Break (Geschlechter-)Grenzen: Das studentische Filmfestival „HollyHood“ zeigt, wo Hip Hop ausgrenzt und wo er neue Chancen bietet

Von Dienstag, 7.März, bis Sonntag, 12.März, wird im Potsdamer Filmmuseum gebreakt, gerappt und Graffiti gesprüht. Sechs Tage lang steht der Hip Hop auf dem Kinoprogramm und bietet Einblicke, wie diese Kulturszene ausgrenzt, und gleichzeitig Integrationsmöglichkeiten für Geflüchtete bietet. Der Weltfrauentag am Mittwoch stand ganz unter dem Motto: „Queens of the Culture: Frauen und Sexismus im Hip Hop“. Von Katharina Golze.

Mit dem Seminartitel „Hip Hop and Social Justice studentische Organisation & Durchführung eines Filmfestivals“ warb Dozent Saman Hamdi zu Beginn des Wintersemesters im PULS-Vorlesungsverzeichnis. „Optional besteht das Angebot gemeinsam ein Filmfestival zum Seminarthema zu organisieren und durchzuführen. Dazu ließe sich ein buntes Rahmenprogramm organisieren mit Q&As, Panels und Diskussionen, Konzerten, Tanz- und Sketchbattles, Parties, etc.“, heißt es in der Seminarbeschreibung weiter. Heute, sechs Monate später, wird Breakdance getanzt, Graffiti gesprüht und diskutiert. 13 Studierende hatten sich für das Seminar eingetragen und haben das Hip-Hop-Festival „HollyHood“, welches seit Dienstag im Filmmuseum tagt, organisiert.

Breaking, Rapping, aber auch Ausgrenzung und Integration – das alles ist Hip Hop

„Das Besondere ist, es gab noch nie ein Hip-Hop-Festival im Filmmuseum“, erklärt Student und Mitorganisator Tobias Wieczorek begeistert. Mehrere Wochen suchten sie nach Filmen und Dokumentationen zum Breaking, Rapping, DJing und Graffiti, den vier Kunstformen des Hip Hops, fragten Musiker_innen und Tänzer_innen an, ob sie auftreten oder einen Workshop leiten wollten. „Für mich ist Donnerstag, der dritte Tag, am spannendsten. Beim Tagging-Workshop lernt man Schriftzüge darzustellen, wie Bansky, der illegal Kunstwerke an die Wände gemalt hat“, berichtet Tobias Wieczorek.

Neben dem Tagging-Workshop gab es zudem zwei Filme sowie ein Podiumsgespräch zum Thema des Tages: „Wem gehört die Stadt?“ Jeder Tag steht unter einem anderen Motto. In Podiumsdiskussionen, Vorträgen, Workshops und Filmen werden verschiedene Formen der Hip-Hop-Kultur diskutiert, angefangen bei der Entstehungsgeschichte in der Bronx hin zu Ausgrenzungsphänomenen und Integrationsprojekten. Am Samstag wird unter dem Thema „Break Grenzen!“ gezeigt, wie Tanz und die Hip-Hop-Kultur zur Integration von Geflüchteten beitragen können – das kann man live in einem Breaking-Workshop mit der „Break Grenzen Crew“, einer Tanzgruppe mit geflüchteten und einheimischen Jugendlichen, erleben oder in der Podiumsdiskussion mit dem Flüchtlingsrat Brandenburg, dem „Break Grenzen Crew“-Trainer und weiteren Künstler_innen durchdenken.

Ist der Hip Hop sexistisch?

Anlässlich des Weltfrauentags stand der Mittwoch unter dem Motto „Queens of the Culture: Frauen und Sexismus im Hip Hop“. Gezeigt wurde ein Film über die beiden schwedischen Hip-Hop-Tänzerinnen Martha und Niki, die bei den männerdominierten Tanzwettbewerben wie „Juste Debout“ als erste Frauen gewannen. „Ich freue mich, dass so viele Frauen da sind“, begrüßte die Moderatorin das Publikum. „In den letzten Jahrzehnten haben wir viel erreicht, aber wir haben auch viel zu kämpfen.“

Das zeigt auch der Film „Martha und Niki“. Die Dokumentation ist ganz nah an den beiden Künstlerinnen dran, als Zuschauer_in erlebte man ihre Begeisterung für den Tanz aber auch ihre Zweifel und Identitätskrisen mit. Sie sagen: „Frauen müssen härter arbeiten als Männer, um den gleichen Respekt zu bekommen.“

Während des Films wird immer wieder geklatscht und gejubelt. „Hier drin ist eine richtig gute Stimmung“, findet Tobias Wieczorek, denn normalerweise möchte jeder nur ungestört seinen Film sehen, doch während des Festivals wird im Kinopublikum mitgemacht. Am Premierentag am Dienstag war beim zweiten Film bis auf fünf Plätze alles ausgebucht, berichtet der Philosophiestudent. In Potsdam gibt es also viele Hip-Hop-Interessierte, wenn auch Potsdam nicht mit den Berliner Hip-Hop-Clubs mithalten kann, fasst es Tobias Wieczorek zusammen.

Tänzerinnen wollen „No easy probs“

Mit dem Abspann des Films beginnt auch die Diskussion. Josephine Apraku, Gründerin des „Instituts für diskriminierungsfreie Bildung“, DJ Freshfluke, Hip-Hop-Forscher Prof. Dr. Michael Rappe und Tänzerin Frieda Frost sitzen im Podium. „Der Film hat auch einen Teil meiner Geschichte erzählt“, sagt Frieda Frost. Oft hat sie schon Kommentare bekommen wie „Du als Frau hast es gut gemacht“ und fragt sich nun, ob sie als Tänzerin oder als Frau verstanden wird. Sie will „No easy probs“, nur weil sie sich traut in einem Kreis von Männern zu tanzen, sie will Respekt für ihren Tanzstil und ihr Können – unabhängig von ihrem Geschlecht.

DJ Freshfluke kennt es, nicht ernst genommen zu werden: „Schon vor dem digitalen Auflegen war ich ein Exot, weil ich eine Frau bin.“ Sie kennt die Atempause des Publikums, das sich denkt „Na, schafft sie den nächsten Übergang? Kann sie das auch?“ Nach ihrem Umzug von Köln nach Berlin wird für sie ihr Geschlecht aber irrelevanter. Die hiesigen DJs finden sie ein bisschen cool als Exoten und ihr Geschlecht sei damit ein bisschen egal, erinnert sich die heutige Mutter. Auf die Bezeichnung „DJin“ verzichtet sie, ganz getreu dem Motto: „Du Tanzan, ich DJin – wir sind nicht beim 100-Meter-Lauf, körperliche Unterschiede spielen hier keine Rolle.“

Ist Hip Hop nur der Spiegel unserer sexistischen Gesellschaft?

Es wird auch diskutiert, ob und inwiefern Hip Hop sexistisch sei, ob es eher um Selbstinszenierung und Repräsentation geht anstatt um eine eigene Kultur und wie man diese Kunstform zum Aktivieren von Sozialabgehängten nutzen kann. Eine Zuschauerin findet die passenden Worte: „Hip Hop ist nicht sexistisch. Hip Hop ist eine Kultur, die in einer sexistischen Gesellschaft gelebt wird.“ Daher ist es wichtig, dass es mehr weibliche Vorbilder in der Hip-Hop-Szene gibt, damit sich mehr Frauen trauen zu tanzen und in Battles gegen Männer anzutreten. Frieda Frost sieht, dass man Frauen den Einstieg in die Szene erleichtern muss.

Aber mehr Präsenz und Aktivität von Frauen bedeuten in Hip-Hop-Kreisen nicht nur eine neue Konkurrenz, sondern auch mehr Raum für Emotionalität. Organisator und leitender Dozent Saman Hamdi gibt auf der Bühne offen zu, bei dem Film geweint zu haben, da ihn dieser so sehr berührt hat: „Feminismus ist auch für Männer gut, um das Korsett zu sprengen.“

Graffitisprüherinnen und senegalelischer Hip Hop auf der Leinwand

Dass Feminismus auch der Kreativität einen neuen Anstoß gibt, zeigte der zweite Film des Abends, welcher nahtlos an die Podiumsdiskussion anschloss. In „Girl Power“ interviewte eine tschechische Graffiti-Sprüherin Kolleginnen weltweit, die sich nachts trafen, um zu „bomben“.

Aber Hip Hop kann nicht nur geschlechtliche Grenzen überwinden. Hip Hop kann aktivieren, mehr aus seinem Leben zu machen oder neu anzufangen. Hip Hop kann gegen soziale Ungleichheit angehen. Wie das funktioniert, wird an einem Projekt aus dem Senegal am Sonntag gezeigt. Ab 18 Uhr gibt es den Berlinale-Film „The Revolution Won’t be Televised“ und eine Podiumsdiskussion zu „Wir haben genug! Senegalischer Hip Hop als soziale Bewegung“. Zuvor kann man sich selbst bewegen und mit der Hip-Hop-Legende Jorge „Pop Master Fable“ Pabon von der ROCK STEADY CREW tanzen. Am Samstag zuvor kann man sich ab 15 Uhr im Breaking-Workshop ausprobieren und sich mehrere Tanzbattles ansehen. Ob diskutiert, gefilmt oder getanzt – dass Hip Hop eine lebendige Kultur ist, das haben die Studierenden in ihrem Festival „HollyHood“ klar gezeigt.

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