Radio ade?

Von Mandy Calliari 2015 könnte es still werden in Deutschland. Beim morgendlichen Kaffee wird uns nichts und niemand stören, vielleicht nur der gluckernde Sound der Kaffeemaschine und die schmatzenden Geräusche unserer Mitfrühstückenden.

Denn kein_e krampfhaft gutgelaunte_r Radiomoderator_in wird versuchen, uns den Morgenmuffel aus den Knochen zu treiben, keine Verkehrsmeldung wird uns den Weg zur Arbeit schon vermiesen ehe wir erst im angekündigten Stau stecken und niemand wird uns raten, heute nicht ohne unseren Regenschirm aus dem Haus zu gehen. Ab 2015 könnte es nämlich kein UKW-Radio mehr geben. Dann würde es still werden, bei 76,3 Prozent Radiohörer_innen in Deutschland.
Aber was kommt dann? Digitales Radio, DAB, Internetradio oder Podcasts? Die Zukunft des Radios spricht nicht nur eine Sprache und längst ist nicht geklärt, was nun der Nachfolger für unser UKW-Radio werden soll.

Aber warum brauchen wir überhaupt einen Nachfolger? Es ist doch alles gut, wie es ist. Das ist das Hauptproblem bei der Sache: Die meisten sind zufrieden mit ihrem Radioempfänger, der, altmodisch aber praktisch, zu jeder Tageszeit nebenbei dudelt und sie mit den wichtigsten Informationen versorgt. Fast niemand sehnt sich nach einem neuartigen Radiogerät.

Trotzdem wurden über 200 Millionen Mark in die Förderung von DAB – Digital Audio broadcasting – gesteckt. Diese digitale Übertragungsmethode liefert verbesserte Tonqualität und weltweiten Empfang von Radiosendern. Digitale Radios, die mit DAB die Sender empfangen und in unsere Wohnzimmer bringen, wurden subventioniert und stehen nun ungekauft im Laden. Teure Ladenhüter, denn ein gutes digitales Radio gibt es ab 80 Euro aufwärts.

DAB kam in Deutschland nicht an, die Subventionen wurden größtenteils gestoppt, das UKW-Radio soll vielleicht doch nicht schon 2015 abgeschaltet werden, aber in naher Zukunft. Was kommt dann, wenn nicht DAB?  Vielleicht Internetradio? Ein Podcast zum morgendlichen Kaffee?  Im Internet ist das Angebot an verschiedenen Sendern riesig. Kein Wunder, denn im Gegensatz zum UKW empfängt man hier die ganze Welt. Doch nur 4 Prozent nutzen täglich Webradios. Der Grund: Radiohören war bis jetzt einfach Knopf an und fertig. Ein Wechsel von einem Sender zum anderen kommt kaum vor – deutsche Hörer_innen verfolgen im Schnitt nur 1,6 Sender pro Tag. Beim Internetradio fällt diese Bequemlichkeit weg. Man muss sich erst durch die Millionen verschiedener Sender klicken und zwischen japanischen Klängen und Dudelsackradio das Passende finden. Wem das noch zu wenig Aufwand ist, der kann auch auf Podcasts zurückgreifen.

Ein Podcast ist ein Audiobeitrag über ein bestimmtes Thema, z.B. ein Kinotipp der Woche, den man abonnieren kann und dann meist wöchentlich die neusten Beiträge zum gewählten Thema zu hören bekommt. Audio on demand nennt man diese Form des Audioangebots. Auf die Art und Weise wäre es für die Hörer_innen also möglich ihr komplett eigenes Radioprogramm zusammenzustellen, mit Musik, Nachrichten und vielem mehr. Man müsste nur noch das hören, was man auch hören will, und man könnte es genau dann hören, wenn man Zeit hat.

Stellen wir uns also einen ganz normalen Morgen im Jahr, sagen wir mal, 2050 vor. Man kriecht aus dem Bett, setzt den Kaffee auf, fährt den Computer hoch und läd sich erst einmal die neusten Podcasts runter. Während des Frühstücks kann man sich dann schon einmal den ersten Podcast anhören, die restlichen spart man sich für die Dusche (Vorsicht, dass der Computer nicht nass wird!) und für den Weg zur Arbeit (Mp3Player sei dank). Zugegeben, so unvorstellbar klingt das nicht, aber ein bisschen aufwendig vielleicht.

Lohnt sich denn der Aufwand? Was kann Internetradio, was normales Radio nicht kann? Beim normalen Radio verlassen wir uns total auf unser Gehör, unsere Hände sind frei, um etwas anderes zu tun; unsere Augen können sich auf andere Dinge richten. Das Internetradio beansprucht alle drei Sinne. Im Webradio hört man einen tollen Song, dessen Titel einem aber nicht einfällt. Ein kurzer Klick auf den Bildschirm und schon steht dort der Titel und der/die Interpret_in. Das Bild, welches beim Radio bis jetzt völlig außer Acht gelassen wurde, kehrt mit dem Internet zurück und ermöglicht neben Zusatzinformationen auch visuelle Untermalungen des Radioprogramms. Viele Sender installieren Webcams im Studio und machen so die Hörer_innen zu Zuschauer_innen.

Aber das ist noch nicht alles. Im Zeitalter des social webs möchte man sich mitteilen. Einen Kommentar zur Sendung, zur Musik oder zu einem Talkthema kann man per Facebook oder Twitter ganz schnell posten und schon ist man mit drin in der Gesprächsrunde. So funktioniert die Kommunikation zwischen dem einst so abgegrenzten Radio und den Hörer_innen. Bertolt Brecht hatte sich das bereits 1932 gewünscht. In seiner Vorstellung sollte ein politisches Gespräch zwischen Hörern und Sprechern entstehen. Dank Internet gibt es nun Kommunikation im Radio, wenn auch in einer etwas anderen Form.

Das alles ist natürlich Zukunftsmusik – aber die Uni Potsdam spielt da schon ganz vorne mit. FUNK UP heißt das Podcast-Radio, das Studierende jede Woche produzieren. Eine Stunde Sendung aus Musik, Wortbeiträgen und dem dazugehörigen Radiogequatsche. Enno,  Erik und Co. sitzen jede Woche hinter‘m Mikrophon und sind mit ihrem Aufnahmegerät dort, wo‘s in der Uni brennt.
So oder so ähnlich könnte man sich das Radio der Zukunft vorstellen. Anzuhören unter www.funkup.me. Wer nicht nur zuhören will, sondern mitmachen: Einfach Mail an info@funkup.me.

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