„Die totale Verarsche“: Neues vom Garnisonkirchen-Streit

Studierendenvertreter der Uni Potsdam unterstützen die Initiative gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche, weil sie durch das Projekt ihre Interessen bedroht sehen. Der Präsident der Universität sieht das anders: Die Studis hätten formal kein Recht, sich da einzumischen. Auch der Oberbürgermeister kommt durch die Debatte in einen Interessenkonflikt. Von Philipp Schwartz.

Im April 2014 hatte das Studierendenparlament (Stupa) beschlossen, eine Potsdamer Bürgerinitiative, die den Wiederaufbau der Garnisonkirche verhindern will, finanziell mit 1.800 Euro zu unterstützen. Daraufhin forderte der Präsident der Universität wenige Monate später die Studierendenvertreter auf, den Beschluss zurückzuziehen. Die Debatte, die seit längerer Zeit innerhalb der Stadtgrenzen hohe Wellen schlägt, hatte damit auch die Universität erreicht. In der letzten Ausgabe der speakUP berichteten wir darüber.

Seitdem ist – urlaubsbedingt – wenig geschehen. Die Vertreter_innen der Studierenden machten darauf aufmerksam, dass das bereitgestellte Geld nicht verwendet wurde und das Thema damit „vom Tisch“ sei. Aus dem Präsidialamt hieß es jedoch, dass es sich dabei um eine Vereinbarung handele, um den Konflikt nicht durch „vollendete Tatsachen“ zu befeuern. Solange der Beschluss zur finanziellen Förderung jedoch bestehen bleibe, fordert der Präsident seine Rücknahme. In Kürze soll es zu einer Anhörung kommen, bei der der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) die Möglichkeit habe, Stellung zu beziehen.

Während es in der Debatte zwischen Studierendenschaft und Präsidialamt ruhig blieb, ging es auf lokaler Ebene weiter zur Sache. Die 2008 gegründete Stiftung Garnisonkirche Potsdam (SGP) möchte die Kirche gerne an ihrem alten Platz in der Breiten Straße wieder aufbauen. Für das Projekt werden 100 Millionen Euro benötigt. Bisher gingen aber nur 6,5 Millionen Euro an Spenden ein. Ursprünglich sollte in diesem Jahr durch die Errichtung des 40 Millionen Euro teuren Turms der Wiederaufbau beginnen. Der Bund versprach weitere 12 Millionen Euro, allerdings nur unter der Bedingung, dass die Finanzierung der Gesamtkosten gesichert sein muss. Das ist nicht der Fall. Auch die prominente Unterstützung von Günther Jauch, Wirtschaftsminister Gabriel und Wolfgang Thierse hatte bisher keine Auswirkungen auf die Spendenbereitschaft.

Die während des Krieges stark zerstörte Kirche wurde 1968 abgerissen, die Potsdamer Mitte im sozialistischen Stil wieder aufgebaut. Während die geometrischen Plattenbauten für viele Potsdamer_innen ein bedeutender Teil der Stadtgeschichte sind, sehen andere in ihnen hässliche Relikte aus grauen Zeiten. So setzt sich das „Bündnis Potsdamer Mitte“ seit Jahren für den Umbau der Innenstadt nach historischem Vorbild ein. Das wiedererrichtete Stadtschloss, in dem der Brandenburgische Landtag tagt, soll in den Augen des Bündnisses nur einer von vielen Schritten sein, Potsdams Mitte neu zu gestalten.

Für viele Potsdamer_innen geht die „Historisierung” der Stadt zu weit. Der angestaute Unmut entlud sich im Frühjahr 2014 in einer Bürgerinitiative (BI) gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche und damit gegen die Politik der Stadt. Weil die Kirche 1933 aufgrund des Reichstagsbrandes einer der Orte war, um den neu gewählten Reichstag unter Hitler zu eröffnen, stören sich vor allem linksorientierte Bündnisse an einem Wiederaufbau der Militärkirche. Sie betonen aber auch vor dem Hintergrund zunehmender Wohnungsnot und steigender Mieten in der Stadt den unsozialen Charakter dieses Projekts, für das auch öffentliche Gelder fließen sollen. Innerhalb weniger Wochen kamen so mehr als 14.000 gültige Unterschriften gegen den Wiederaufbau zusammen.

Damit ist die Situation für den Bürgermeister Jann Jakobs (SPD) verfahren. Auf der einen Seite ist er ein bekennender Befürworter des Wiederaufbaus und die Stadt Potsdam Mitglied des 11-köpfigen Rates der SPG. Auf der anderen Seite zwangen ihn die Unterschriften, alle rechtlichen Mittel einzusetzen, die Stiftung aufzulösen. Er entschied sich für einen formalen Antrag auf Auflösung der Baustiftung, der von den zehn anderen Ratsmitgliedern erwartungsgemäß abgelehnt wurde. Damit sah er sich von seiner Pflicht entbunden. Vertreter_innen der Bürgerinitiative forderten jedoch, dass der Bürgermeister mehr tun müsse, um die Stiftung aufzulösen. Ihr Ziel ist eine direkte Befragung der Potsdamer_inner über den Wiederaufbau. Genau das verhinderte jedoch die Stadtverordnetenversammlung mit dem Argument, dass die Stadt keinen Einfluss auf die Pläne der Baustiftung nehmen könne. Ein Abgeordneter appellierte an die Versammlung, sich nicht vor schwierigen Entscheidungen zu drücken und diese an die Bürger weiterzugeben. Simon Wohlfahrt von der Bürgerinitiative ist sauer: „Das ist ein typisches Beispiel dafür, wie Politik in Potsdam funktioniert. Ausgerechnet das Stadtparlament verhindert eine direkte Bürgerbeteiligung. Das ist die totale Verarsche.“ Jakobs sieht durch die vielen Debatten Gesprächsbedarf und möchte nun den Dialog mit den Bürger_innen über das Projekt intensivieren.

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