Kampf gegen Windmühlen

Mit einem spontanen Auftritt beim Bildungsstreik im November 2009 begann das öffentliche Engagement der IntelligenzijaPotsdam. Hier wurde der Grundstein für die weitere Zusammenarbeit mit den Studierenden gelegt und das Problem der Arbeitsbedingungen von Lehrbeauftragten erstmals in der Öffentlichkeit präsent gemacht.

Von Sabine Volk & Michael Bahn für die IntelligenzijaPotsdam

Es folgten zahlreiche Beiträge in verschiedensten Medien. Daraufhin erhielten wir Unmengen an Zuschriften aus ganz Deutschland. Die Lern- und Lehrzustände, so wurde schnell deutlich, sind unhaltbar in der gesamten Bildungsrepublik. Unsere zentralen Forderungen wurden von allen Betroffenen begrüßt. Durch das zunehmende Medieninteresse alarmiert, reagierte das Präsidium der Universität Potsdam, namentlich Herr Dr. Grünewald, mit einer Gesprächseinladung im März 2010. Doch schon die unangekündigte Erweiterung der Runde durch den Vizepräsidenten für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs, Prof. Dr. Walz sowie die Pressesprecherin, Frau Mangelsdorf, ließ nichts Gutes erahnen. So wurde uns nicht nur nahegelegt, die Universität Potsdam zu verlassen, sondern wir erhielten auch einen Einblick in die nicht gerade schmeichelhafte Sichtweise der präsidialen Herren auf vor allem bereits promovierte Lehrbeauftragte und Privatdozent_innen – die haben es eben nicht geschafft. Ferner, erfuhren wir, würde definitiv kein Geld in den „Topf für Lehrbeauftragte“ fließen und als Mitglieder der Universität sei diese Gruppe auch nicht aufnehmbar, bekomme sie ja dann ein Stimmrecht in etwaigen Gremien. Schon durch diese letzte Aussage zeigte sich, dass das Präsidium die Realität nicht nur nicht wahrnahm, sondern auch verkannte. Die Rolle der Lehrbeauftragten bei der Absicherung des Lehrangebots wurde marginalisiert. Es handle sich nur um einen verschwindend geringen Teil, hieß es. Unsere Recherchen ergaben etwas anderes: Allein an der philosophischen Fakultät trugen Lehrbeauftragte im Wintersemester 2010/ 2011 zwischen 18 und 25 Prozent der Lehre. Auch ein zweites Gespräch brachte keine Veränderung der Haltung. Das Präsidium der Universität Potsdam sieht weder kurz- noch langfristig Handlungsbedarf. Ebenso scheint es auch das nun unter der Leitung von Sabine Kunst stehende Wissenschaftsministerium zu sehen. Auf unsere von 1285 Unterzeichner_innen unterstützte Petition erhielten wir bis heute keinerlei Reaktion.

Wie sieht nun die Bilanz der IntelligenzijaPotsdam nach bald zwei Jahren aus? Konnten wir die Situation für Lehrende und Studierende an der Universität Potsdam verbessern? Die ehrliche wie deprimierende Antwort muss leider ganz klar lauten: Nein. Weder haben sich die Umstände, unter denen Lehrbeauftragte arbeiten müssen, in irgendeiner Weise verbessert, noch kam es in den zuständigen Stellen zu wenigstens dem Anzeichen eines Umdenkens. Zwar wurde durch unser Engagement eine Menge Staub aufgewirbelt, doch zeigte sich schnell, dass die Diagnose Erich Fromms über die westliche Gesellschaft auch auf die universitären Strukturen zutrifft: „Versucht man, nur einen isolierten Teil des Systems zu verändern, wird dies nicht zu einer Veränderung des Systems selbst führen. Das System wird im Gegenteil weiterhin auf seine ihm eigene Art und Weise funktionieren und versuchen, eine Veränderung an einem Teil so zu absorbieren, dass sehr bald die Wirkungen der Veränderung ungeschehen gemacht sind.“

