Super Mario am Klavier und tanzende Selfie-Sticks: Das Uniater präsentiert „#theater“

Im Mantel fluoreszierenden Lichts und barocker Musik zeigt das Ensemble des gemeinnützigen Theatervereins Uniater am 23. und 24. Oktober jeweils um 20 Uhr im Spartacus Potsdam ihr interaktives Stück „#theater“. Die Zuschauer_innen konnten bereits erste Fragmente im Juni im Theater Zukunft am Ostkreuz zur Werkstattpräsentation „#netzwerke“ erleben. Nun feiert das Stück in Potsdam Premiere. Von Marie-Ann Koch.

Tinder, Smartphones, YouTube-Channels und Hashtags. Leuchtende Bildschirme als Feuerzeugersatz im Dunkel einer Venue, Instagram als Ventil des kulinarischen Narzissmus, irreversible Abhängigkeit vom kleinen blauen Daumen. Zahlreiche virtuelle Absurditäten, die sich in den Alltag eingeschlichen haben und deren Bewusstmachung sich das Uniater mit ihrer aktuellen Produktion „#theater“ zur Aufgabe gemacht hat.

Uniater, ein kreatives Schauspielensemble, das sich unter der Spielleitung von Sina Schmidt aus Studierenden der Potsdamer Hochschulen zusammensetzt, erdenkt und schreibt seit der Gründung im Oktober 2012 seine Stücke selbst. Dieses Mal in Verbindung mit mühsamer Recherchearbeit und Entlehnungen aus den unbegrenzten Weiten des World Wide Webs. Das Ensemble blickt nicht nur auf ein Jahr intensiver Arbeit zur Verwirklichung einer Idee zurück, die sich im Zuge der Werkstatt etablierte und während des künstlerischen Prozesses weiterentwickelte, sondern ebenfalls auf drei spannende Jahre mit Produktionen wie „GRIMM?!“ oder „SPAM!“.

speakUP bei der Generalprobe

Es ist ein verregneter Abend und die speakUP ist der Einladung zum Feinschliff des Stückes gefolgt. Schon am Eingang des Spartacus drängt sich unumgänglich die Erkenntnis auf, dass das Terrain der Realität nun verlassen wird und sich eine Pforte zu einer unwirklichen Szenerie öffnet. Von Schwarzlicht umhüllt, erwartet uns zu Beginn ein Transittunnel. Hier möchte man nicht verweilen, sondern hetzt hindurch. Von Fluchtreflexen gepackt und von Fratzen verfolgt, um sich inmitten eines neonfarbenen Netzes wiederzufinden, Platz zu nehmen und in ein psychedelisch anmutendes virtuelles Erlebnis abzutauchen. Konfrontiert mit Themen des Freiheitsdrangs, der Zukunftsangst, diverser Zwangsneurosen und des Multitaskings, arbeitet jede Sequenz das eigene Gefängnis mit den sich immer enger ziehenden Fesseln besser heraus, angelegt von vielversprechenden Versuchungen, in Kombination mit der Faszination von Kätzchen in Astronautenanzügen. Super Mario sitzt am Klavier und spielt für tänzelnde Selfie-Sticks und sich am Boden rhythmisch bewegende Algorithmen. Absurditäten präsentieren sich in Hypes, die immer forcierter die Frage aufkommen lassen, wie weit unser virtuell existierendes Leben uns noch treiben wird.

Zwischen diffuser und wirr erscheinender Textschnipsel wird schnell deutlich, dass hier mehr als nur das tatsächlich Gesagte im Fokus steht. „Es geht nicht um die Inhalte“, macht Sina Schmidt im Gespräch mit der speakUP deutlich, „sondern um die Art der Kommunikation.“ Das Ziel ist nicht, politische Debatten anzustoßen oder aktuelle Zeitungsheadliner aufzugreifen. Hier geht es eher um den Einsatz nichtssagender leerer Floskeln, welche ohne jeglichen Sinninhalt funktionieren, um zu demonstrieren, dass diverse Medien für die Diskussion bestimmter Themen nicht geeignet sind. Anhand von authentischen Kommentarkriegen mit exakt übernommenen Tippfehlern setzt Uniater den Punkt hinter folgenden Satz: Es geht nicht um das „Was“, sondern um das „Wie“.

Zwischen Kollektivarbeit und Interaktion

Dem Ensemble gelingt es mit seiner Präsentation, sich zwischen primären und sekundären Ebenen leichtfüßig hüpfend zu bewegen und von einem melancholisch beladenen auf einen humoristisch mitreißenden Kanal zu wechseln. Es beweist aufwendige Kollektivarbeit, die, in Verbindung mit der Gastfreundlichkeit des Spartacus, nun bereit ist, die Bühne zu betreten. Doch das werden sie, wie im Veranstaltungsflyer angekündigt wird, nicht allein tun. In die vielschichtige Reflexion wird das Publikum anhand verschiedener interaktiver Komponenten direkt einbezogen. Jede_r ist von der Thematik betroffen. Jede_r ist unumgänglich von den unendlichen Möglichkeiten, vielversprechenden Angeboten und tückischen Tricks des Internets umgeben. Grund genug, dieses Mal nicht nur passive_r Rezipient_in zu sein, sondern den Handlungsstrang aktiv mitzubestimmen.

Aber auch darüber hinaus gilt: Mitmachen kann jede_r. Sowohl schauspielerisch begeisterte Studierende als auch berufseinsteigende Nicht-mehr-Studierende mit kreativen Ideen sind herzlich dazu eingeladen, in den Probenwochen Teil des bunten, diesmal fluoreszierenden Teams zu werden.

Fragen über Fragen

Zunächst einmal kann man sich jedoch als Zuschauer mit folgenden Fragen auseinandersetzen: „Was ist Pinching?“ „Warum gerade barocke Musik?“ Und was hat es mit dem Satz „Ohren bekommen viel zu wenig Liebe von uns Menschen.“ auf sich? Fragen, die das gereichte Glossar nicht beantworten kann, sollen unbedingt an das Ensemble im Anschluss der Aufführung gestellt werden. Für solch interessante Gesprächsansätze bietet die Geburtstagsparty mit der Berliner Band Queen Sacrifice und DJ unmittelbar nach der Premiere (am 23. und 24. Oktober) den perfekten Rahmen.

Am Montag (26. Oktober) geht es für einen Teil des Ensembles zum Theaterfestival FITUT nach Marokko. Was danach kommt, darauf dürfen wir gespannt sein.

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