Organisation. Neben gemeinsamen Events und kulturellen Angeboten zu Stammtisch, Museum oder Kino wird besonders viel Wert auf die Vermittlerarbeit gelegt.

Das perfekte Matching

Da sie jeden Teilnehmer_in persönlich kennenlernen, gewinnt das Vermittler-Team einen besseren Eindruck von dem Menschen, als es etwa über Online-Formulare möglich wäre. „Das ist quasi das Herzstück von Start with a Friend, das das Matching so erfolgreich macht“, erklärt Laura Jacobi. Nach der Anmeldung zum Tandem-Programm treffen die Vermittler_innen die Geflüchteten in Einzelgesprächen und die Einheimischen bei Localabenden und erfahren dort von den Interessen der Teilnehmer_innen. „Dann setzen wir uns im Team zusammen und suchen für jeden Local einen passenden Geflüchteten“, berichtet die Potsdamer Vermittlerin.

Dabei wird insbesondere auf gemeinsame Hobbies sowie auf den beruflichen Werdegang, also Studium oder Beruf, eingegangen. „Wir fragen aber auch im Besonderen nach, was der Teilnehmer gerne mit seinem Tandempartner machen möchte“, sagt Laura Jacobi. Ideen sind beispielsweise, gemeinsam Fußballspiele zu besuchen, in Cafés politisch zu debattieren oder gemeinsam zu kochen oder Sport zu treiben. Neben den gemeinsamen Aktivitäten zählt aber auch der Charakter der Teilnehmer_innen.

Team-Unterstützung rund um die Uhr

Auch während der Tandempartnerschaft bricht die Betreuung nicht ab. Regelmäßig erkundigen sich die Vermittler_innen, wie das Tandem läuft, was sie unternehmen und ob Probleme oder Unsicherheiten auftauchen. „Wir lassen die Tandems nicht alleine, nachdem wir sie gebildet haben, sondern sind in der ganzen Zeit immer für sie da. Wir bieten auch Supervision an, in denen sich die Locals unter professioneller Leitung miteinander austauschen können“, berichtet Laura Jacobi. Befürchtungen braucht man also nicht zu haben, denn auch bei Missverständnissen innerhalb der Tandems findet sich in einem Gespräch mit den Vermitter_innen schnell eine Lösung.

Alexandra kann dies nur bestätigen: „Es ist eine ganz neue, nicht alltägliche Erfahrung, die einfach Spaß macht.“ Wichtig ist allerdings Zuverlässigkeit und Kontinuität. Gemeinsame Treffen werden mindestens einmal in der Woche empfohlen. Aber auch das ist in jedem Tandem individuell verhandelbar. Ryad und Alexandra treffen sich so, wie sie Lust und Zeit haben – und wenn jemand einmal für eine Klausur lernen muss, dann wird das Treffen verschoben, berichtet die Studentin.

Wer also nun Lust auf neue Kulturen und neue Freundschaften bekommen hat: Der nächste Localabend findet am 5. April um 19 Uhr im Pub à la Pub statt. Die Localabende sind jeden ersten Mittwoch im Monat.

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