Sind wir also gescheitert, weil unser Ansatz zu kleinteilig gedacht war? Auch hier muss die Antwort lauten: Nein. Wir haben eine große Öffentlichkeit für das Thema sensibilisiert, waren mutig, haben gekämpft und sind dabei besonders auch dort an Grenzen gestoßen, wo wir keine vermutet hätten. So wurden Informat onen oftmals zurückgehalten oder auch falsch oder zu spät weitergegeben. Innerhalb des Systems Universität existierten keine Anlaufstellen. Niemand wusste, an wen sich zu wenden sei. Moralische Unterstützung erhielten wir in großen Mengen. Tatkräftige hingegen nur sehr wenig. Mehrheitlich legte man uns Steine in den Weg – auch Betroffene selbst taten dies nicht selten. Sabine Volk hat zu Beginn des Sommersemesters Konsequenzen aus den geschilderten Begebenheiten und Erfahrungen gezogen. Sie hat ihren Lehrauftrag aufgrund „unverändert widriger Arbeitsbedingungen“ zurückgegeben. Auch Michael Bahn wird unter den gegebenen Umständen nach dem Ende des aktuellen Semesters keinen weiteren Lehrauftrag annehmen. Doch es gibt keinen Grund zur Beunruhigung: Es wird schnell und einfach Ersatz für uns gefunden werden. Und alles bleibt so, wie es war.

1: Fromm, Erich (1969): Die Überlebenschancen der westlichen Gesellschaft (Vortrag aus dem Jahr 1969). In: Fromm, Erich (1992): Humanismus als reale Utopie: Der Glaube an den Menschen. Schriften aus dem Nachlass. Bd. 8. herausgegeben von Rainer Funk. Weinheim u. Basel: Beltz, S.49.

Eine Antwort auf „Kampf gegen Windmühlen“

  1. liebe Sabine, lieber Michael, liebe Leute der Intelligenzija-Potsdam,

    ich habe euer Resumé mit Interesse gelesen. Es tut mir leid, dass ihr zu so einen pessimistischen Schluss gekommen seid, den ich nicht zustimme.
    Bei der Frage: „Konnten wir die Situation für Lehrende und Studierende an der Universität Potsdam verbessern?“, ist eure Antwort „Nein“. Allerdings glaube ich, dass in einer so kurzen Zeit nichts Anderes zu erwarten war.

    Meiner Meinung nach hat die Intelligenzija-Potsdam eine bemerkenswerte Arbeit geleistet. Selbstverständlich reicht sie nicht, die absurde Sitte der Hochschulen abzuschaffen, die Lehrenden wenig oder gar nichts zu bezahlen und um desto weniger die Sozialbeiträge mitzutragen.
    Es ist viel zu günstig für die Hochschulen; und sie finden alle möglichen Begründungen, um nichts oder so wenig wie möglich dabei zu ändern.

    Viele Aktionen haben gezeigt, dass es nicht schwer ist, „moralische Unterstützung in großen Mengen zu erhalten“, wenn man Arbeitsituation der Lehrbeauftragten darstellt. Das war z.B. bei dem Kampf am Afrikanistikinstitut in München vor 3-4 Jahren der Fall.
    Praktisch haben sie dann eine Erhöhung von 9 auf 10 € pro Unterrichtseinheit erhalten 🙁

    Selbstverständlich habe ich keine Lösung, aber ich möchte auf drei Eigenschaften von Tätigkeiten/Organisationen hinweisen, die gerade laufen:

    – Im Januar trafen sich in Frankfurt/Main Lehrbeauftragten aus Musikhochschulen auf der Bundesebene und haben ein Dokument erstellt, siehe: http://www.bklm.org/
    Sie organisieren gerade das zweite Treffen.

    – Eine AG-Lehrbeauftragte existiert seit 1998 bei der Gew-Berlin und hat langsam einiges erreicht, z.B. ein Honorarerhöhung und die Festlegung eines Mindesthonorars. Aber am wichtigsten ist, dass die Lehrbeauftragten inzwischen in der gewerkschaftlichen Diskussion über die Personalstruktur gehören. Das war vor 10 Jahren nicht der Fall.

    – In der Gruppe FU_Mittelbau gehören sowohl Lehrbeauftragte als auch WiMis. Das kommt aus der richtigen Intuition heraus, dass viele Lehrende und Forschende unter dem gegenwärtigen Hochschulsystem diskriminiert und benachteiligt werden. Sie können etwas zusammen anfangen, auch wenn Unterschiede bestehen.

    Deswegen hoffe ich, dass andere Leute die Erfahrung dieses 2 Jahre der Intelligenzija-Potsdam weiter führen.

    Und ich hoffe, euch bei gemeinsamen Aktionen der AG-Lehrbeauftragte und der Gruppe FU_Mittelbau zu treffen.

    Viele Grüße
    Linda Guzzetti

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert