„Studierende unter Dach und Fach“ – Bezahlbarer Wohnraum als Frage der Bildungsgerechtigkeit

Im Kampf gegen die studentische Wohnungsnot haben sich der AStA der Uni Potsdam und der FH Potsdam sowie der StuRa der Filmuni Potsdam zur Kampagne „Unter Dach und Fach“ zusammengeschlossen. Am Mittwoch, den 5. Juni 2018, luden sie zu einem Protestcamp mit anschließender Podiumsdiskussion im Bildungsforum ein. Gäste waren die Ministerin Dr. Martina Münch, Peter Heiß vom Studentenwerk, der Baudezernent Bernd Rubelt und der Rechtsanwalt Benedikt Nowak. Von Julia Hennig

„Tag der freien Vergabe“ als letzte Chance

Jedes Jahr vergibt das Studentenwerk Potsdam kurz vor dem Beginn des Wintersemesters die letzten freien Wohnheimsplätze in einer offenen Vergabe. Für viele Studienanfänger_innen ist dies die letzte Chance, einen der begehrten Wohnheimsplätze zu ergattern. Dafür nehmen einige sogar eine Nacht vor dem Studentenwerk in Kauf, um am nächsten Morgen ganz vorne in der Schlange zu stehen (siehe pnn-Bericht vom 05.10.2017). Diese Situation hat die Initiative „Unter Dach und Fach“ satirisch auf ihren Flyern dargestellt: Der Mitarbeiter des Studentenwerks gibt einem wartenden Studenten an der Anmeldung folgenden Rat: „Bis Sie Wohnraum gefunden haben, erhalten Sie erstmal unser Starter-Set: Zelt, Schlafsack, Katzenklo, Holz für’n Lagerfeuer…“

In seiner Begrüßungsrede stellte der Sozialpolitikreferent im AStA der Uni Potsdam, Willi Stieger, zunächst die aktuelle Lage in Potsdam dar: Auf aktuell 25.521 Studierende kommen 2231 Wohnheimzimmer, so dass 8,9% der Studierenden im Studentenwohnheim wohnen können. Angesichts teurer Mieten auf dem privaten Wohnungsmarkt führe dies dazu, dass die Studierenden mehr arbeiten müssten. Die Notlösung sei schließlich der Studienabbruch. Damit dies nicht passiert, hat die Initiative sieben Forderungen formuliert und fordert dabei unter anderem eine standortbezogene Erhöhung des Versorgungsgrades.

Wie suchen sich Studierende ihren Wohnraum?

Zunächst befragte die studentische Vizepräsidentin der FH Potsdam und Moderatorin der Veranstaltung, Jenny Becker, die Gäste zu der Versorgungsquote im Land Brandenburg. Ministerin Dr. Martina Münch äußerte sich positiv zu dieser Situation: „Wir tun eine ganze Menge, die Dinge brauchen aber immer einen gewissen Vorlauf“. Gemeint ist dabei vor allem der Neubau eines neuen Studentenwohnheims in Golm mit rund 300 Plätzen, ein zweites sei bereits in Planung. Ihr Ziel sei, eine Quote zu erreichen, die mindestens über dem Bundesdurchschnitt liegt. Peter Heiß vom Studentenwerk kritisierte jedoch die Orientierung am Bundesdurchschnitt und plädierte hingegen für eine standortbezogene Versorgungsquote. Als Beispiel führte er Brandenburg an der Havel mit einem deutlich entspannteren Wohnungsmarkt an, so dass eine Quote von 10% dort ausreichend sei.

Baudezernent Bernd Rubelt warb hingegen für alternative Strategien wie „Wohnen gegen Hilfe“, bei der Studierende günstig bei älteren Personen oder Familien wohnen und dafür im Haushalt mithelfen. Zudem empfahl er, günstigere Stadtteile wie Schlaatz und Drewitz attraktiver zu bewerben. Als weitere Strategie schlug er eine Öffnung und Flexibilisierung des Marktes für Sozialwohnungen vor, in dem auch Bafög-Empfänger_innen Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein (WBS) bekämen. Dieser Vorschlag wurde von einem Studenten aus dem Publikum durchaus kritisch gesehen, da dies zu einer Konkurrenzsituation führen würde.

Wie behalten wir studentischen Wohnraum?

Zu Anfang der Diskussion stellte ein Student der Uni Potsdam die gerichtliche Auseinandersetzung seiner 5er-WG mit seinem Vermieter vor. Nach dem Verkauf und Eigentümerwechsel seiner Wohnung habe der neue Vermieter von der WG eine Kautionszahlung gefordert, die jedoch bereits bezahlt worden war. Nach der anschließenden Kündigung habe sich die WG juristischen Beistand gesucht. Der Redner betonte hierbei, dass dies immer Zeit und Geld koste, was insbesondere bei einer überwiegend studentischen WG schwierig sei. Die WG berief sich in dem Rechtsstreit auf den §577a des BGB.

Demnach hätte der Vermieter erst drei Jahre nach dem Erwerb der WG kündigen dürfen. Am Ende durfte die WG noch ein Jahr länger dort wohnen. In der Diskussion wies der Rechtsanwalt Bernd Nowak daraufhin, dass die Kündigungssperrfrist eine Sache des Landes sei und aktuell im Landtag verhandelt wird. In Berlin beträgt die Frist hingegen zehn Jahre. Kostenlose Mietrechtsberatung erhaltet ihr übrigens ohne Termin jeden Mittwoch in der Zeit von 16:00 bis 18:00 Uhr von Konstantin Streich in den Beratungsräumen des KuZe (Mail: mietrecht@astaup.de).

Wie kann sich die Situation verbessern?

Zum Abschluss befragte Jenny Becker die Gäste nach ihren Plänen und Wünschen für die Zukunft. Carsten Feller, der zwischenzeitlich für Frau Dr. Münch eingesprungen war, verwies hier wieder optimistisch auf die aktuellen Pläne des Landes: Neubau in Wildau, Sanierung in Frankfurt/Oder und den Bau eines neuen Studentenwohnheims in Golm. Bernd Rubelt verwies hier auf den neu entstehenden studentischen Wohnraum in der Mitte Potsdams an der Stelle der alten FH. Benedikt Nowak betonte, dass die Kündigungssperrfrist erhöht und mehr gebaut werden müsste. Peter Heiß wünschte sich als Potsdamer, dass die Stadt der Wissenschaften für Studierende lebenswerter werde. Jenny Becker schloss daher den offiziellen Teil der Podiumsdiskussion mit der Forderung: „Studierende sollen in der Stadt mehr erwünscht sein“.

Was können wir als Studierende tun?

Wie wird es dieses Jahr zu Beginn des Wintersemesters aussehen? Eine Studentin fragte daher den Geschäftsführer des Studentenwerks, ob es in Potsdam wie in anderen Unistädten ein „Auffangbecken für Erstis“, also Notschlafplätze gebe. Peter Heiß erwähnte daher die Möglichkeit der Untervermietung des eigenen Zimmers für 60€ im Monat, bei dem eine zweite Person ohne zusätzliche Möbel im eigenen Zimmer schlafen könne. Zudem wies er auf die aktuelle Unterschriftenaktion der Studentenwerke für mehr bezahlbaren Wohnraum hin.

Wer sich für das Thema „bezahlbarer Wohnraum in Potsdam“ interessiert, kann in dieser Woche zu gleich mehreren interessanten Veranstaltungen gehen. Am Mittwoch, den 20. Juni, wird um 19 Uhr im freiLand der Film „Mietrebellen – Wiederstand gegen den Ausverkauf der Stadt“ über die Mieterkämpfe in Berlin gezeigt. Am 22. und 23. Juni findet das „Wohnpolitische Forum“ mit einem Filmabend am Freitag im Thalia und Diskussionen im freiLand am Samstag statt.

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