Kritik von allen Seiten am neuen Hochschulgesetz

Die Erneuerung des brandenburgischen Hochschulgesetzes spaltet die Gemüter. Nachdem schon die Studierendenproteste 2009 eine Reform des „BbgHG“ forderten, liegt nun ein neuer Gesetzesentwurf vor. Doch den neuen Gesetzestext halten Hochschulgruppen, Gewerkschaften und Studierendenvertreter_innen für ungeeignet: Sie sehen ihre Forderungen nicht verwirklicht. Von Sarah Emminghaus.

Kritik an dem bestehenden Brandenburgischen Hochschulgesetz (BbgHG) wurde bereits bei den Studentenprotesten 2009 geäußert. Die Verschulung des Bachelor- und Mastersystems, die zu geringe Anzahl an Masterplätzen und versteckte Studiengebühren waren nur einige von vielen angesprochenen Problemen. Damals wurde bereits auf die baldige Novellierung des BbgHG hingewiesen. Seit Mai dieses Jahres, also fast vier Jahre später, liegt der Entwurf nun vor. Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA), das Studierendendenparlament (Stupa), die Brandenburgische Studierendenvertretung (BrandStuVe), die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft Brandenburg (GEW Studis), der Senat der Universität Potsdam sowie zahlreiche Hochschulgruppen haben öffentlich massive Kritik geäußert.

Im Wesentlichen gibt es kaum Unterschiede zwischen den Kritikpunkten der Gruppierungen. Die GEW Studis und das StuPa der Universität Potsdam beispielsweise haben eine Reihe von Änderungsvorschlägen veröffentlicht, um auf die Mängel im neuen Gesetzestext aufmerksam zu machen. Auch eine Arbeitsgruppe des Senats diskutierte Änderungsvorschläge. Laut dem AStA seien einige Änderungen „als positiv zu bewerten“, der Großteil der Forderungen der Studierendenschaften blieb aber offenbar ungehört. Als positiv bewertet der AStA die leichte Öffnung der Zulassungsregelungen und die Beteiligung der BrandStuVe am Gesetzgebungsverfahren. Auch klärt sich endlich die Debatte um die Mensennutzung in Berlin und Brandenburg – die Novellierung sieht eine gemeinsame Regelung der Nutzung von Berliner Mensen durch Brandenburger Studierende und andersrum vor, denn derzeit müssen Studierende des jeweils anderen Bundeslandes den vollen Gastpreis in den Einrichtungen des Studentenwerks zahlen (speakUP berichtete). Allerdings bemängelt der AStA, wie schon 2009, dass das Lehrangebot noch immer nicht völlig kostenfrei sei, auch wenn im BbgHG davon die Rede ist: Durch Immatrikulations- und Rückmeldegebühren sowie durch Prüfungsgebühren und Gebühren für Eignungsfeststellungsprüfungen würden versteckte Studiengebühren erhoben. Dieser Änderungswunsch unterstützt der Senat jedoch nicht.

Fast alle genannten Gruppierungen vermissen noch immer den Rechtsanspruch auf einen Masterplatz für alle Bachelorabsolvent_innen. In vielen Fachbereichen und Branchen gilt der Bachelor längst nicht als berufsqualifizierender Abschluss – umso dringender sei der freie Zugang zum Masterstudium. Auch sollten die Hochschulen entsprechend ihre Kapazitäten konsequent ausnutzen. Diesen letzten Punkt unterstützt der Senat zwar, votierte jedoch gegen einen freien Masterzugang.

Ein weiterer Kritikpunkt, der sich an vielen Stellen findet, ist der Mangel einer Zivilklausel. Diese soll im Gesetz verankert werden, um die Nutzung der Forschung und der Arbeit der Studierenden für militärische Zwecke auszuschließen. Als Grund geben die GEW Studis an, die deutsche Rüstungsindustrie exportiere absichtlich in Länder, in denen Menschen unterdrückt und an der freien Ausübung ihrer Menschenrechte gehindert würden. Da dies mit den Ansichten der meisten Studierenden nicht vereinbar sei, solle eine solche Kooperation durch ebendiese Zivilklausel endgültig verhindert werden. Auch hier finden sich Zweifel von Seiten des Senats: die Wissenschaftsfreiheit spräche gegen eine zufriedenstellende Regelung, auch wenn der Senat sich gegen rüstungspolitische Zielsetzungen ausspricht.

Wie bereits 2009 wird noch immer massiv die Umsetzung der Bologna-Reform kritisiert: Die versprochene „Mobilität“ sei nicht ausreichend vorhanden. Die Anerkennung von Prüfungsleistungen, die an einer anderen Universität oder Hochschule erbracht werden, sei noch immer nicht gegeben und führe zur Verlängerung des Studiums, was zu einem weiteren Problem führt: Zwangsexmatrikulation. Dabei werden Studis mit Kindern, einer zeitraubenden Arbeit neben dem Studium oder kranken Angehörigen außer Acht gelassen – der Abschluss in den vorgegebenen Fristen ist oft nicht möglich.

Grundsätzlich fordern die meisten Kritiker_innen mehr Mitspracherecht und Rechtssicherheit für die Studierendenschaften. Sie verweisen auf andere Bundesländer, die dies erfolgreich in ihren Hochschulgesetzen verankert hätten, zum Beispiel Berlin oder Baden-Württemberg. Nicht nur für die Studierenden werden jedoch bessere Bedingungen gefordert, auch die prekäre Beschäftigung an den Hochschulen soll abgeschafft werden. Da schlecht bezahlte Lehraufträge und befristete Arbeitsverträge jungen Akademiker_innen keine langfristigen Zukunftschancen bieten würden, mache sich das Land Brandenburg „ohne Not unattraktiv für junge Akademiker_innen“, so StuPa und die GEW Studis.

„Was für eine Form von Bildung soll es in Deutschland geben?“, fragt Sebastian Geschonke, studentischer Senator der Uni Potsdam (Juso-HSG), die Kernfrage. Er empfindet es als schwerwiegend, dass in dem Entwurf zum BbgHG das Mitbestimmungsrecht der Studierenden, beispielsweise im Senat, noch nicht ausreichend erweitert wurde. Es stelle sich die Frage, ob diejenigen, die schon seit Jahrzehnten die Bildung in Deutschland wesentlich mitbestimmen, sich als für diese Aufgabe geeignet erwiesen hätten.

Die BrandStuVe führt drei Konferenzen durch, um den derzeitigen Entwurf mit seinen Mängel sowie die Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Novellierung des Hochschulgesetzes öffentlich zu diskutieren – mit der Hoffnung, dass das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur zumindest einige Forderungen der Studierenden doch noch berücksichtigt. Die erste Konferenz fand am 26. Juni unter dem Titel „Wissenschaftliche Zukunft sichern!“ statt.

Aktuelles zu den Konferenzen findet sich hier

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